Italien: Ein neues Städteziel macht Appetit. Die Fette, die Rote, die Gelehrte - die hübsche Hauptstadt der Emilia Romagna hat drei Beinamen, die ihren Charakter treffend beschreiben. Wer gutes Essen liebt, ist hier richtig.

Bei "Tamburini", eine der ältesten Wurstwarenhandlungen in Bologna, ist es vormittags hoffnungslos voll. Korpulente Mammas drängen sich zwischen alten Damen um den prall mit kulinarischen Köstlichkeiten beladenen Verkaufstisch herum. Würste und Schinken baumeln von der Decke, Käseformen türmen sich zu Pyramiden auf. Mit theatralischer Geste werden Kundinnen hauchdünne rosa Scheiben zum Probieren gereicht. Qualität ist gefragt. Schließlich wird in Bologna seit 1376 - da sind sich die Bologneser einig - die beste Mortadella Italiens hergestellt.

Gutes Essen gehört seit jeher zum Image der Stadt. Schon im Mittelalter wurde ihr auf Grund der deftigen Küche der Beiname "la Grassa" (die Fette) verliehen. Noch viel früher registrierte Plinius der Ältere genüßlich bis zu 50 verschiedene Fleischgerichte. Das berühmte emilianische "Bollito misto" steht auch heute noch ganz oben auf der Speisekarte: Haxe, Zunge und Schenkel, alles gekocht - von Ochse, Huhn und Borstenvieh. Davor Tagliatelle, Lasagne oder schinkengefüllte Tortellini, die hier ebenfalls irgendwann erfunden wurden. Ein köstlicher Lambrusco dazu sorgt notfalls dafür, daß jeder Gedanke an profane Dinge wie Kalorien oder Figur unweigerlich ausgeblendet wird.

Die Hauptstadt der Emilia Romagna ist nicht nur auf ihre lukullischen Genüsse stolz. "La Dotta" (die Gelehrte) besitzt auch eine der ältesten Universitäten Europas. Dante, Erasmus von Rotterdam, Kopernikus, Paracelsus sind nur einige der großen Namen, denen sie ihren Weltruf verdankt. Heute sind von Bolognas rund 400 000 Einwohnern etwa 100 000 Studenten. Sie bringen rund um die Uhr buntes, oft geräuschvolles Leben in die City. Vor allem abends herrscht Trubel in den Studentenkneipen und Bars. Zuviel für den Geschmack mancher Bewohner der Innenstadt. "Aber die Studenten bringen auch Geld, sie bewegen die Wirtschaft mit," erklärt der Inhaber eines Internet-Cafes, der mir sein brandneues Unternehmen zeigt. Und dann fügt er im Dialekt hinzu und übersetzt: "Bei uns hatte man noch nie Flausen im Kopf, sondern solide Arbeit, Lebensqualität und nicht mehr Arte und Museen, als man braucht!"

Bolognas besondere architektonische Note drückt sich vor allem in seinen Arkaden aus, die sich quer durch das Zentrum ziehen. Über 35 Kilometer, so schätzt man, sind es. Die ersten der kreuzgratgewölbten Bogengänge gehen auf das 13. Jahrhundert zurück, als die Stadt auf dem Höhepunkt ihrer wirtschaftlichen und politischen Macht stand. Die Hausbesitzer wurden damals durch Edikt verpflichtet, an den Wänden Balken einzuziehen, die - von Pfeilern gestützt - zu Arkaden erweitert wurden. Mindestens sieben Fuß mußten sie hoch sein, damit man unter ihnen durchschreiten konnte. Die Decken waren der Boden der Behausungen. Damit hoffte man, dem akuten Wohnungsmangel durch die Menschen, die damals in die Stadt strömten, Herr zu werden.

Heute geben die Laubengänge, die als Einkaufsstraßen dienen, den Alltagsrhythmus der Stadt an - ein lückenloses Nebeneinander von Boutiquen, Kramläden, Tabakgeschäften, Bars, Buch- handlungen und Reisebüros. Nach Geschäftsschluß trifft man sich noch auf einen kurzen Schaufensterbummel, ganz gleich, ob es regnet oder schneit. Das Wetter spielt unter den "Portici" keine Rolle.

Lucio Dalla, Bolognas berühmtester Liedermacher, hat durchaus recht, wenn er in einem seiner Stücke singt: "Im Zentrum von Bologna verirrt sich noch nicht einmal ein Kind." Man kann getrost ziellos durch das Gewirr der engen Straßen wandern, irgendwann landet man immer auf der Piazza Maggiore, dem Mittelpunkt der Stadt.

Es ist keine vergeudete Zeit, wenn man sich dort einen Augenblick Ruhe gönnt und im Schatten der mittelalterlichen Palazzi dem ganz alltäglichen Treiben zuschaut. Ein Plausch auf den Stufen des beliebten Neptunbrunnens gehört für die akademische Jugend ebenso zum Treffritual wie ein Gang durch Bolognas größte Bücherei samt Snackbar in der Sala Borsa. Am Nachmittag treffen sich die Männer und diskutieren über Fußball und das allgegenwärtige Thema: Politik. Denn Bologna, die Heimat des neuen italienischen Ministerpräsidenten Romano Prodi, schmückt sich nicht nur wegen seiner Backsteinbauten mit dem Beinamen "la Rossa" (die Rote), sondern weil es seit Jahrzehnten von der Linken regiert wird und die Teilnahme am sozialen Geschehen von jeher zur Tradition gehört.

100 Meter weiter stehen die beiden schiefen Torri Garisenda und Asinelli, die Wahrzeichen der Stadt. Es sind die Überbleibsel von einst 200 Geschlechtstürmen. Die wie Nadeln in den Himmel ragenden Torri wurden im Mittelalter mit babylonischem Eifer von den papst- und kaisertreuen Adelsfamilien als Zufluchtsort, hauptsächlich aber als sichtbares Zeichen ihrer Macht errichtet. So konnte man sich schon optisch eine Vorstellung davon machen, wer das Sagen in der Stadt hatte. Macht man sich die Mühe und steigt die 500 Stufen des (leider häufig geschlossenen) Torre Asinelli hinauf, blickt man auf das rotbraune Häusermeer und über sattgrüne Felder in der Ferne - bis hin zur Bergkette des Apennin.

Mit einem Fernglas und etwas Phantasie meint man dabei auch Dozza, ein beliebtes Ausflugsziel der Bologneser, zu erkennen. Das eigenwillige Bergstädtchen auf einem Hügel, mit seinen kopfsteingepflasterten Gassen und bunten Murales, mit denen zeitgenössische Künstler die uralten Hauswände bedeckten, begrüßt den Besucher schon von weitem. Alle zwei Jahre findet dort im September die Biennale del Muro Dipinto statt, bei der die Freskenmaler den Ort in ein wahres Freilicht- museum verwandeln. Im Licht der Straßenlaternen verwandeln sich die Bilder in eine Märchenlandschaft.

Im Keller der Rocca Forzesca ist in geschichtsträchtigem Ambiente auch die größte Enoteca der Emilia Romagna untergebracht - mit über 600 einheimischen Weinmarken, zum Kauf und Verkosten. Sie locken jährlich mehr als 30 000 Besucher in die Burg.