Der Sundowner in Camps Bay, der Imbiss im Township - ein Trip wie dieser lebt auch von den Kontrasten.

Für diesen Tag nimmt uns Lucy alle Hoffnung. "Keine Chance, heute auf den Tafelberg zu fahren", bedauert unser Tourguide. Dabei liegt es nicht an den Wolken, die häufig genug das 1086 Meter hohe Felsplateau einhüllen und es den Blicken entziehen. Vielmehr zwingt der heftige Wind vom Atlantik die von Schweizer Experten gebaute Seilbahn zum Stillstand. Dabei sitzt uns doch die Zeit im Nacken, schließlich haben wir für unseren Besuch in Kapstadt nur zwei knappe Tage eingeplant - viel zu wenig, wie uns mit jeder Minute immer deutlicher wird.

Der rund elfstündige Nachtflug steckt uns am späten Vormittag noch in den Knochen, vielleicht hält sich deshalb die Enttäuschung über die entgangene Bergfahrt in Grenzen. Das Programm wird kurzerhand umgestellt, und während einer ausgiebigen Stadtrundfahrt kann sich der Besucher an die sommerlichen Temperaturen gewöhnen. Kapstadt begrüßt den beginnenden Sommer mit Temperaturen von 26 Grad. Da ist der schmuddelig-milde Winter, von dem wir uns am Abend zuvor in Deutschland verabschiedet haben, schnell vergessen. Wenn nur dieser Sturm nicht wäre!

Aber Lucy ist zuversichtlich: "Morgen früh könnte es klappen, manchmal flaut der Wind über Nacht ab." Die Frau hat hellseherische Qualitäten. Schon kurz nach 8 Uhr stehen wir am Kassenhäuschen, zahlen 120 Rand (umgerechnet etwa 15 Euro) für das Ticket und schweben bereits wenige Minuten später hinauf zum Tafelberg. Da die Gondel sich während der Fahrt dreht, kann jeder das unvergleichliche Panorama genießen - den Blick auf die einzelnen Stadtviertel, die Strände, bis weit hinaus aufs Meer. Wer bis jetzt nicht die Kamera gezückt hat, holt dies spätestens nach, wenn er das Felsmassiv erreicht hat. Kletterfähigkeiten sind hier oben glücklicherweise nicht gefragt, das Plateau lädt zu Rundgängen ein und bietet Postkartenmotive in allen Himmelsrichtungen.

Frühes Aufstehen kann sich lohnen - diese Lebensweisheit bewahrheitet sich, als wir am späten Vormittag wieder den Fuß des Tafelberges erreichen. Die Warteschlange zieht sich weit die Straße entlang, ein Ende ist nicht in Sicht. Mitarbeiter versuchen gleichzeitig, das Verkehrschaos zu entwirren. Reisebussen und Minivans entsteigen ständig neue Besucher, die jetzt vor allem eines brauchen: viel Geduld und Stehvermögen.

Also nichts wie dorthin, wo es - selbst an diesem Sonntag - weniger rummelig zugeht: an einen der zahlreichen Strände nahe der Stadt. Vom kaum frequentierten Parkplatz sind es nur ein paar Schritte durch die Dünen, bis man den breiten, weißen Sandstrand erreicht. Der Wind hat wieder leicht zugelegt, in den breiten Wellen zeigen einige Jugendliche ihre Künste auf dem Surfbrett. Schwimmer allerdings machen sich rar - ein Fußbad gibt Aufklärung: Trotz der kräftigen Sonneneinstrahlung ist das Wasser ziemlich kalt.

Am späten Nachmittag steht Kapstadts wohl bekanntester Vorort auf dem Programm: Camps Bay. Palmengesäumt, mit den "Zwölf Aposteln", einer imposanten Bergkette, im Rücken und dem Blick auf die Weiten des Atlantiks. Früh am Abend taucht hier die Sonne wie ein Feuerball ins Meer - ein Spektakel, das sich viele gerade am Wochenende nicht entgehen lassen. In den zahlreichen Restaurants und Cafes sitzen die Einheimischen und die Urlauber, die Schönen und die Reichen, die Ausgeflippten und die Naturfreaks dicht beieinander - zum traditionellen Sundowner. Und wenn die Sonne dann untergegangen ist, sind es nur zehn Minuten Fahrt zurück in die City.

Kapstadt - ein leider viel zu kurzer Zwischenstopp. Keine Chance auf die berühmte Garden Route, auf die immer zahlreicheren Weingebiete in der Nähe. Mit dem Flugzeug geht es stattdessen nach Durban, in die Großstadt am Indischen Ozean, wo wir mit einem Mann verabredet sind, der uns auch die Seite Südafrikas zeigen will, die in Reiseprospekten gern ausgeklammert wird: die Townships und die dort unter primitivsten Verhältnissen lebenden Farbigen. Langa Dube hat berühmte Vorfahren, sein Großvater John gründete einst den African National Congress (ANC) und war dessen erster Präsident. Der Enkel führt uns auf der "Cultural Tour" im Phoenix-Township zunächst zu dem Haus, in dem Mahatma Gandhi bis 1914 mehr als zwei Jahrzehnte gelebt hat und wo der Kämpfer für die Menschenrechte damals die Zeitung "The Opinions" herausbrachte. Zufällig besucht an diesem Tag gerade Gandhis Urenkelin Ela mit ihrem Mann und einigen Verwandten die Gedenkstätte. Das Haus und die Nebengebäude samt Druckerei waren bei Unruhen im Jahr 1985 teilweise zerstört worden, sind inzwischen aber wieder hergerichtet.

