Flug, Hotel, die Mahlzeiten und Getränke, Sport, Unterhaltung und sogar die Betreuung der Kinder - alles ist vorab bezahlt.

Plötzlich ist die Ruhe dahin. "Ich hab Durst. Will trinken", ruft der kleine Knirps quer über den Strand. Auf den Sonnenliegen unterhalb der Dünen von Maspalomas auf Gran Canaria kommt Bewegung. "Ich will 'ne Cola", quengelt jetzt auch seine Schwester. "Auf keinen Fall gibt es was zu trinken", entscheidet die Mutter mit strenger Stimme. "Im Hotel ist alles bezahlt. Dort können wir so viel trinken und essen, wie wir wollen. Wir haben schließlich all-inclusive."

All-inclusive ist das Zauberwort der beginnenden Feriensaison. "Das Reisejahr 2009 wird als All-inclusive-Jahr in die Geschichtsbücher der Tourismuswirtschaft eingehen", sagt Volker Böttcher, Chef von TUI Deutschland. Jeder zweite Mittelmeer-Urlauber wählt in diesem Sommer das Rundum-sorglos-Paket. Auf Gran Canaria ist es in diesem Frühjahr bereits jeder dritte Feriengast.

"Für uns ist das die ideale Urlaubsform", stellt auch Stefan Lorch fest und blickt zufrieden von seiner Liege neben dem Swimmingpool auf seine kleine Tochter. "Wir verlassen so gut wie gar nicht die Hotelanlage. Denn Verena hat hier alle Freiheiten. Sie bekommt jederzeit ihr Lieblingseis, kann trinken, wann immer sie will, und wird vormittags im Miniclub betreut. Besser geht es nicht."

Der 46 Jahre alte Bäckermeister aus dem Saarland macht mit seiner Familie Ferien im ClubHotel "RIU Gran Canaria" in Meloneras, im neuen Ortsteil von Maspalomas. Zehn Tage für 2400 Euro. Flug, Unterkunft im Vier-Sterne-Haus und Verpflegung - alles im Preis inbegriffen. "Hier haben wir unser Ferienparadies gefunden", schwärmt Stefan Lorch.

Nicht nur Familien entscheiden sich für den neuen Urlaubsrenner, sondern auch Singles, Paare und die unternehmungslustigen Best Ager der 50-plus-Generation. "In wirtschaftlich unsicheren Zeiten wollen die Feriengäste schon bei der Buchung wissen, wie hoch die Gesamtausgaben ihres Urlaubs sind", sagt Claudia Schunk von der spanischen Hotelkette RIU.

All-inclusive-Reisen sind eine moderne Variante der Vollpauschalreise. Neben Flug, Unterkunft und Mahlzeiten sind auch Wasser, Fruchtsäfte, Kaffee und Kuchen am Nachmittag, alkoholische Getränke wie Bier und Hauswein im Reisepreis enthalten. Ebenso die Betreuung der Kinder, sportliche Aktivitäten wie Gymnastik und Wasserball sowie das Showprogramm am Abend. Zusätzlich gibt es noch Ultra-all-inclusive für einen höheren Preis, aber auch mit mehr Leistungen. "Alles drin" heißt es bei der weiterentwickelten Klubmarke "Magic Life" von TUI, was in der Praxis bedeutet: 24 Stunden Getränke verfügbar, gefüllte Minibar, À-la-carte-Restaurants. "Wir sehen nur Vorteile", bestätigt Jörg Kiekbusch aus Grünstadt in Rheinland-Pfalz. Der 64 Jahre alte ehemalige Architekt macht mit seiner Frau Karin zum 14. Mal Urlaub im ClubHotel RIU in Maspalomas. "Wir haben endlich die beste Urlaubsform gefunden, müssen uns um nichts mehr kümmern. Morgens beginnen wir entspannt mit einem ausgiebigen Frühstück auf der Terrasse, dann machen wir einen Spaziergang zu den Dünen und baden im Meer. Mittags speisen wir im Poolrestaurant, essen einen kleinen Salat. Dann geht es zum schönsten Hafen der Insel, nach Purto de Mogan. Und am Abend genießen wir die große Auswahl am Büfett. Das ist Lebensqualität pur", sagt Jörg Kiekbusch. "Es kostet nichts. Alles ist bezahlt. Unser Armband ist wie ein Schlüssel ins Paradies", meint auch die 71-jährige Gilda Moll. Das schmale Band ist für jeden All-inclusive-Gast Pflicht. Ohne Armband gibt es keinen Einlass ins Hotel, kein Essen im Restaurant, kein Getränk an der Bar. Eine wichtige Rolle spielt die Farbe. Weiß für die Erwachsenen im Vier-Sterne-Haus, Rot für die Kinder. Gäste im Drei-Sterne-Hotel bekommen Silber verpasst. "Wir mussten für sie eine andere Farbe nehmen, weil zu viele Drei-Sterne-Gäste tagsüber zu uns ins exklusivere ClubHotel wechselten und den ganzen Küchenplan durcheinanderbrachten", erzählt Hoteldirektorin Pilar Dominguez.

