Er ist so etwas wie ein Förster ohne Wald. Er liebt seinen Hochsitz, auf dem er in der Sonne sitzt und aufs Wasser schaut. Ab und zu mischt er sich mit heruntergeschleuderten Wortbeiträgen ein, die je nach persönlicher Konstitution allein aus Kehlkraft das gesamte Areal beschallen oder mit Hand-Megafon verstärkt werden: sein Ozean rechtwinklig, sein Meer gefliest. Der Mann ist Bademeister am Pool eines Ferienhotels.

Die Megafon-Lösung ist ihm stets die liebste, weil sie einerseits deutlich wichtiger wirkt und die Ruhe suchenden Sonnenanbeter weit abseits des Pools auf ihren Liegen gleich mit stört. Meistens ruft der Bademeister ein-, manchmal bis zu dreisprachig knackige Botschaften wie "Ooiiih!!", gefolgt von "wech da" oder "You! Out!" und einer resoluten Geste. Weil längere Sätze für einige Beteiligte unterhalb des Hochsitzes wie auch darauf zu kompliziert wären, bleibt es derart knackig und resolut. Leider bleibt allzu häufig Interpretationsspielraum, wer präzise mit "Ooiiih!!" gemeint ist. Das ist Sinn der Sache, denn es gibt Anlass, das wichtige Megafon gleich noch mal zu benutzen und den Lautstärke-Regler aufzudrehen, was nun auch die Leute auf den weiter entfernten Balkonen der Ferienanlage angemessen auf die Bedeutung des Bademeisters aufmerksam machen dürfte.

Wenn er von seinem fragilen Blechhochsitz über eine rückseitig montierte Alu-Trittleiter herabklettert, wird die Sache ernst - weil entweder einer nicht hören will oder er jemanden retten muss. Im ersten Fall gilt: Am besten die Sache aussitzen, denn auch ein ermahnter Gast ohne Pool-Manieren ist immer noch ein Gast, den man nicht einfach vor die Tür setzen kann. Im zweiten Fall ist zu hoffen, dass er so kraftvoll zupacken und mindestens so gut schwimmen wie ins Megafon artikulieren kann.

Gute Bademeister sind derweil daran zu erkennen, dass sich im Laufe der Zeit Groupies unterhalb seines Blechhochsitzes versammeln oder ihn als kleine Menschentraube aus meist Minderjährigen auf seinen Patrouillengängen rund um das Becken begleiten. Aus Dankbarkeit bekommt so einer immer wieder Eis und andere handliche Annehmlichkeiten bis hin zu fremden Zimmerschlüsseln zugesteckt. Das steigert übrigens seine Geduld und Toleranz - und senkt die Zahl der Durchsagen erheblich.

Die korrekte Bademeister-Uniform besteht übrigens aus weißem T-Shirt und weißer Hose. "Oben ohne" ist nicht statthaft. Schließlich ist der Bademeister kein Surflehrer und, schlimmer noch, kein Animateur, sondern ein ernsthafter Offizieller.

Ewig dankbar ist er seiner Gewerkschaft dafür, dass sie ihn einst durch gezielten Protest davor bewahrt hat, zu Beginn des Badebetriebs so etwas wie Stewardessen-Karaoke aufführen zu müssen - und den richtigen Gebrauch der unter der Liege befestigten Schwimmweste zu erklären. So macht er sich wenigstens nicht gleich jeden Morgen lächerlich.