Die Kolumne von Uwe Bahn

Berlin, Berlin - wir fahren nach Berlin!" Sie kennen den mehrstimmigen Gesang? Da freuen sich Menschen auf eine Reise in unsere Hauptstadt. Auf das Brandenburger Tor, auf den Friedrichstadtpalast, auf das Pergamonmuseum. Nicht ganz. Sie freuen sich auf das Deutsche Pokalfinale. In diesem Jahr fahren Dortmunder und Münchner nach Berlin, Berlin, sie fahren nach Berlin. Wir spüren förmlich ihre Lebensfreude. Es sind keine gelangweilten Touristen, die muffig nach Mallorca oder Miami reisen. Sie freuen sich auf ihre Fußball-Ferien, oft schon weit im Voraus. Wann haben Sie zuletzt deutsche Urlauber auf dem Hamburger Flughafen singen hören: "Cádiz, Cádiz, wir fliegen nach Cádiz!" Verdammt lang her, oder? Auch wenn Schweinsteiger & Co. das Sightseeing dieser Tor-Touristen bestimmen, wir können von den Fußballfans eine Menge lernen. Was im Fußball funktioniert, das funktioniert auch in Ihren Ferien.

Stellen Sie sich einen verregneten Urlaub auf Gran Canaria vor. Sie stehen mit gepackten Koffern an der Rezeption, besteigen endlich das Taxi, das sie zum Rückflug bringt. Da öffnen sich die Fenster der anderen Hotelzimmer und 50 neidische Landsleute brüllen hinaus: "Ihr könnt nach Hause fahr'n, ihr könnt nach Hause fahr'n!" Das sind Momente, an die Sie sich ewig erinnern werden. Anderes Beispiel: Wie oft erleben wir die beklemmende Atmosphäre sogenannter "Gourmettempel". Sternerestaurants, in denen die Servicekräfte feiner sind als die Gäste. Angenommen, Sie sitzen in einem Edel-Etablissement auf Sylt, doch die Bedienung kümmert sich ausschließlich um Günther Jauch, jedoch nicht um Sie. Auch da können Sie von den Fußballfans lernen. Einfach mal mit dem gesamten Tisch aufstehen und durch das Restaurant brüllen: "Kellner, wir wissen, wo dein Auto steht!" Alternativ - vor allem wenn das Essen zu lange dauert - gehen Sie direkt in die Küche. Die Schwingtüren lassen sich ohne Probleme öffnen, und dann singen Sie in die dunstige Hitze hinein: "Wir woll'n euch kämpfen seh'n, wir woll'n euch kämpfen seh'n!" Sie werden sehen: Dann kochen die Köche. Günther Jauch können Sie übrigens auch eine Freude bereiten. Wenn er das Restaurant verlässt, stimmen Sie ein mehrstrophiges "Auf Wiederseh'n!" an. Gerade Menschen, die in der Öffentlichkeit stehen, wissen Freundlichkeiten dieser Art sehr zu schätzen.

In der Ferne sind es ja oft die Begegnungen mit fremden Kulturen, die den eigenen Horizont erweitern. Mailand, Madrid - ganz egal -, Hauptsache Italien. Wenn Sie in die Mailänder Scala gehen, vergessen Sie den Smoking. Italiener mögen freche Textilien. Und: Das Land des vierfachen Weltmeisters ist fußballverrückt. Ziehen Sie ein Trikot des FC Bayern an. Allerdings unterscheidet sich die Mailänder Scala doch immens von einem Fußballstadion. Das Symphonieorchester spielt meist besser als der FC Bayern, und der "Torschrei" ist hier ein "Tenorschrei".

Trotzdem - haben Sie Mut, zeigen Sie Emotionen. Nach Ende der Aufführung und der letzten Verbeugung der Diven spricht nichts dagegen, die FC-Bayern-Fahne auszurollen und die Mailänder Scala mit dem passenden Schlachtruf zu verlassen. Meine Empfehlung: "Auswärtssieg! Auswärtssieg! Auswärtssieg!"