Hohe Standards für Ferienhöfe sollen zufriedene Gäste garantieren. Wer bei den Bergbauern in Norditalien Urlaub macht, lernt einiges über deren Berufsalltag. Und erkennt, dass das Leben am Hang nicht immer nur romantisch ist.

Micheles bester Mann ist vier Jahre alt. Wie ein Alter sticht Florian die große Forke ins Heu und legt Kuh für Kuh eine gehörige Ladung vor. Schnappt sich den schweren Eimer mit der Milch und hängt ihn dem Kälbchen vor die Nase, das sofort gierig an der Gummizitze zu saugen beginnt. Öffnet mit aufgepusteten Backen den klobigen Sperrhahn für das Kraftfutter, auf dass es aus dem großen Rohr in den Eimer rauschen kann. Greift sich schließlich eine Monster-Bürste und beginnt die Kühe geduldig und sorgfältig zu striegeln.

Michele ist stolz auf alle seine vier Kinder, doch nur der Jüngste kommt infrage, wenn er irgendwann einmal den Hof übergeben wird. "Er hat den Bauern im Blut", schwärmt der Papa, "egal ob es um Tiere geht oder um Technik, um die Alm oder den Stall." Mama Lucia geht das manchmal schon etwas zu weit: "Es ist richtig schlimm", seufzt sie, "denn wenn er mal nicht mit in den Stall darf, heult er sich die Augen aus dem Kopf."

Micheles und Lucias "Chi Prá"-Hof liegt zauberhaft schön auf 1400 Meter Meereshöhe im ladinischen Gadertal. Im Rücken ein sanft ansteigender Hang, auf dem der Gardenazza thront, ein bleicher Dolomiten-Klotz. Vis-à-vis, auf der anderen Seite der Talstraße, der kleine Ort Pedraces mit markanter Kirche. Umgeben von Wiesen und Wald, über denen wie eine Krone die mächtige Wandfront des Kreuzkofels sitzt.

Viel Zeit zum Genießen hat Michele freilich nicht. Morgens und abends halten ihn seine zwölf Kühe nebst Kälbern auf Trab, dazwischen muss er seinen Hof und den des kürzlich verstorbenen Vaters in Schuss halten. Jeden zweiten Vormittag macht er seine Spezialität - preisgekrönten Käse. Die Milch stammt ausschließlich von den eigenen Kühen, "weil ich bei denen halt genau weiß, was die tagtäglich fressen". 50 000 Liter pro Jahr werden komplett verarbeitet - zu erstklassigem Berg-, Grau-, Weich- und Kräuterkäse. Je nach Sorte reifen die Laibe im Keller zwei bis sechs Monate und werden dann hauptsächlich im hauseigenen Hofladen verkauft. Ergänzt wird Micheles Produktpalette durch fünf Sorten Joghurt, Butter sowie Ricotta, das ist ein Frischkäse aus Kuhmilchmolke.

Die Qualitätsstandards sind hoch und für Michele wie für alle Mitglieder des "Roten Hahn" verbindlich. Unter dieser Dachmarke hat der Südtiroler Bauernbund vor sechs Jahren seine drei Säulen "Urlaub auf dem Bauernhof", "Bäuerliche Schankbetriebe" und "Qualitätsprodukte vom Bauern" zusammengeführt - eine weltweit einzigartige Kooperation. Mit strengen Kontrollen und extremen Anforderungen zum Beispiel an die Hygiene - als Käsemacher kann Michele ein Lied davon singen. Aber was sein muss, muss sein, "damit ist der Rote Hahn für mich und meine Kunden auch ein Qualitäts-Gütesiegel".

Südtirols Höfe sind kleine Strukturen; viele Bauern brauchen deshalb einen Zu- oder Nebenerwerb. So liefern Michele seine drei Ferienwohnungen circa die Hälfte des Einkommens - eine unverzichtbare Einnahme, für die sommers wie winters vor allem diverse Stammgäste sorgen. Maximal vier Wohnungen übrigens sind beim "Roten Hahn" erlaubt; wo Bauernhof draufsteht, muss auch Bauernhof drin sein - die Gäste sollen die bäuerliche Lebensweise ganz authentisch erleben und deren Bedeutung für Landschaftsgestaltung und Landschaftspflege schätzen lernen.

Auf dem Zmailerhof oberhalb von Schenna sorgt eine Hofschank für die lebensnotwendigen Nebeneinnahmen von Johann und Marta Thaler. Hier bekommen Wandersleute und Ausflugsgäste zwischen April und November fast ausschließlich Produkte serviert, die direkt vom Feld, vom Hof und aus dem eigenen Garten kommen: Speck und Käse, Speck- und Käseknödel, Hauswurst mit Krautsalat, Bauernbraten und Rippchen, Strudel und Krapfen. Am steilen Berghang gedeihen Äpfel, Himbeeren, Johannisbeeren und Holunderbeeren ganz prächtig. Die Thalers verarbeiten alles zu vorzüglichen Säften.

Eine von Martas Spezialitäten: Brennnesselknödel. Hinter dem denkmalgeschützten Bauernhaus wächst eine kleine Kolonie des Rohstoffs, dem Marta mit Messer und dünnen Gummihandschuhen zu Leibe rückt. "Als ich damit anfing, haben mich alle für verrückt gehalten", lacht Marta, während sie die jungen Triebe und die zartesten Blätter kappt, "heute sind meine Brennnesselknödel der Renner." Das umwerfende Panorama über Meraner Talkessel, Vinschgau und Etschtal gibt es auf der Sonnenterasse gratis dazu.

Etwa 45 Minuten entfernt punktet auch der Oberfahrer-Hof bei Flaas mit seiner Lage zwischen zwei Hochplateaus und einer fantastischen Fernsicht. Auf bis zu 50 Grad steilen Wiesen, bei denen der Einsatz von Maschinen kaum möglich ist, grasen 30 Stück Tiroler Grauvieh. "Sie geben zwar etwas weniger Milch als Hochleistungsrinder", erklärt Züchter Sebastian Zöggeler, "dafür aber ist die Rasse perfekt an diese Bergbedingungen angepasst, und ihre Lebensleistung ist mit über 60 000 Litern viel höher als bei anderen Kühen."

Die Arbeit ist hart. Nicht nur in Stall und Garten haben Sebastian und seine Frau Sonja jede Menge zu tun; Felder müssen bestellt, Wiesen gemäht, Brennholz geschlagen werden. Sechs Kinder erfordern zudem alle Aufmerksamkeit, auch wenn sie - wie bei Bauern üblich - schon von klein auf mithelfen; selbst Nesthäkchen Laurin, der gerade mal zwei Jahre alt ist, weiß schon ziemlich genau, wie der Hase auf dem Hof läuft.

Als wäre das alles noch nicht genug, haben sich auch Zöggelers etwas Besonderes einfallen lassen, um Gäste auf ihren Hof zu locken. Ihr Köder zieht vor allem jüngere weibliche Gäste magisch an, denn es handelt sich um Pferde. Zwölf robuste und gutwillige Haflinger, die nach Herzenslust gesattelt werden dürfen: zum Reiten, Reitenlernen oder zu mehr oder weniger langen Ausritten in die Natur, bei denen Sebastian als geprüfter Wanderrittführer stets mit von der Partie ist. Ob der kleine Laurin mal in seine Fußstapfen treten wird, ist noch nicht raus. Reiten jedenfalls kann er schon.