Das Gesicht der katalanischen Hauptstadt wurde an vielen Stellen durch herausragende Architekten geprägt. Antoni Gaudí war der wichtigste

Es gibt Städte am Wasser wie Hamburg - und Städte am Meer wie Barcelona. Der Unterschied wird uns bewusst, als wir am ersten Abend in der katalanischen Hauptstadt den Weg in Richtung Hafen einschlagen: Meterhoch rollen die Wellen nach dem rauen Wetter der vergangenen Tage an den Strand vorm Boulevard, zur Freude der Surfer, die in ihren Neoprenanzügen draußen lauern und auf die perfekte Welle warten. Salzige Gischt liegt in der Luft, Menschen am Strand schauen fasziniert zu und diskutieren.

Wenn die See so aufgewühlt ist wie heute, werfen auch die Einheimischen gerne mal einen Blick hinüber. Christoph, ein Deutscher, der mit einer Katalanin verheiratet ist, erklärt uns, dass das Meer für die Menschen in Barcelona ansonsten keine allzu große Anziehungskraft habe: "Wenn es wirklich heiß wird in der Stadt, überlassen wir diesen Strand den Touristen. Uns zieht es dann eher an die Costa Brava." Dort habe er, wie viele andere Katalanen auch, ein kleines Haus mit einem schönen, großen Garten.

So etwas gibt es in Spaniens zweitgrößter Stadt natürlich nicht. Hier bestimmen Bars, Restaurants und Jogger, die den fünf Kilometer langen Passeig Maritim als ihre Laufstrecke entdeckt haben, die Szenerie. Wahrzeichen ist die 54 Meter hohe, bronzefarbene Fischskulptur von Frank Gehry in unmittelbarer Nähe zum olympischen Hafen. Den Spielen von 1992 ist es überhaupt erst zu verdanken, dass sich die Stadt zum Meer hin derart öffnete. Große, hässliche Industrie- und Lagerhallen wichen dank eines ehrgeizigen Masterplans modernen Bauten, Architekten verwirklichten ihre Visionen von einer zukunftsfähigen Metropole.

Zu ihr gehört inzwischen auch ein Gebäude am anderen Ende des Passeig Maritim, das unsere Aufmerksamkeit sofort auf sich zieht. Der Form nach gleicht es einem Großsegel. Nur dass dieses hier 99 Meter hoch und ganz in Glas gehüllt ist. Es handelt sich um das Hotel W, ein Luxushotel, entworfen von dem Star-Architekten Ricardo Bofill. 2010 hat es eröffnet.

Begegnungen mit Design und Architektur geben einer Tour durch Barcelona immer wieder eine neue Wendung. Wir machen diese Erfahrung einen Tag später erneut, als wir in der Altstadt unversehens vor dem Palau de la Musica stehen. Ein Bauwerk, das innen und außen ein Meer an Farben und Formen zeigt. Der Palast gilt als das Überschwänglichste, was der Modernisme, diese besondere Ausprägung des Jugendstils Anfang des 20. Jahrhunderts in Barcelona, hervorgebracht hat. Auch deswegen zählt der Musikpalast zu den neun Weltkulturerben der Unesco, die in der Stadt am Meer zu finden sind.

Sieben davon stammen allein von Antoni Gaudí. Diesem genialen Architekten, nach dessen Plänen Ende des 19. Jahrhunderts auch mit dem Bau der Sagrada Familia begonnen wurde. Noch heute sind die Katalanen emsig dabei, die Basilika - der heiligen Familie gewidmet - zu vollenden. Bis zum 100. Todestag Gaudís im Jahr 2026 soll - so hofft man - die Kirche fertiggestellt sein.

