Die Ostküste mit Landschaften wie am ersten Tag der Schöpfung ist ein Traum: grandiose Natur, freundliche Menschen und keinerlei Massentourismus.

Kuala Terengganu. Tief türkisfarbenes Wasser kräuselt sich unterm Bug unseres Schiffchens, bunte Korallen reichen fast bis an die Oberfläche, und vorne tut sich ein überwältigendes Panorama auf: kreisrund die Bucht, gesäumt von einer weißen Strandsichel, schwarzen Basaltfelsen und einer undurchdringlich-grünen Regenwaldmauer dahinter. "Selamat Datang ke Tenggol - Herzlich willkommen auf Tenggol". Die Vulkaninsel im Südchinesischen Meer, eineinhalb Bootsstunden von der malaysischen Ostküste entfernt, kommt der Vorstellung vom Paradies à la Robinson Crusoe schon sehr nahe.

Zwei schlichte Bungalow-Anlagen mit Dschungelleben, Warane am Strand und Kapuziner-Affen auf dem Dach sowie 20 außergewöhnlich schöne Tauchplätze rings um die Insel herum machen Pulau Tenggol zu einem "Hideaway", in dem sichs gut entspannen lässt. Viel Komfort darf man aber nicht erwarten.

Abdul Mutalib, der gemeinsam mit seiner Großfamilie die 20 Bungalows des Pulau Tenggol Aqua Resorts samt angeschlossener Tauchschule betreibt, meint, dass bislang viel zu wenige Touristen aus Deutschland auf seine abgelegene Insel kommen: "Immerhin sind wir jetzt im Internet, das wird helfen."

Malaysia ist ein gemäßigt moslemisches Land. Tradition und Moderne prallen allerdings teils hart aufeinander, vor allem in den großen Städten im Westen, wie Kuala Lumpur, Malakka oder Georgetown, wo die Bevölkerungsanteile der Chinesen und Inder hoch sind.

Die Ostküste hingegen gilt als "Seele Malaysias": Der Lebensrhythmus wird durch den Islam bestimmt, die gegenüber Fremden stets auffallend freundlichen Menschen haben eigentlich immer Zeit, und die Uhren scheinen deutlich langsamer zu gehen. Die Männer üben sich im Steigenlassen von prächtig verzierten Drachen, in Kreisel-Wettkämpfen und im "Silat", einer uralten Selbstverteidigungskunst, während ihre Frauen auf den unglaublich bunten Märkten die Rohstoffe für das nächste Mahl einkaufen.

Die Küche mit frischem Meeresgetier, Fischen, Curries, Sambals, knackigem Gemüse und tropischen Früchten könnte allein schon ein Grund sein, nach Malaysia zu reisen.

Nach unserer "Robinsonade" auf der Insel Tenggol bummeln wir, wieder zurück auf dem Festland, von Kuala Terengganu aus Malaysias Ostküste hinunter. Die Fahrt geht vorbei an malerischen Fischerdörfern, wo der Fang der Nacht in der Sonne gedörrt wird, vorbei an Batikwerkstätten, mächtigen Moscheen, kilometerlangen Sandstränden mit Kokospalmen, Urwaldflüssen und Kautschukplantagen. Der Badeort Cherating liegt bereits im Bundesstaat Pahang mit seiner Hauptstadt Kuantan.

Am Wochenende sieht man überall malaiische Großfamilien mit Kind und Kegel beim Picknick am Strand; die seichte Lagune mit ihrem warmen Wasser lädt zum Bad ein. Dazwischen zwei "Craft Shops", ein paar Urlauberhütten, Kneipen. Sehr relaxte Stimmung. Der Kellner des kleinen Restaurants, in dem wir uns für wenig Geld frische Meeresfrüchte schmecken lassen, muss wohl das Buch "Die Entdeckung der Langsamkeit" geschrieben haben. Und sein Kompagnon in der Küche war vermutlich der Co-Autor . . . Das Wort Eile kennt man in Malaysia nicht. Im Holiday Village Resort, ein paar Kilometer südlich von Cherating direkt an einem unendlich langen Sandstrand gelegen, treffen wir Rudi W. Hermann, einen 39-jährigen Deutschen, der als Hotelmanager gemeinsam mit seiner malaiischen Frau Lisa und Töchterchen Maria Antonia dort lebt. "Die Ostküste von Malaysia ist ein Traum", sagt er, "herrliche Landschaften, freundliche Menschen - und keinerlei Massentourismus. Was wollen Sie noch?" Das stimmt.