Wie hält es der Gast, der im Hotel kein Bargeld mehr benötigt, mit dem Trinkgeld? Es gebe keinen Unterschied zu Halbpensions-Touristen, versichert Josefa, die für die Reinigung der 639 Zimmer verantwortlich ist. "Fünf Euro bekommt das Zimmermädchen bereits am ersten Tag, um sie in Stimmung zu halten", sagt Ursula Ziegler. Und dem Kellner stecke sie regelmäßig ein, zwei Euro zu. Andere Gäste zeigen sich ebenfalls großzügig.

Die Erfindung von all-inclusive liegt fast 60 Jahre zurück. Der belgische Sportler Gerard Blitz hatte 1950 in einem Freizeitcamp auf Korsika die Idee zu diesem neuen Urlaubskonzept. Noch im selben Jahr setzte er seine Vision um. Bei Alcudia auf Mallorca errichtete er aus alten amerikanischen Armeezelten ein Klubdorf für Feriengäste. Als Erster warb er mit "tout compris", alles inklusiv: Im Reisepreis waren Mahlzeiten, Tischwein, Animateure, Sport und Unterhaltung enthalten. Der Club Mediterranee war geboren.

Aber es dauerte Jahrzehnte, bis sich daraus die neue Urlaubsform entwickelte. Erst 1982 bot die Hotelkette Sandals & Beaches Resorts auf Jamaika einen All-inclusive-Aufenthalt auf höchstem Niveau an. Mit großem Erfolg. Einige der 21 Hotels der exklusiven Kette haben heute sogar einen persönlichen Butler-Service im Preis inbegriffen.

Knapp zehn Jahre später übernahm die spanische Hotelgruppe RIU das Konzept und bot deutschen Touristen im neuen Hotel "RIU Taino" in Punta Cana in der Dominikanischen Republik einen All-inclusive-Pauschalurlaub an.

Wie eine unaufhaltsame Welle breitet sich die neue Urlaubsvariante nun in ganzen Regionen aus. In mehr als 90 Prozent der Hotels in der Karibik können nur noch All-inclusive-Aufenthalte gebucht werden. Ebenso hoch ist der Prozentsatz in den drei ägyptischen Badeorten Hurghada, Marsa Alam und Sharm-el-Sheikh. Für die Hotels an der türkischen Riviera meldet der Hamburger Veranstalter Öger Tours einen Anteil von 80 und für die Halbinsel Bodrum von 60 Prozent. "In diesem Sommer werden 55 Prozent unserer verkauften Pauschalpakete im Mittelmeerraum All-inclusive-Reisen sein. Acht Prozent mehr als vor zwei Jahren", teilt TUI mit. Deutliche Zunahme vor allem in Tunesien, Griechenland und Spanien. Mallorca und die Kanaren liegen hier an der Spitze. Auch in deutschen und österreichischen Feriengebieten registriert Neckermann eine verstärkte Nachfrage.

Doch für den Trend zu all-inclusive gibt es nicht überall nur uneingeschränktes Lob und Anerkennung. So kritisiert Brita Schleinitz vom spanischen Fremdenverkehrsamt: "Durch den All-inclusive-Urlaub konzentriert sich der Aufenthalt der Gäste nur auf die Anlage, wovon hauptsächlich Hoteliers und Reiseveranstalter profitieren. Die Einnahmen der Restaurants oder der Mietwagen- und Ausflugsveranstalter nehmen hingegen ab." Aus einer Untersuchung der Balearen geht hervor, dass die Ausgaben von All-inclusive-Urlaubern mit 22 Euro am Tag rund zwölf Euro niedriger liegen als die von Pauschalurlaubern mit anderer Verpflegungsform.

Mit besserer Qualität, individuellem Service und einem attraktiven Ambiente versuchen die Restaurants auf Gran Canaria dem Boom gegenzusteuern. "Schließlich ist es ein Unterschied, ob in einem Hotel für 1000 Urlauber gekocht wird oder bei uns nur für 20 oder 30 Gäste", sagt Javier, Oberkellner im Restaurant "Casa Lola" in Maspalomas. "Wir versuchen mit Topqualität zu überzeugen." Doch kaum ein Gast aus dem benachbarten ClubHotel geht mal außer der Reihe zum Essen ins Restaurant. "Wir fühlen uns in der Anlage wie zu Hause, lassen hier die Seele baumeln", sagt Dietmar Lange aus Chemnitz. "Wieso sollten wir ein Lokal besuchen und zusätzlich Geld ausgeben?"