Die palästinensische Tourismus-Ministerin im Interview

Die palästinensische Ministerin für Tourismus und Archäologie, Khouloud Daibes abu Dayyeh, möchte den interkulturellen Austausch zwischen ihren Landsleuten und den Besuchern von biblischen und archäologischen Stätten fördern. Noch hapert es an der Unterstützung von israelischer Seite aus.

Hamburger Abendblatt:

Jeder kennt Bethlehem, viele Jericho, wenige Nablus und Ramallah. Doch darüber hinaus hat sich Palästina als Reiseland bisher noch keinen Namen gemacht. Trotzdem unternehmen Sie dafür große Anstrengungen. Woran ist die Umsetzung der touristischen Vermarktung bislang gescheitert?

Khouloud Daibes abu Dayyeh:

Wir sind stark von Israel abhängig. Die israelischen Reiseagenturen schicken uns meist nur Tagesbesucher. Ihr Besuch ist auf wenige Stunden beschränkt. Außerdem erhalten überhaupt nur 42 Reiseleiter die Erlaubnis, Gruppen nach Palästina zu bringen. Die von Israel organisierten Touren führen meist zu biblischen und archäologischen Stätten, mit ausführlicher Besichtigung und Erklärung zu Bau und Bibel.

Haben diese "Eintagsfliegen" überhaupt Gelegenheit, Land und Leute kennenzulernen?

Nein, und genau das bedauern wir außerordentlich. Die Kurzbesucher haben nicht die Möglichkeit, mal im Café zu sitzen, um sich mit Einheimischen zu unterhalten.

Ergibt sich Ihrer Meinung nach ein verzerrtes Bild Ihres Landes, wenn es nur vom Wissen über die Historie, vermittelt durch israelische Reiseleiter, nicht aber durch das Gespräch über die aktuelle Situation mit Menschen aus Palästina selbst geprägt ist?

Ja. Denn ein Pilger hat doch auch die zusätzliche Verantwortung, an den heiligen Stätten, die er besucht, etwas über die Menschen zu erfahren und nicht nur über die Steine. Wenn er die Geburtskirche Jesu in Bethlehem und die Auferstehungskirche in Jerusalem besucht, sollte er Menschen, die bereits vor 2000 Jahren, als das Christentum entstand, dort lebten, als lebendige Zeugen betrachten. Weil diese Menschen die heiligen Stätten geschützt haben, selbst unter schwierigen politischen Situationen. Mein Appell: Bitte besuchen Sie nicht nur die Steine - sondern auch die Menschen!

Wie beurteilen Sie den wirtschaftlichen Nutzen für Ihr Land aus diesen Stippvisiten?

Es gibt keinen einen Flughafen in Palästina, Besucher aus Deutschland, Österreich und der Schweiz brauchen keine Visa. Vielleicht sind wir das einzige Reiseziel der Welt in solch einer Situation. Nur wenn die Touristen bei uns auch übernachten, in Restaurants essen und shoppen, wenn wir Steuern und Visa-Gebühren einnehmen, können wir auch etwas verdienen. Doch die meisten israelischen Reiseveranstalter wollen ihre eigenen Hotels vermarkten.

Wäre Palästina für einen möglichen Besucheransturm überhaupt gewappnet? Bislang gibt es im ganzen Land nur 90 Hotels.

Wir haben viel Potenzial und versuchen, eine gute Infrastruktur aufzubauen. Die Palästinenser sind außerordentlich gastfreundlich. Doch bisher haben sie keine Chance, diese Gastfreundschaft anzubieten. Besucher können sich bei uns sehr sicher fühlen. Gern würden wir die Touristen selber entscheiden lassen, wo sie mehr Zeit verbringen wollen - in Israel oder bei uns.