An diesem Wochenende beginnen die Feierlichkeiten zum Jubiläum 175 Jahre Eisenbahn in Deutschland

Nürnberg. Seite an Seite stehen der Nachbau der ersten Dampflok, die in Deutschland gefahren ist, und das Modell eines schneeweißen ICE nebeneinander und schlagen damit den Bogen über 175 Jahre Eisenbahngeschichte. Das Jubiläum steht 2010 bei zahlreichen Veranstaltungen in Nürnberg und Fürth im Mittelpunkt. Allein vier große Ausstellungen widmen sich der Bahngeschichte.

So lädt das Nürnberger Museum für Industriekultur vom 17. Juni an zu einer Reise entlang der "Strecke des Adlers" ein. Die frühere Trasse führt heute als geradezu symbolische Achse im Stadtbild entlang an Orten, die die Industriegeschichte der Region prägten. Firmen wie AEG und Triumph-Adler hatten hier ihr Zuhause. Noch heute findet man ihren Firmenschriftzug an so manchem Gebäude. Als jüngstes Opfer der sich wandelnden Wirtschaftswelt gingen 2009 bei Quelle die Lichter aus - auch der traditionsreiche Versandhändler hatte an der Strecke sein Domizil.

Die zweite große Ausstellung ist im Museum der Deutschen Bahn zu sehen, das gewöhnlich die Geschichte der Eisenbahn zeigt. Prunkstücke der Dauerausstellung sind der Hofzug des bayerischen Königs Ludwig II. und der mit Goldschnitzereien und Deckengemälde verzierte Salonwagen Otto von Bismarcks. In der Ausstellung "Planet Eisenbahn" blickt das Museum nun über die Grenzen Deutschlands hinaus. "Wir wollen die Faszination, die Bedeutung und die technische Entwicklung des Schienenverkehrs in der ganzen Welt zeigen", erläutert Direktor Jürgen Franzke. 1,2 Millionen Gleiskilometer umspannen inzwischen den Globus. Ein weiterer Höhepunkt im Museum beginnt mit der Ausstellung "Adler, Rocket & Co." am 6. August. "Da zeigen wir europäische Pionier-Loks aus der Zeit des ,Adlers' und fünf europäischen Ländern", sagt Franzke.

Doch die Geschichte der Bahn hat auch andere Seiten: "Das Gleis" im Dokumentationszentrum Reichsparteitagsgelände beleuchtet vom 19. Mai an die Rolle der Bahn als Teil der Vernichtungsmaschinerie der Nationalsozialisten - viele Juden und andere Verfolgte wurden in den Konzentrationslagern direkt vom Gleis in die Gaskammern geschickt.

Der offizielle Startschuss für sämtliche Feierlichkeiten fällt am 15. Mai. Die Nürnberger "Blaue Nacht" steht in diesem Jahr unter dem Motto "unterwegs". Zahlreiche Museen, Künstler und Musiker beteiligen sich an der langen Kunst- und Kulturnacht. Im Laufe des Jahres kommen zahlreiche weitere Veranstaltungen hinzu, etwa ein Dampfloktreffen am 21. August und die offiziellen Feierlichkeiten mit hoher Prominenz am 7. Dezember. Das vollständige Programm gibt es unter www.bahnjahr2010.nuernberg.de oder www.fuerth.de/eisenbahnjahr2010 .

Beliebt bei Eisenbahnfans sind die seltenen Fahrten mit dem "Adler". Die rund 2400 Tickets sind bereits vollständig ausverkauft. Die gemütliche Fahrt durch den Rangierbahnhof regt die Fantasie an: Ähnlich muss es sich für die 200 geladenen Ehrengäste am 7. Dezember 1835 angefühlt haben, als der "Adler" das erste Mal über die sechs Kilometer nach Fürth schnaufte.

Dass im Deutschen Bund ausgerechnet die Franken die Initiative ergriffen und die neue Technik von England auf den Kontinent holten, erstaunt bis heute. Denn die einstige Reichstadt war nach 1806 hoch verschuldet. "Doch offensichtlich lebte der seit Jahrhunderten in Nürnberg existierende Erfinder-, Tüftler- und Händlergeist fort", sagt Bahnmuseums-Direktor Jürgen Franzke.

Die Kaufleute Johannes Scharrer und Georg Zacharias Platner ergriffen die Initiative und erhielten von aufgeschlossenen Geldgebern Unterstützung. König Ludwig I. konnten sie für ihr Vorhaben allerdings nicht begeistern. Also organisierten die Franken alles in Eigenregie. Bei der Firma Stephanson orderten sie eine Dampflok und einen Waggon. "Der Adler wurde zerlegt, in 20 Kisten verpackt, mit dem Schiff nach Köln gebracht und dann auf Fuhrwerke verladen", sagt Franzke. Der britische Lokomotivführer William Wilson wirkte als Berater. Begeisterte Menschenmassen säumten schließlich bei der Jungfernfahrt die Strecke, auf der heute eine U-Bahn die beiden Städte verbindet. Bald ging es Schlag auf Schlag: Bis 1840 wurden auf deutschem Gebiet mehr als 500 Streckenkilometer gebaut.

Der Siegeszug der Dampfeisenbahn dauerte lange: Noch in den 1950er-Jahren wurden neue Loks gebaut, erst 1978 wurde der Betrieb eingestellt. Weil die E-Loks für ihre rasante Fahrt Oberleitungen benötigten, setzten sie sich erst in den 50ern durch. Auf den Nebenstrecken hatten die Dampfloks weiterhin ein Heimspiel - bis sie von den Dieselloks abgelöst wurden.