Bunt, schräg und immer wieder überraschend: die Quartiere Nørrebro, Vesterbro und die Gassen links und rechts der Strøget.

Ein sonniger, noch kühler Freitagnachmittag in der Altstadt, ein paar Schritte nur vom Rathaus entfernt, vom Tivoli und von Strøget, der ältesten Fußgängerzone der Welt. Während sich dort und beim Wachwechsel vor Schloss Amalienborg und erst recht in der beliebten Hafenmeile Nyhavn Touristen aus aller Welt und die Dänen aus der Provinz drängeln, stimmen sich die Kopenhagener vor den Cafes in den Seitengassen aufs Wochenende und ein bisschen sogar schon auf den Sommer ein, im "Puk" zum Beispiel, in der kleinen Straße Vandkunsten hinter dem Bahnhof.

Auch nebenan, in "Sørens Værtshus" ist draußen kaum ein Platz frei. Aber die Hauptstädter rücken zusammen. Ein paar Fragen nach dem Woher, dem Vornamen, und schon ist der neue Gast in die Runde aufgenommen. Und wer, zweimal um die Ecke gebogen, im Keller-Bistro "Petit Delice" essen will, lässt sich an einem solchen Tag den Aperitif auf der Straße servieren.

Wenig ist auf der berühmten Shoppingmeile vom alten Flair geblieben; wie überall in Europas Metropolen haben immer mehr internationale Mode- und Schuhketten die alteingesessenen Läden verdrängt. Das Herz des gemütlichen alten Kopenhagen schlägt in der Nachbarschaft, etwa im Lateinerviertel rund um die Universität.

Am Amagertorv, dem quirligsten Platz zwischen Bahnhof und alter Oper, vertraue ich mich dem Kunststudenten Per und seiner Fahrradrikscha an. Eine gute Stunde schaukelt er mich durch verwinkelte Gassen: durch die Krystalstræde, die Købmagergade entlang zu "Perch's Thehandel", dessen Laden sich seit 1835 wohl kaum verändert hat. Ein Blick in die Boutiquen an der Studiestræde, in urige Kellerkneipen und "Husmann's Weinstube" in der Larsbjørnstræde, über den Gråbrødretorv, wo sich ein Dutzend Lokale um Kopenhagens dickste Kastanie gruppieren, bis zur Jazzpinte "Palæ Bar" in der Ny Adelgade und in die Hinterhöfe an der Skindergade mit ihren Fachwerkhäusern.

Der breite Boulevard, der seinen Namen trägt, trennt das Lateinerviertel von Vesterbro, einem Stadtteil, der bis vor Kurzem ein Schmuddel-Image hatte. Noch immer säumen ein paar Sexläden den Weg vom Hauptbahnhof zum Halmtorvet. Gegenüber aber, in den riesigen "Øksnehallen", trifft sich nun die kreative Szene der Hauptstadt.

Anders als in den meisten umgewidmeten Trendquartieren in Europa läuft im Kopenhagener Schlachthofrevier das alte Leben weiter. Models und Maler teilen sich den Hof vor dem Cafe "Mandela" oder vor der hippen Brasserie "Karriere" mit Metzgern und Lastwagenfahrern.

Per, der Rikscha-Student, hat mir diesen Abstecher empfohlen; er liebt das Mit- und Nebeneinander in Vesterbro. Für Bo Bjergaard, den renommierten Galeristen mit der Adresse Schweinemarkt 85, geht es gar nicht anders: "Kultur braucht Lebendigkeit, wenn sie sich entfalten soll."

So wie Vesterbro haben sich mehrere ehemals graue Vorstädte in der kleinen Hauptstadt - Kopenhagen ist nicht einmal halb so groß wie Hamburg - in bunte Trendviertel verwandelt, wie auch Nørrebro. Einst ein typisches Arbeiterquartier, heute eine Mischung aus Ottensen, Schanze und Eppendorf. Ruhige Parks wie der Assistens-Friedhof mit dem Grab von H.C. Andersen auf der einen Seite, die Promenade am Sortedam- und Peblinge-See auf der anderen. Dazwischen der St.-Hans-Platz mit seinen pariserisch anmutenden Cafes. Und in den Seitenstraßen Multikulti, Charme und Chic.

Da kaufen bärtige Männer aus dem Hindukusch das gewohnte Hammelfleisch. Kopenhagener aller Alters- und Einkommensgruppen stöbern in den unzähligen Antik- und Trödelläden an der Ravnsborggade oder trinken sich gern mal durch das gute Dutzend Biersorten im Nørrebro-Brauhaus.

Kopenhagen, wie es sich nahezu pausenlos neu erfindet: im noblen Viertel Østerbro, wo aus einem verstaubten Kino Dänemarks coolstes Designer-Kaufhaus, das "Normann", gewachsen ist; im Cafe der ehrwürdigen Porzellanmanufaktur "Royal Copenhagen", wo neuerdings Smushi angeboten wird, eine zeitgeistige Mischung aus Smørrebrød und Sushi; im nördlichen Hafenbereich, zehn Fußminuten von der Langelinje entfernt, wo der Künstler Bjørn Nørgaard eine sogenannte "genmanipulierte Version" der weltberühmten Kleinen Meerjungfrau auf einen Felsen gesetzt hat.

Rundfahrt mit einem der gelben Hafenbusse, die alte und die neue Küstenfront entlang, vorbei am "Schwarzen Diamanten", dem imposanten Granitanbau zur Königlichen Bibliothek, vorbei am ganz neuen Schauspielhaus und an der nicht mehr ganz so neuen, aber mindestens so aufregenden neuen Oper, die seit vier Jahren wohl das meistfotografierte Gebäude an der Wasserkante ist.

Sonntagabend in Christianshavn. Auch dieses alte Arbeiterviertel am Inneren Hafen atmet nach Sanierung und dem anhaltenden Zuzug junger Leute und vieler Intellektueller einen ganz eigenen, liebenswerten Charme. Das Quartier auf der Insel Amager ist das beschaulichste der neuen Szene. Ein Kanal durchschneidet und verbindet es zugleich: im Westen das in Jahrhunderten gewachsene und gegenüber die neuen attraktiven Wohnblocks, mit Blick auf die Türme der City.

Auf dem schwimmenden Cafe "Bådudlejning" (Bootsverleih) am Westufer des Christianshavn Kanals wird gerade von einer kleinen Jazzband die Happy Hour eingeleitet. Dort bin ich mit Rikscha-Künstler Per und seiner Clique verabredet. Sie wissen: Hier in Christianshavn spielt jetzt die Musik, hier so gut wie drüben im Lateinerviertel, bei den Kunstgenießern im "neuen" Vesterbro so fröhlich wie in den engen Gassen an der Strædet und im Multikulti-Zentrum von Nørrebro.