Mittagessen in einem Township? Der Vorschlag von Langa Dube löst leichtes Unbehagen aus, schließlich aber lassen wir uns überreden. Das Haus, das er ansteuert, ist am besten mit dem Begriff "Stehimbiss" umschrieben. Die Schlachterei im Erdgeschoss mag nicht gerade den hygienischen Standards westeuropäischer Länder entsprechen. Aber Dube beruhigt besorgte Urlauberseelen und trägt ein großes Holzbrett mit Koteletts und grober Bratwurst zum offenen Grill. Da sich ausländische Gäste eher selten hier einfinden, ist die Aufregung groß. Er sei geradezu "geehrt von unserer Anwesenheit", lässt uns ein nicht mehr ganz nüchterner Township-Bewohner gleich mehrfach wissen. Ob er es ernst meint? Nach etlichen Wendemanövern auf dem Grill ist das Fleisch fertig, wird mit einem Taschenmesser zerteilt und schmeckt prima - trotz der anfänglichen Vorbehalte.

Zwei Tage später, eine Dreiviertel-Flugstunde von Durban entfernt. Ankunft in dem nach Gambia zweitkleinsten Staat Afrikas. Das an Mosambique grenzende Königreich Swasiland liegt nordöstlich von Südafrika, mit einer Fläche von rund 17 000 Quadratkilometern erreicht es nicht einmal die Größe Sachsens. König Mswati III. (Mswati heißt zu Deutsch etwa "Der Mund, der keine Lügen spricht") herrscht seit mehr als zwei Jahrzehnten unangefochten und mit Stil. Auf wichtige Gäste ist man am Matsapha-Airport jedenfalls bestens eingerichtet: Das Schild "VIP-Lounge" prangt deutlich sichtbar am Flughafen-Gebäude, einem ansonsten höchst unauffälligen Flachbau. Libyens Staatschef Gaddafi etwa hatte die Ehre, dort empfangen und verabschiedet zu werden. Die Bevölkerung war vom Staatsbesuch allerdings weniger angetan; schließlich, so wird berichtet, wurde aus Sicherheitsgründen das Handy-Netz landesweit für drei Tage abgeschaltet.

Der Monarch, so ist allerorten zu hören, pflegt einen aufwendigen Lebensstil. Nicht allein teure Mercedes- und Maybach-Limousinen aus dem Schwabenland haben es ihm angetan. Auch diverse Ehefrauen wurden landesweit mit eigenen Residenzen beglückt. Und einmal im Jahr, wenn beim traditionellen Reed-Dance die schönsten Jungfrauen dem König huldigen, darf das Staatsoberhaupt auf Brautschau gehen - einen ganzen Monat lang. Die wichtigste Zeremonie des Jahres stellt allerdings das Erntedankfest Ende Dezember dar, wenn Mswati III. die erste Frucht der neuen Ernte probiert - Anlass für ein viertägiges Fest im ganzen Land.

Bislang weitgehend auf Erträge vom Zuckerrohr- und Baumwollanbau angewiesen, hat man mittlerweile die Chancen des Tourismus erkannt. Am schnellsten erreicht man Swasiland per Flugzeug von Johannesburg aus, nicht viel länger als eine halbe Stunde ist die Maschine da in der Luft. Auf einem gut ausgebauten Straßennetz klappt die Erkundung des Landes problemlos. Aus dem Tiefland an der Grenze zu Mosambik geht die Landschaft über in eine gebirgige und dabei vegetationsreiche Region mit mildem Klima, weshalb das Land auch als die "Schweiz Afrikas" gilt. Im Nordwesten Swasilands kann man auf Safari gehen und vom Jeep aus Leopard und Nashorn aus nächster Nähe betrachten. Und beim Besuch in einem typischen Runddorf erläutert der Häuptling die jahrhundertealten Tradionen des Zusammenlebens. Wer es gern sportlicher mag, kämpft beim Rafting mit den Wellen oder versucht auf dem gepflegten Golfplatz sein Handicap zu verbessern. Souvenirjäger werden bei der Fahrt quer durchs Land ebenfalls fündig. Ein großes Sortiment an Leoparden und Giraffen etwa erwartet ihn in der Matsapha Factory - glücklichweise sind die Tiere nur aus Wachs und dienen als Kerze. Wer hohe Temperaturen nicht scheut, kann den Arbeitern einer Glasbläserei fast schon hautnah bei ihrer Arbeit zusehen und danach im Shop nebenan Afrikas gläserne Tierwelt für das heimatliche Regal erstehen.

Tourguide Sareka, die uns am Ende des Aufenthaltes im Königreich zum Flughafen begleitet, empfiehlt, beim nächsten Mal mehr Zeit mitzubringen und verabschiedet sich mit der landestypischen Erkenntnis: "Wir hier haben keine Uhren, aber wir haben Zeit. Ihr Europäer habt zwar Uhren, aber dafür keine Zeit."