Auf Deutschlands höchstem Berg steht ein Iglu-Dorf. Zum Abendessen gibt es Käsefondue und Glühwein, für die Nacht mollige Schlafsäcke.

Luft: minus 10 Grad, Wasser: plus 39 Grad, Panorama: 180 Grad. Keine Geräusche, dafür sanftes Pool-Blau und Tausende von Sternen. Christoph und Steffi fühlen sich wohl in Deutschlands höchstem Whirlpool. Was für ein Prickeln auf 2600 Metern Höhe. Das junge Pärchen genießt ein Privileg, das Gästen des einzigen Igludorfs der Republik zuteil wird. "Fehlen nur noch Cocktails und Zigarren", meint Christoph. Aus Sorge um Scherben und Verunreinigung sind derartige Badezusätze zwar untersagt, aber das stört nicht weiter. Allein mit Sternegucken halten es die beiden problemlos eine Stunde im Sprudelbecken aus.

Allerdings erwägen sie angesichts festfrierender Haare und sinkender Temperaturen so langsam, sich etwas anzuziehen. Für einen schonenden Übergang von der warmen Wasser- in die frostige Eiswelt sorgt ein ausrangiertes Lifthäuschen samt Heizstrahler, Föhn und Spiegel. Bis zu vier Leute können sich hier im Warmen für den weiteren Abend präparieren. Sei es für die Nachtwanderung zum Windloch samt Blick hinunter ins tirolerische Ehrwald oder für Käsefondue und Wein im imposanten, bis zu sieben Metern hohen Gruppeniglu in der Mitte des Dorfes.

Doch so forsch man auch durch den Schnee stapft und so heftig man beim Glühwein hin und her wippt: Irgendwann spürt sie jeder, die Kälte, die selbst durch drei Lagen Pullover, vier Paar Socken, Strumpfhose und Skijacke kriecht. Das ist der Moment, an dem es entweder noch einmal in einen der beiden Whirlpools geht - oder ab in die Schlafhöhlen. Dort warten in der Arktis erprobte Daunenschlafsäcke, die vor Temperaturen bis minus 42 Grad schützen, was dazu führen kann, dass dem einen oder anderen in null bis vier Grad warmen Räumen sogar allzu mollig wird und er, wie Christoph, den Schlafsack in der Nacht öffnen muss. Schließlich wird man auf Matten und Schaffelle gebettet, die zusätzlich für wohlige Wärme sorgen.

Wenn man dann so auf dem aus Schnee gefertigten Schlafpodest ruht und im Kerzenschein die Decke anderthalb Meter über dem Lager betrachtet, kann einem schon ein bisschen mulmig werden: Immerhin lasten etwa 3000 Tonnen Schnee auf den Iglus. Doch die meisten Kurzzeit-Eskimos sind von den Erlebnissen des Tages so angetan oder auch nur erschöpft, dass sie schnell ins Land der Träume entschwinden.

Spielt man noch ein wenig die Worst-Case-Szenarien durch, kommt man zu dem Schluss, dass nicht nur das Vorhandensein von Notausgängen vertrauenserweckend ist, sondern auch die Geschichte, die zur Einstimmung ins abenteuerliche Dorfleben erzählt wurde: Sie handelt davon, wie einmal ein rund sechs Tonnen schwerer Pistenbully, der absichtlich über drei Suiten bretterte, die Höhlen nicht zum Einstürzen bringen konnte.

Von Inuit erbaute "Original-Iglus" könnte kein Pistenbully überfahren, viel zu rund sind die Eigenheime der Polarbewohner. Doch die Zugspitzvariante hat mit den traditionellen Schnee-Blockhäusern wenig zu tun. "Von außen sieht das Bauwerk eher aus wie ein riesiger Schneehügel, die Dörfer lassen wir im Inneren durch miteinander verbundene Gänge entstehen", erklärt Adrian Günter, Gründer und Geschäftsführer der Iglu-Dorf GmbH.

Günter hat ein Patent fürs Igluschnellaufbauen angemeldet, zehnmal schneller sei er mit seiner Methode als die Eskimos, und das trotz deren Erfahrungsvorsprungs. Günters Trick: Riesige Luftballons werden mit einer Schneefräse immer und immer wieder beschneit. Später wird die Luft abgelassen, und übrig bleibt nur noch das Iglu-Dorf auf Zeit.

In der Schweiz gibt es sie schon länger, die winterlichen Eishotels, in Zermatt, Engelberg, Gestaad und Davos-Klosters lässt Günter sie Winter für Winter errichten. Das (bislang) einzige deutsche Iglu-Dorf liegt auf dem Zugspitzplatt und ist von oben gar nicht als solches zu erkennen. Es befindet sich nämlich unter einer bis zu drei Meter dicken Schneeschicht.

Die ganzen Ausmaße der verbauten Fläche von 600 Quadratmetern erkennt erst, wer das Innere des Dorfs betritt. Mit Kerzen stimmungsvoll beleuchtete Gängen ziehen sich von Höhle zu Höhle und verbinden die Schlafzimmer, Küchen, Gruppenräume und WC miteinander. "Ehrlich gesagt hab ich's mir ganz anders vorgestellt", sagt Steffi ohne Anflug von Enttäuschung in der Stimme. "Viel kleiner, enger und niedriger. Hier sieht es ja eher aus wie in einem Hotel."

So wie Steffi geht es eigentlich allen. Jeder, der den Komplex zum ersten Mal betritt, ist fasziniert. Erst recht von den Kunstwerken, die die Eiskünstler, darunter eigens eingeflogene Inuit, gefertigt haben: Rosen, Krokodile, Ornamente. Und die sogenannten Romantiksuiten, die für Paare reserviert sind, werden, wie soll es anders sein, geschmückt von Herzen. Alle anderen Höhlen teilen sich bis zu sechs Bewohner, hier aber herrscht Intimität, die Schlafsäcke können miteinander verbunden werden, und Sekt steht auch bereit. Gekühlt muss er gar nicht werden, wie man sich vorstellen kann. Vom Februar an wird es gar eine Romantiksuite mit eigener Toilette geben. Dass die Zweisamkeit einen Aufpreis verlangt, versteht sich.

Einige im Igludorf gemachte Heiratsanträge sind offiziell überliefert, die Dunkelziffer dürfte höher liegen. Ein Paar aus Oberammergau verbrachte in der Romantiksuite gar die Hochzeitsnacht. Ein Gedanke, der auch Christoph und Steffi gefällt.