Der Autor will damit ein neues Umweltbewusstsein schaffen

Erneuerbare Energien statt Atomkraft und CO2-Schleudern: Einer Studie zufolge sind mehr als 90 Prozent der Bevölkerung für einen schnelleren Ausbau alternativer Stromquellen - solange der nicht vor der eigenen Haustür stattfindet. Dann schwindet die Akzeptanz für eine grüne Stromerzeugung rapide. Windräder werden von Kritikern als "abscheuliche Propeller von der Höhe des Kölner Doms" beschrieben, als Ungetüme, die eine naturbelassene Landschaft zerstören. Der Gedanke, dass ausgerechnet der Tourismus die Akzeptanz steigern könnte, liegt da eher fern. Im Gegenteil, meint jedoch Energie-Experte Martin Frey und hat deshalb einen Reiseführer geschrieben.

Das Buch "Deutschland. Erneuerbare Energien entdecken" richtet sich vor allem an Menschen, die wissbegierig sind, lernen und vielleicht auch abgucken wollen. "Die Idee war, zu zeigen, wie und woher wir in zehn Jahren unseren Strom beziehen", sagt Frey. "Nämlich dezentral." Als ein Beispiel nennt der Autor die Abtei Marienstatt bei Hachenburg im Westerwald. Die Mönche nutzen den angrenzenden Bach und die Sonne und können die Strom- und Wärmeversorgung des Klosters so zu 55 Prozent aus erneuerbaren Energieträgern gewährleisten. Ein ehemaliger Abt erklärt Besuchern gerne, wie Wasserkraft-, Solarstrom- und Solarwärmeanlagen zusammen funktionieren.

Neben Marienstatt nennt Martin Frey 159 weitere Ziele in Deutschland, die alle im Zusammenhang mit den neuen Technologien stehen: das Haus des Waldes in Stuttgart, die Thermalquellen in Wiesbaden oder ein Windpark auf Fehmarn. Wer ganz genau wissen will, wie aus Sonnenstrahlen Strom wird, sollte die Fabrik des Wechselrichterherstellers SMA Solartechnology bei Kassel besichtigen, rät der Autor. Zusätzlich zu den Ausflugstipps wie zum Beispiel eine Spree-Tour durchs Berliner Regierungsviertel im Solarboot, nennt der neue Baedeker auch sieben Reiserouten, die durchaus zwei bis drei Wochen Zeit erfordern: vom Schwarzwald über die Schwäbische Alb zum Bodensee beispielsweise.

Auch Informationen zur Energiewende fehlen nicht: Kurz und knapp erklärt der Autor, warum ein Energiemix immer wichtiger wird, was petrothermale Geothermie bedeutet und wie Solarzellen funktionieren. "Ich möchte Impulse geben mit dem Buch", erklärt Frey. "Touristen ebenso wie dem Tourismus." Er wolle ein neues Bewusstsein schaffen und erreichen, dass Umweltsiegel wichtiger werden "als das Betthupferl auf dem Kopfkissen".

Daraus könnten sich auch Ideen für den Regionaltourismus entwickeln, meint der Autor. Was wiederum dazu führen könnte, die Bevölkerung vor Ort für grüne Stromerzeugung zu begeistern oder zumindest deren Akzeptanz zu erhöhen. Der Wunsch nach einer unverminderten Förderung ist einer Forsa-Umfrage zufolge da: 95 Prozent der Deutschen wünschen sich demnach, die erneuerbaren Energien stärker zu nutzen und auszubauen. 45 Prozent aber lehnen Windräder vor der Haustür ab, 58 Prozent wollen keine Biogasanlagen in der Nachbarschaft.

Laut einer Studie der Universität Magdeburg steigt die Akzeptanz der Bürger, je mehr sie in die Planung neuer Windkraft- oder Biomasseanlagen vor Ort eingebunden werden. "Transparenz ist ein Schlüssel für mehr Zustimmung", erklärt Umweltpsychologin Irina Rau. "Der 'grüne Tourismus' leistet dabei einen großen Beitrag." Denn wenn immer mehr Menschen gerade wegen der Umweltfreundlichkeit in eine bestimmte Gegend kommen, steigt die Wertschöpfung und somit auch das Bewusstsein.

Deutschland - Erneuerbare Energien entdecken Martin Frey, Baedecker Verlag, 1. Auflage 2011, 14,95 Euro, ISBN: 978-3-8297-1290-3