Sie lehnen bis heute fast alle technischen Errungenschaften ab, pflügen ihre Felder mithilfe von Pferden, tragen altmodische, einheitliche Kleidung, verbieten sich jedes Detail, das den Eindruck von Eitelkeit erwecken könnte und sind streng religiös.

Berlin in den USA. Alma Hershberger hebt den Deckel ihres altertümlich anmutenden Kochtopfs und strahlt. "Essen ist fertig, bitte setzt euch", sagt sie zu ihren Gästen. In dem schlicht eingerichteten Farmhaus gibt es keine Elektrizität, keinen Gas-Anschluss, keinen Fernseher, kein Internet. Alma Hershberger ist eine Amish und lebt nahe dem Ort Berlin im US-Bundesstaat Ohio.

Tagsüber arbeitet die 59-Jährige auf der Farm, kocht für Besucher und verkauft selbst gemachte Marmelade. Am Abend fährt sie mit der Kutsche nach Hause. Insgesamt etwa 180 000 Amish - oder Amische - leben in den USA und Kanada noch wie ihre Vorfahren, als diese ab 1720 vorwiegend aus Deutschland und der Schweiz in die USA emigrierten. Sie lehnen bis heute fast alle technischen Errungenschaften ab. Das hat sie auch für Touristen interessant gemacht, die ihre Dörfer regelmäßig besuchen. Ihre Felder pflügen die Amish mithilfe ihrer Pferde, sie tragen altmodische, einheitliche Kleidung und verbieten sich jedes Detail, das den Eindruck von Eitelkeit erwecken könnte. Sie sind streng religiös, leben nach der Bibel und bewegen sich fast ausschließlich in ihren Kutschen.

"Das Leben war langsam und entspannt, wir haben viel Sport gemacht und saßen oft zusammen auf der Wiese und haben gesungen, während mein Bruder Mundharmonika spielte", erzählt der 63-jährige Paul Coblentz, der in einer Amish-Gemeinde aufgewachsen ist. Auch als Kind habe man schon bei der Feldarbeit mitgeholfen, und vor lauter Müdigkeit am Abend habe man sich überhaupt keine Gedanken darüber gemacht, ob man etwas wie Fernsehen, Radio oder Kino vermissen könnte. Nach seinem Weggang von der Gemeinde habe er sich aber so schnell wie möglich ein Auto zugelegt. "Es war in vielerlei Hinsicht eine neue Art von Freiheit, die gut getan hat, zudem hatte ich plötzlich auch die Möglichkeit, neue Interpretationen über die Heilige Schrift zu erfahren, das fand ich bereichernd."

Sich zu beklagen ist unter den Amish, von denen in Ohio etwa 36 000 leben, verpönt. Daher beschweren sie sich auch nicht über das unhöfliche Verhalten mancher Touristen, die per Bus anreisen, um den für sie anscheinend unvorstellbaren Lebensstil zu bestaunen. Manche Besucher fallen durch Versuche auf, die Amish verbotenerweise zu fotografieren, und machen sich dabei über deren Kleidung und Kopfbedeckung lustig. "Manchmal behandeln sie die Menschen hier wie Tiere im Zoo, aber mittlerweile haben sich die Amish daran gewöhnt - und viele profitieren ja auch von den Gästen", sagt die ehemalige Amish JoAnn Hershberger, auf deren Farm Alma arbeitet. Auch ein Mädchen der "Old Order Amish", der konservativsten Gruppe, ist bei JoAnn angestellt und trägt selbst im Hochsommer das typische langärmelige, knöchellange Kleid. "Diese Mädchen denken aber nicht: Wie gerne würde ich auch ein kurzärmliges T-Shirt tragen, sondern sie denken sich: Wenn du wüsstest, was ich weiß, wärst du auch Amish", erzählt JoAnn. Denn Amish zu sein, das bedeutet: Der Eintritt ins göttliche Paradies nach dem Tod ist wegen des gut geführten Lebens und der strengen Religiosität garantiert. Die Austrittsquote sei bei den Amish niedrig, sagt JoAnn. "Möglicherweise liegt das daran, dass die Amish eigentlich ganz froh darüber sind, dass sie vom Rest der Welt nicht so viel mitbekommen und in ihrem eigenen Universum leben."