Ahrensburg. Das mit dem Alter ist für Udo van Stevendaal so eine Sache. Einerseits gibt der Triathlet des SV Großhansdorf unumwunden zu, mittlerweile einen großen Wettkampf ohne anschließende dreitägige Erholungsphase nicht mehr zu überstehen. Andererseits nimmt es der 47-Jährige immer noch mit jedem nach einer Medaille lechzenden Jungspund auf, der auf der Fahrrad- oder Laufstrecke auch nur eine klitzekleine Schwäche zeigt.
„Der Schlüssel für meine Fitness liegt in der Kunst, über einen längeren Zeitraum verletzungsfrei zu bleiben“, sagt der ehemalige Triathlon-Weltmeister der Senioren und lacht. „Leider gelingt mir das auch nicht immer.“
Vergangenen Herbst übertrieb van Stevendaal das Lauftraining und zog sich eine Schleimbeutel- und Kapselentzündung in der Hüfte zu. Umso erstaunlicher, dass er nach fünfmonatiger Verletzungspause nun in der Form seines Lebens zu sein scheint.
Bei den in Düsseldorf ausgetragenen deutschen Triathlon-Meisterschaften über die Sprint-Distanz (750 Meter Schwimmen, 20 Kilometer Radfahren, fünf Kilometer Laufen) setzte sich der in Ahrensburg lebende Ausdauerathlet souverän in seiner Altersklasse M45 durch. Seine Siegeszeit lag bei 1:02,53 Stunden. Sein Erfolg war zu erwarten. Nicht rechnen konnte der 47-Jährige damit, dass er mit der schnellsten Zeit auf der Radstrecke (29,06 Minuten) und einer kämpferischen Großtat auf der Laufstrecke sogar Rang drei in der Gesamtwertung belegte.
Der 47-Jährige wird in der Gesamtwertung Dritter
Der Weg aufs Treppchen war für ihn ebenso kräfteraubend wie schmerzhaft. Um 4.40 Uhr läutete der Wecker den Wettkampftag ein. Der Start war für 8.20 Uhr vorgesehen. „Drei bis vier Stunden benötige ich schon, um meinen Kreislauf anzukurbeln und in Wettkampfstimmung zu kommen“, sagt van Stevendaal. „Dazu gehört auch ein entspanntes Frühstück und das rechtzeitige Erscheinen an der Rennstrecke, um in aller Ruhe sämtliche Vorbereitungen in der Wechselzone zu treffen.“
Schwimmen zählt nicht unbedingt zu den großen Stärken des Ahrensburgers. Als 35. der Gesamtwertung und mit 1:30 Minuten Rückstand auf die Führenden stieg er aus dem Wasser. Auf der Radstrecke wendete sich jedoch das Blatt. Meter für Meter näherte van Stevendaal sich der Spitze. Ab Kilometer 18 führte er sogar das Feld an. „Bei einer deutschen Meisterschaft die Gesamtführung zu übernehmen, das gibt einem einen ganz besonderen Kick“, sagt der 47-Jährige. „Der Adrenalinausstoß half mir zudem, den auflodernden Schmerz in den Beinen zu verdrängen.“
Van Stevendaal erreichte als erster die Wechselzone. Während er Rennrad und Helm gegen ein Paar Laufschuhe eintauschte, sah er im Augenwinkel aus der Altersklasse M25 den späteren Gesamtsieger Tim Lange (EJOT Team TV Buschhütten) und Sven Wies (ASV Duisburg) sowie Hendrik Becker (AK 35, Team Oberpfalz) vorbeiziehen. „Nachdem ich nun als Vierter auf die Laufstrecke ging, wollte ich die Platzierung zunächst nur nach hinten absichern“, erzählt van Stevendaal.
Dann geschah jedoch etwas Unvorhersehbares. Lange hatte sich deutlich abgesetzt, doch der Abstand zu Becker (100 Meter) und Wies (50 Meter) blieb konstant. „Zweimal habe ich bei Deutschen Meisterschaften als Gesamt-Vierter nur knapp eine Medaille verpasst“, sagt van Stevendaal, „dass sollte mir nicht noch einmal passieren.“ Der 47-Jährige zog das Tempo an, obwohl er bereits am Limit lief. Er sagt: „Mir kam ein Ausspruch des großen Muhammad Ali in den Sinn, der gesagt hat: ,Wenn mein Kopf es sich ausdenken und mein Herz daran glauben kann – dann kann ich es auch erreichen’.
Es kam, wie der größte Schwergewichtsboxer aller Zeiten es prophezeite. Schritt für Schritt verkürzte van Stevendaal den Abstand auf Wies. Nach der Hälfte der Strecke schob er sich an ihm vorbei. Der knapp 20 Jahre jüngere Westfale erwies sich als hartnäckiger Verfolger. 300 Meter vor dem Ziel mobilisierte van Stevendaal noch einmal letzte Kräfte, bis ihm fast die Beine versagten. Ein Blick über die Schulter hatte ihm jedoch verraten, dass Wies seine Aufholjagd längst aufgegeben hatte.
Im Zielbereich zeigte der zweitplatzierte Becker (1:02,47) auf van Stevendaal und rief den Zuschauern bewundernd zu: „Seht, was man als Fünfzigjähriger noch alles leisten kann.“Der Ahrensburger, mittlerweile wieder erholt und bei Atem, wollte die Aussage so nicht stehen lassen und rief zurück: „Hey Leute, ich bin noch keine 50, sondern erst 47 Jahre alt.“
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