Belize serviert karibischen Genuss mit Suchtgefahr, gemixt aus Robinson-Inseln und sanftem Tourismus.

Belize City. Es ist alles nur eine Frage der Zeit. Bis der Sand zwischen die Zehen gekrochen ist und das Salz sich auf die Haut gelegt hat. Bis das badewannenwarme Meer einen in den Zustand willenloser Döserei geschaukelt hat und das Leben wunderbar ist und gar nicht mehr schwer. Und wenn nur noch Fragen anstehen wie diese: Esse ich heute abend Lobster? Kreolischen Kokosnussreis? Oder Trompetenmuscheln?

Bei stressgeplagten Europäern dauert es meist nur Minuten, in Ausnahmefällen wenige Stunden, bis sie eingelullt sind vom perfekten Karibik-Gefühl. Denn in dem kleinen Land in Mittelamerika überwiegen Ruhe und Gelassenheit. Seit dem Unabhängigkeitstag, dem 21. September 1981, gilt die einzige englischsprachige Enklave Mittelamerikas neben Costa Rica als Musterdemokratie der Region. Allerdings sollte bei all der Schwärmerei nicht vergessen werden, dass Belize Entwicklungsland und seine Infrastruktur entsprechend eingeschränkt ist.

40 Prozent seiner spektakulären Landschaft stellte das kleine Land in den letzten 30 Jahren unter Naturschutz - einen höheren Anteil als irgendein anderer Staat der Welt. Denn die Regierung setzt ganz auf Natur und sanften Tourismus.

Besonders gut lässt sich das auf den Cayes (sprich: "kiiis") beobachten, jenen kleinen, von Wasser umspülten Sandflecken, die irgendwo in der blauen Weite vor der Küste schwimmen. Seit Britisch-Honduras wieder Belize heißt, stranden Urlauber auf den Kokosnuss-Gestaden. Die einen, um die wohldosierte Exotik eines Luxusresorts zu genießen. Die anderen, um sich einmal im Leben wie Robinson zu fühlen.

Rund 200 Inseln stehen dafür zur Auswahl: Tobacco Caye zum Beispiel. Es ist so klein, dass man in Stöckelschuhen keine zehn Minuten braucht, um es zu umrunden. Oder das schlangenförmige Caye Caulker, wo man seine Schuhe getrost im Koffer lassen kann. Sogar im Restaurant lässt sich jeder den feinen Sand durch die Zehen rinnen.

Doch egal, wie unterschiedlich diese Tropeninseln sonst auch sein mögen, eines haben sie alle gemeinsam: Spätestens am zweiten Tag packt dort jeder Schnorchel und Taucherbrille ein, watschelt auf Flossen durch den weißen Sand, hinein ins glasklare karibische Meer und taucht ab zum zweitgrößten Barriere-Riff der Welt. Zu den Papageienfischen, die eitel, bunt und verfressen auf Fütterung lauern, zu den Zebrafischen, die mit ihren weichen Mäulern an Pflanzen saugen, zu Trompetenfisch-Orchestern und Riffhaien, die hier träge und friedlich sind.

Belize, das ist ein kleines, fast menschenleeres Land. Gerade mal 200 000 multikulturelle Menschen bevölkern eine Region so groß wie Mecklenburg-Vor-pommern; über 50 Prozent sind mehr oder minder afrikanischen Ursprungs, gemischt mit europäischen Vorfahren. Gut 50 000 wohnen in Belize City. Der Rest verteilt sich auf die wilden, steil ansteigenden Mittelgebirge im Hinterland, auf kleine Orte in den dichten subtropischen Wäldern und an dahingurgelnden Flüssen. Und auf die Dörfer an der zerschlissenen Küste mit ihren goldgelben, watteweichen Stränden.

Placencia ist so ein Ort, "das bestgehütete Geheimnis Belizes", wie Einheimische behaupten, ein ganz im Süden gelegenes schläfriges Fischernest. Ein paar bunte Hütten an der schmalen Hauptstraße, die Bürgersteige sind aus Muscheln gelegt. In Omars rosa-weiß gestreifter Bar hängt ein vergilbtes Poster von der Queen. An leuchtenden Hibiskusblüten summen Kolibris. Davor kilometerweit weißer Sandstrand mit rosigem Korallenschimmer.

Ein karibischer Cocktail, der süchtig macht. Auch Francis Ford Coppola verfiel ihm, Regisseur von "Der Pate" und fünfmaliger Oscar-Preisträger. Er verliebte sich in Belize, schaffte zwei Urlaubs-Oasen: das "Turtle Inn" nahe Placencia und tief drinnen im Dschungel der Mountain Pine Ridge, wo im Bambusdickicht die Affen brüllen und nachts die Jaguare schreien, die "Blancaneaux Lodge". Dort lässt er irdische Ferien-Vollkommenheit zelebrieren: mit Speisen nach original italienischen Coppola-Familienrezepten und Rebensaft von seinem kalifornischen Weingut Niebaum Coppola Estate. Außer den Gästen, Coppola selbst und eventuell mal seinem Neffen Nicolas Cage trifft man zwischen den Baumriesen und Lianen kaum eine Menschenseele. Höchstens mal einen ergrauten Maya, der noch wie seine Vorfahren auf der Jagd nach einem Wildschwein durchs Dickicht schleicht . Oder einen Jeep, der sich den Weg durch den Urwald bahnt zu einer der gut 500 Maya-Ruinen, von denen manche über 3000 Jahre alt sind. Nach Caracol etwa, das 1986 berühmt wurde, als Linguisten die Inschrift entzifferten, die vom Sieg über Tikal, eine berühmte Maya-Sied-lung im nahen Guatemala, berichtet. Oder nach Xunantunich mit seinen über 20 rund 2000 Jahre alten Palästen und Tempeln.

Gegen derart viel Kultur und Natur wirkt Belize-City fast schon wie ein Moloch, wenn auch nur wie einer im kleinen Stil. Die Skyline der ehemaligen Hauptstadt ist mager, kleine bunte Hütten und zierliche weiß gestrichene viktorianische Holzhäuser kontrastieren mit dem azurblauen Himmel. 1961 wurde Belize-City von Hurrican Hattie so weit zerstört, dass eine neue Hauptstadt her musste: Belmopan, eine Retortenstadt, die bis heute nur Staatsangestellte beherbergt.

Doch Mango, ein Fischer, das Gesicht alt und von der Sonne gegerbt, sagt: "Für uns bleibt Belize-City die Hauptstadt." Mit seinem Viertel aus mächtigen Mahagoni-Palästen. Mit dem Gewirr aus windschiefen Häusern mit Schaukelstuhl-Veranden zur Straße und Bootsanlegern im Rücken.

Nur eine Stunde mit dem Wassertaxi entfernt ist Ambergris Caye, Belizes nördlichste Tropeninsel. Im Hauptort San Pedro gibt es drei ordentlich geharkte Sandsträßchen, ein paar Golfcarts als improvisierte Taxis, bonbonbunte Buden, ein paar Läden und zwei Diskos. Hinter dem Dörfchen, in dem Dickicht aus Mangroven, Pinien und Palmen, ducken sich ein paar erstklassige Ferienresorts in die Landschaft. Flamingos staksen durchs flache Wasser, Pelikane fangen tollpatschig kleine Fische. Europäer sitzen unter Strohschirmen, die Füße im 30 Grad warmen Wasser. Am liebsten möchten sie alles rundherum einpacken und mitnehmen. Oder wiederkommen. Aber das ist ohnehin nur eine Frage des Geldes und der Zeit.