Zu den am wenigsten besuchten Touren gehört die “Grüne Route der Olivenbäume“ im Tramuntanagebirge. Überall hat die arabische Kultur hier ihre historischen Spuren hinterlassen.

Astrid dreht sich nach mir um und fragt sorgenvoll: "Ein kleines Päuschen?" Ich stütze mich für einen Augenblick auf meine beiden Teleskopstöcke und lächle tapfer: "Nicht nötig. Wir gehen langsam weiter."

Der Puls pocht, Schweißperlen bilden sich auf meiner Stirn. Ich sehe nach oben. Der Gipfel des Sa Gubia ragt steil in den blauen Himmel Mallorcas. Noch 300 Meter, schätze ich. Oder sind es 400? "Zwanzig Minuten, dann haben wir es geschafft", muntert mich Astrid auf.

Wandern auf Mallorca. Noch nie wurde so viel gelaufen, geklettert und gewalkt wie in diesem Herbst auf der Sonneninsel. Über hohe Berge, durch tiefe Schluchten, hochalpin durchs Tramuntanagebirge, klassisch auf ausgewiesenen Wegen. Gemütliche zwei, drei Stunden am Tag oder kräftezehrende sechs, acht Stunden von frühmorgens bis zum Sonnenuntergang.

"Wandern hat sich auf der Insel durchgesetzt. Vor allem immer mehr junge Leute kommen und genießen beim Laufen die schöne Natur Mallorcas", stellt Herbert Heinrich fest, den sie alle nur den Wanderpapst nennen. Der 86-jährige Berliner lebt seit 25 Jahren in Cala Fornells in Blickweite der 90 Kilometer langen Gebirgskette "Sierra de Tramuntana", die am Puig Major mit 1443 Metern die höchste Erhebung erreicht. Kaum einer kennt schönere Wege und spektakulärere Aussichten als er. Sechs Wanderbücher hat er verfasst, alle selbst erkundet. Ebenso wie Prinzessin Astrid zu Stolberg, die zurzeit prominenteste Wanderführerin Mallorcas.

"Geschafft", sagt sie. Wir stehen auf dem 609 Meter hohen Gipfel des Sa Gubia bei Soller. Vor uns breitet sich eine gigantische Bergwelt aus. Das Sonnenlicht reflektiert in den Felsen. In der Ferne sehen wir die Strände und das Meer, im Dunst des späten Sommers taucht die unbewohnte Insel Cabrera auf, weit hinten rechts am Horizont erstreckt sich Palma.

Drei Stunden sind wir gelaufen, in Serpentinen nach oben, mithilfe einer Leiter über einen Zaun geklettert. Die letzten beschwerlichen Meter führten steil über Geröll und Gestein direkt zum Gipfel. Aber jetzt gibt es eine Belohnung. "Wir müssen trinken und etwas essen, damit wir wieder zu Kräften kommen", ermahnt uns Astrid und packt aus ihrem Rucksack Baguette, Käse, Oliven und eine Flasche Wasser aus. Die Prinzessin lebt mit ihrer Familie im Weindorf Binissalem. Sie hat sich aufs Wandern konzentriert, erkundet seit 13 Jahren Mallorcas Natur, geht jede Wanderroute ab und zeichnet sie auf einem GPS-Gerät auf.

"Es gibt oft schlecht beschilderte Pfade in den Bergen. Auf meinem Navigationsgerät wird jeder Weg ganz aktuell festgehalten", erläutert sie. "Der Wanderer muss nur der vorgegebenen Linie folgen und findet auch in unbekanntem Gebiet so zu seinem Ziel." Sie verleiht die Geräte, bietet aber auch an, die Routen von ihrer Webseite herunterzuladen. "Oder man bucht mich persönlich", sagt sie lächelnd. 30 Euro kostet eine kurze, 50 Euro eine lange Tour in der Gruppe. Astrid zu Stolberg ist ein Naturkind. Seit vielen Jahren erkundet sie die Bergwelt Mallorcas, ist oft alleine oder mit einer Freundin unterwegs. "Manchmal übernachten wir unter freiem Himmel und in Schlafsäcken, hoch oben auf einem Gipfel", erzählt sie. Kürzlich waren sie auf dem 1100 Meter hohen l'Ofre, haben den Sonnenuntergang beobachtet und in einer kleinen Mulde die Nacht verbracht. "Morgens wurde ich von einer wilden Ziege geweckt, die sich neugierig über mich gebeugt hatte."

Ihre Tipps fürs Wandern? "Das Wichtigste sind die richtigen Schuhe. Viele Wege sind rutschig, Geröll und wackelige Steine erschweren das Gehen. Auch zwei Teleskopstöcke sind eine große Hilfe, vor allem beim Abstieg. Natürlich sollte jeder Wanderer ausreichend zu trinken und zu essen und Kleidung gegen Nässe und Kälte dabeihaben." Außerdem: Niemals allein wandern und sich zuvor genau über den Routenverlauf informieren.

Regelmäßig aktualisiert das mallorquinische Fremdenverkehrsbüro seine Routenvorschläge, zurzeit sind es 25 ausgesuchte Wandertouren. Zu den schönsten und am wenigsten besuchten gehört die "Grüne Route der Olivenbäume". Die Strecke im Tramuntanagebirge wird wegen des schwierigen Aufstiegs nur wenig bewandert, gilt jedoch als sehr attraktiv. Sie führt von dem Dörfchen Caimari zum 1037 Meter hohen Puig N'Ali. Überall hat die arabische Kultur hier ihre Spuren hinterlassen. Nicht schwierig ist die Wanderung von Soller nach Ses Puntes in die schönste Ecke des berühmtesten Orangentals. Oder die Drei-Stunden-Tour vom Künstlerdorf Deia` hinab in die faszinierendste Bucht Mallorcas zur Cala Deia, den Küstenweg entlang nach Cala Llucalcari und wieder zurück nach. Eine besondere Empfehlung: die Routa de Pedra en Sec, die 300 Kilometer lange Trockenmauerroute (GR 221) durch das Tramuntanagebirge. Der Wanderweg ist gut ausgeschildert, besteht aus acht Etappen. Es gibt mehrere Hütten, in denen die Wanderer speisen und auch übernachten können.

Und dann verrät uns Herbert Heinrich seine schönste Wanderroute: "Der Reitweg des Erzherzogs!" Ludwig Salvator von Österreich lebte Ende des 19. Jahrhunderts auf Mallorca. Sein Reitweg zog sich von Valldemossa durch eine Wildwasserschlucht hinauf zum 900 Meter hohen "Caragoli". Ein steiniger Weg, knapp zweieinhalb Stunden lang.

Steinig ist auch unser Abstieg vom Gipfel des Sa Gubia. Unterwegs kommen uns immer mehr Wanderer entgegen. Unten an der Straße nach Soller angekommen, verabschiedet sich unsere Wanderführerin: "Adios, bis zur nächsten Tour." Die kommenden Tage hat sie bereits verplant. Fünf Routen zwischen drei und acht Stunden. "Schön, dass so viele Menschen jetzt das andere Mallorca kennenlernen wollen."