Wir folgen dem Rat von Christoph und nehmen für die Fahrt zur Sagrada das Taxi. Eine preiswerte Alternative zu Bus oder Metro für eine vierköpfige Familie. Für gut sechs Euro gelangen wir von einem Ende der Stadt nahezu zum anderen. Als wir ankommen, sehen wir das Ende einer Warteschlange. Wir stellen uns an, ohne zu wissen, wo sie beginnt. Und der Zeitaufwand lohnt sich: Andächtig betrachten wir bis zum Erreichen der Kartenverkaufsstellen (Eintritt 12,50 Euro) die kunstvoll gestaltete Fassade. Innen dann eine Atmosphäre, wie man sie von einem Sakralbau nicht erwartet. Im Stil organischer Architektur vermitteln die Säulen das Gefühl, von steinernen Bäumen umgeben zu sein - hier spürt man Gaudís enge Verbundenheit mit der Natur. Alles ist hell und lichtdurchflutet.

Mit dem Taxi geht es weiter zum Park Güell, auch er von Gaudí geschaffen, im Nordwesten der Stadt auf einer Anhöhe. Zu Recht wird er als Barcelonas "Stadtbalkon" bezeichnet und als "schönster Scherbenhaufen": Vom Platz des Parks und der geschwungenen Bank - kunstvoll mit Tausenden von Scherben verziert -, hat man einen nahezu einzigartigen Blick auf das Häusermeer bis hinunter zum Wasser.

Einen vergleichbaren Ausblick bietet aber auch der Montjuic, mit 173 Metern der eigentliche Hausberg Barcelonas. Wer den Aufstieg zu Fuß scheut und nicht auf Taxi oder Bus zurückgreifen möchte, kann sich für die Fahrt mit der Schwebebahn entscheiden. Hoch oben ist die Festungsanlage mit dunkler Geschichte zu sehen. Zuletzt sperrte hier das Franco-Regime (1939-1975) seine Widersacher ein. Wer die Zeit hat, sollte sich unten am Berg auch noch das Museum des wohl berühmtesten katalanischen Künstlers, Joan Miró, ansehen oder das spanische Dorf. Sehenswert sind auch die vielen Arenen der Olympischen Spiele und der originalgetreue Nachbau des deutschen Pavillons, den Bauhaus-Architekt Ludwig Mies van der Rohe für die Weltausstellung 1929 entwarf.

Dann geht es auf die Rambla, Barcelonas mit Platanen begrünte Flaniermeile, die bis zum Meer hinunter reicht. Sie ist Touristenziel Nummer eins, ein Boulevard mit Straßenkünstlern, Blumenhändlern und Zeitungsshops. Leider lieben Taschendiebe das Gedränge. Voll ist auch die Boqueria, Barcelonas größte Markthalle. Mit ihrem filigranen Eisengewölbe gilt dieses Bauwerk aus dem späten 19. Jahrhundert weltweit als schönster Markt. Hier taucht man ein in den Bauch der Stadt, mit allem was die mediterrane Welt zu bieten hat - blanke Schafsköpfe mit leblosen Augen inklusive.

Wer diesem Treiben entfliehen will, muss nur eine der nahen Gassen wählen - und schon befindet man sich in einer Art Parallelwelt. Die alten, eng beieinander stehenden Häuser bilden eine schützende Wand gegen den Lärm der vielen Taxis, Busse und Motorroller. Trotz aller Stille ist hier eine lebendige Atmosphäre zu spüren. Tapas-Bars, Vinotheken, Galerien und eine Vielzahl an Einzelhändlern prägen das Bild. Auch die Anwohner hier scheinen unbeeindruckt von der Hektik außerhalb der Altstadt. Überall hängt Wäsche aus den Fenstern, gibt intime Einblicke in ihr Leben. Nach ein paar Schritten finden wir die Kirche Santa Maria del Mar. Von Christoph erfahren wir: "Hier wollen Paare in Barcelona bevorzugt den Bund der Ehe schließen." Vielleicht ja auch, weil sich in ihrem Namen die Verbundenheit mit dem Meer ausdrückt? Schließlich ist es schon immer das Meer gewesen, dem Barcelona einen Großteil seines Reichtums zu verdanken hat.