Ganz gelassen gondelt unser indischer Fahrer Chandran am nächsten Morgen mit uns die Küstenstraße weiter hinunter nach Kuantan. Er zeigt uns den Hindu-Tempel der Stadt, die riesige Staatsmoschee, den Obstmarkt mit seiner überquellenden Fülle an Mangos, Litschis, Bananen, herrlichen Rambutans, Ananas und - Durians.

Der käsig-faulige Geruch dieser "Stinkfrucht" sticht den meisten Europäern mehr als unangenehm in die Nase - die Malaien hingegen lieben ihre Durians. "Riecht wie die Hölle, aber schmeckt wie der Himmel", behauptet der kleine Salim, dem wir am Marktstand ein Exemplar der stacheligen Objekte abkaufen. Das weiße, cremige Fruchtfleisch zählt auch bei den Orang Utans und Dschungeltigern zu den absoluten Delikatessen. Wer einmal (und sei es mit zugehaltener Nase) Durian probiert hat, weiß allerdings, weshalb die fußballgroße Frucht in den Urlauberhotels mit ihren Klimaanlagen verboten ist.

Archaische Bilder hält das Malaysia des 21. Jahrhunderts noch jede Menge parat. Im Fischerdörfchen Beserah beobachten wir, wie Wasserbüffel die schwer beladenen Karren mit dem Fang der Nacht vom Strand hochziehen. In der sengenden Tropensonne werden die kleineren Fische nach kurzem Aufkochen im heißen Salzwasser auf riesigen Strohmatten getrocknet und die größeren Exemplare an Stöcken aufgehängt. Seit Jahrhunderten hat sich nichts an dieser bewährten Konservierungsmethode geändert.

Jamel und Hadi, die beiden Arbeiter des Chinesen Chen, schwitzen hier schwer in der Mittagshitze. Doch für sie ist dies die einzige Möglichkeit, ihre Familien zu ernähren. Getrockneter Fisch ist sehr gefragt in Malaysia, auch im benachbarten Singapur.

Und dann ein besonderes Highlight: Wir fahren in einem kleinen Boot den Chini River hoch, mitten durch den Urwald, begleitet von aufgeregten Affenhorden in den Bäumen über uns. Eine Stunde lang schlängelt sich das schmale Flüsschen durch den Dschungel, bis sich der Horizont plötzlich öffnet - wir sind am Lake Chini angekommen, dem geheimnisumwitterten See mit seinen Millionen von Lotusblüten.

Eine Landschaft wie am ersten Tag der Schöpfung breitet sich vor uns aus: tiefdunkles Wasser, dazwischen Inseln mit meterhohen Stechpalmen, ein Meer von Lotusblüten, dichter Urwald und am Horizont die gezackte Silhouette erloschener Vulkane. Der Sage nach soll ein Ungeheuer im See leben (das allerdings noch keiner gesehen hat); eine andere Überlieferung berichtet von einer versunkenen Khmer-Stadt auf dem Grund des Gewässers.

Die Orang Asli, die Ureinwohner, die in der Siedlung Tanjung Pupot auf einer Halbinsel im See leben, ficht all das nicht sonderlich an. Wie Generationen vor ihnen fahren sie mit dem Einbaum zum Fischen auf den See hinaus, jagen Wildschweine mit dem Blasrohr und ziehen ein wenig Obst und Gemüse. "Das einzige, was wir kaufen müssen, ist der Reis", sagt Häuptling Baharin.

Fünf Familien mit insgesamt etwa 30 Personen leben in Tanjung Pupot. Sie empfinden Touristen als eher lustige Bereicherung ihres Alltags. Mit uns "Langnasen", wie Europäer bei den Eingeborenen genannt werden, will keiner aus dem Dorf tauschen. "Warum auch?", sagt Baharin. "Wir haben doch alles."