Die Kolumne von Uwe Bahn

Gott ist das aufregend. Der Helga fehlt nur noch die 23. Und der Roswitha die 68. Dann dreht der Urlaubs-Showmaster den Kugelkorb und zieht die nächste Zahl: "Sieben wie Silberhochzeit!" "Bingo!!!" Die grauhaarige Dame in Reihe neun schreit es heraus. Sie hat die Silberhochzeit. Brav hat sie alle Nummern durchgestrichen, die der Zahlen-Zampano vorgelesen hat. Kleine Kontrolle, alles richtig. Pech für alle anderen - sie bekommt die 70 Euro aus dem Topf. Übrigens, Helga: Die 23 war schon. Einfach besser zuhören. Aber morgen ist ja auch noch ein (Urlaubs)Tag. Und der Bingo-Wahnsinn nimmt seinen Lauf.

Ob in Ferienhotels auf Mallorca oder auf Donau-Flussschiffen - kein Tag vergeht ohne Bingo. "Weißt du noch Horst, als dir in Wien nur noch die Elf gefehlt hat?" Horst ist sich sicher: Die Gattin irrt. Es war am Gardasee. Und es war die 19, nicht die Elf. Wie gebannt starren die Bingo-Junkies auf ihren Zahlen-Zettel. Der Vorteil: Bingo begreift jeder. Die Regeln haben denselben Schwierigkeitsgrad wie "Topfschlagen". Nur dass beim Topfschlagen der Aktionsradius der Teilnehmer deutlich größer ist. Aber gerade das ist eben nicht ganz ungefährlich: Wenn ein Senior mit verbundenen Augen und einem Kochlöffel in Hand in den Hotelpool stürzt - das ist nicht schön.

Dann lieber Bingo. Das kann man ja auch wunderbar variieren. Beispiel: Wer eine gezogene Schnapszahl hat, muss einen Kaffeebecher mit Eckes Edelkirsch leer trinken. Streichen Sie auf Ihrem Bingozettel nacheinander die Elf, 66 und 22, dann sollten Sie sich mit fremder Hilfe aufs Zimmer, bzw. auf die Kabine bringen lassen. Ist das Bingopublikum intellektueller, könnte der Showmaster statt einer Schnaps- auch eine Primzahl nehmen. Wenn er weiß, was das ist.

Die Teilnehmerzahl bei Bingo ist nur durch die Kapazität des Raumes begrenzt. Aber Bingo können Sie auch auf Ausflügen spielen. Dann verteilt der "Bingo-Ingo" (wie er meistens heißt) halt unterwegs seine Zettel. Auf dem Markusplatz in Venedig, am Piccadilly Circus in London oder in der Notre Dame in Paris. Dort könnte es allerdings mit der Akustik ein Problem geben. Es nützt nichts, wenn die Hälfte "70" versteht, obwohl Ingo die "17" gezogen hat. Sie wissen selbst, wie schnell es bei Bingo zu Tumulten kommen kann. Vergleichbar mit heftigen Kurseinbrüchen an der Wallstreet.

Aber es macht doch was her, wenn man den Daheimgebliebenen eine Urlaubskarte schickt: "Habe die Bingo-Turniere von Rom und Barcelona gewonnen!" Übrigens, Bingo sollen zuerst ein paar Exil-Spanier in den USA gespielt haben. Das war 1929. Die meisten aktiven Bingo-Spieler werden sich dran erinnern. Heute besteht eine Partie aus den Zahlen eins bis 75. Das mag für eine kurze Städtereise genügen. Um jedoch einen Jahresurlaub sinnvoll zu füllen, ist der Modus mit den Ziffern eins bis 10 000 ideal. Was wäre das für eine Spannung und Dramaturgie, wenn Bingo-Ingo nach drei Wochen die entscheidende Zahl zieht: "6589!" Und Sie haben diese Zahl und schreien mit letzter Kraft: "Bingo!!!" So ein Urlaub ist schwer zu toppen.

+++ Bahn in Fahrt zum Nachlesen +++