20 Jahre nach der Havarie des Öl-Tankers “Exxon Valdez“ ist der Prinz-William-Sund wieder eines der beliebtesten Ziele in dem US-Bundesstaat - mit einer faszinierenden Tierwelt und hellblauen Eis-Giganten.

Es ist der flächenmäßig größte Staat der USA und stellt dabei nur rund 0,2 Prozent der Bevölkerung. Und doch kommt es in Alaska regelmäßig zu einem Verkehrsstau. An den Wochenenden zieht es die Bewohner von Anchorage, mit nicht einmal 300.000 Einwohnern größte Stadt und kulturelles Zentrum Alaskas, raus in die Wildnis. Davon gibt es im nördlichsten Bundesstaat der Vereinigten Staaten reichlich. Unverbaute Natur so weit das Auge reicht, und nur wenige Fernstraßen. Eine davon, der Seward Highway, führt direkt zum Prinz-William-Sund, rund 100 Kilometer südöstlich von Anchorage.

Wenn im Frühling und Sommer die Seewege in der riesigen Bucht eisfrei sind, steuern zahlreiche in- und ausländische Touristen den Hafen von Whittier an. Und stehen spätestens vor dem Anton Anderson Memorial Tunnel - dem zweitlängsten Straßentunnel Nordamerikas - im Stau, während die Züge von Alaska Railroad freie Fahrt haben.

Es ist eine Ironie des Schicksals, dass viele Besucher in überdimensionierten, Sprit fressenden Geländewagen und Vans anreisen. Vehikel, die reichlich von dem schlucken, was im Rohzustand vor 20 Jahren eine der größten Umweltkatastrophen Nordamerikas ausgelöst hatte. Am 24. März 1989 war der Tanker "Exxon Valdez" vor Alaska verunglückt. Der betrunkene Kapitän Joseph Hazelwood hatte zum Unglückszeitpunkt dem unerfahrenen dritten Offizier das Kommando überlassen. Millionen Liter Rohöl liefen aus und verseuchten rund 2400 Kilometer der Küste. Mindestens 250 000 Seevögel starben. Nach einer jüngsten Bestandsaufnahme von Biologen sind die Folgen der Katastrophe noch immer nicht überstanden. 60 000 Liter Öl belasten die Region noch heute. Die niedrigen Temperaturen in arktischen Gebieten verlangsamen den Abbau der Schadstoffe.

Ein US-Gericht urteilte jetzt, dass Exxon Mobil neben einer hohen Millionenstrafe auch Zinsen zahlen muss. Insgesamt summieren sich die Kosten auf mehr als eine Milliarde Dollar (rund 720 Millionen Euro). Das Gericht bestätigte eine Strafzahlung in Höhe von 507,5 Millionen Dollar. Zudem muss Exxon Mobil rückwirkend zum ursprünglichen Urteil 1996 Zinsen in Höhe von etwa 480 Millionen Dollar zahlen. Hinzu kommen Berufungskosten in Höhe von rund 70 Millionen Dollar. Exxon Mobil erwirtschaftete im vergangenen Jahr trotz des rapiden Verfalls des Ölpreises ein Rekordergebnis von 45,2 Milliarden Dollar.

Doch die Region blickt auch nach vorne: Die Häfen im Prinz-William-Sund sind wieder beliebte Anlaufstellen für Kreuzfahrtschiffe geworden.

Von Whittier aus steuern kleinere Charterboote die beeindruckendsten Gletscher im Sund an. Praktisch im Vorüberfahren kann dabei die faszinierende Tierwelt Alaskas bestaunt werden. Bob ist Fremdenführer auf einem dieser Boote und erklärt die Bucht. Etwa, dass die reiche Tierwelt den Gletschern zu verdanken ist. Deren nährstoffreiches Wasser sorgt im Meer für eine hohe Planktondichte. An dem Plankton fressen sich riesige Fischschwärme satt, was wiederum andere Protagonisten anlockt: Buckelwale, Braunbären, Lachse und Seelöwen.

Bob gibt dem Kapitän ein Handzeichen. Dieser stellt umgehend den Motor ab. Der Grund für den Stopp hat einen leuchtend weißen Kopf, dunkelbraune Flügel, einen stechenden Blick und sitzt rund 30 Meter vom Boot entfernt auf einem Ast. Ein Weißkopfseeadler - das Wappentier der Vereinigten Staaten von Amerika. "Bitte ohne Blitzlicht fotografieren!", ermahnt Bob. Doch nicht alle verstehen es.

Das Boot nimmt Kurs auf die schmale Esther Passage. Die grandiose Naturbühne wird links und rechts von steilen Felsen flankiert. Nur wenige Seemeilen weiter ist es vorbei mit der Ruhe. Das Boot passiert einen Felsen, auf dem sich eine Gruppe Stellerscher Seelöwen tummelt. Das Gebrüll der kolossalen Bullen ist beachtlich. Mit Glück kann man an den Ufern auch Braunbären sehen, wie sie Steine umdrehen, um nach Muscheln zu suchen. "Das ist eine Delikatesse für sie."

Weniger Glück bedarf es heutzutage, um Seeotter zu sichten. Im Harriman Fjord schwimmen unzählige Eisschollen, die von den nahen Gletschern stammen. Auf einigen größeren Schollen - der Kapitän hält respektablen Abstand - lümmelt eine Handvoll der Meeressäuger herum. Obwohl die Tiere zu den scheuesten Bewohnern gehören, lassen sich ein paar der Exemplare nicht weiter von den Besuchern stören.

Nicht immer ging es den Seeottern im Prinz-William-Sund so gut. Im Westen der Bucht, wo die meisten Ausflugsboote herumkurven, war die Tierwelt nicht direkt vom Ölteppich bedroht - das Unglück ereignete sich weiter östlich. Doch was nicht im schwarzen Schlamm verendete, nahm das Gift durch die Nahrung auf und erlitt einen schleichenden Tod. In den sensiblen Gezeitenzonen wird es noch Jahrzehnte dauern, bis die letzten Rohölreste zersetzt sind. Immerhin: Die Seeotterbestände gelten mittlerweile als stabilisiert.

Von einem schleichenden Tod sind nun die Gletscher Alaskas bedroht. "Es gibt zwar ein paar, die in den letzten Jahren gewachsen sind", spricht Bob ins Mikrofon, "doch die meisten Gletscher sind geschrumpft". Eine Folge der Erderwärmung. Noch schieben sich die bläulich schimmernden Schneezungen beharrlich gen Meer und ziehen die Blicke der Besucher an wie ein Hypnotiseur sein Gegenüber. Vor dem Respekt einflößenden Surprise-Gletscher hält das Boot für eine halbe Stunde.

Nach und nach verstummen die Gespräche an Bord. Es ist eine überwältigende Kulisse.