Dennis Wagner und Imad Mokaddem blicken wieder positiv in die Zukunft. Die Folgen ihrer Beinbrüche spüren sie aber auch nach 20 Monaten noch

Ahrensburg. Die Hamburger Hip-Hop-Gruppe Fettes Brot stellte einst mit den Zeilen „Fußball ist immer noch wichtig“ in dem gleichnamigen Song etwas klar, was für Fans der beliebtesten Sportart Deutschlands gilt – aber natürlich auch für diejenigen, die diesen Sport Woche für Woche betreiben. Für Fußballer wie Dennis Wagner und Imad Mokaddem. Im Frühling 2013 aber ereilte die beiden dasselbe üble Schicksal, das ihnen zeigte, wie abrupt Dinge an Bedeutung gewinnen, die man bislang nicht so sehr zu schätzen wusste wie das runde Leder.

Die scheinbar normale Fähigkeit zu gehen nehmen beide als Privileg wahr

Imad Mokaddem, damals beim Oststeinbeker SV unter Vertrag, wacht Anfang Mai im Krankenhaus auf und blickt auf ein blutiges Eisengestell, das sein rechtes Bein stützt. Im Spiel der Stormarner gegen den SC Vorwärts-Wacker Billstedt wurde ihm bei einem Foul Schien- und Wadenbein gebrochen. Dennis Wagner erleidet nur drei Wochen später im Spiel seines SV Eichede gegen den TSV Altenholz dieselbe Verletzung, auch nach einem Foul. Bei der Operation treten Komplikationen auf, fast verliert er einen Fuß.

Doch wie geht es den beiden heute, 20 Monate nach dem schlimmsten Moment ihrer sportlichen Laufbahn und genau ein Jahr nachdem sie im Doppel-Interview mit dem Hamburger Abendblatt über ihre Ängste und Wünsche sprachen? Schmerzt das Bein manchmal noch, haben sie neue Ziele – und was haben sie mitgenommen aus der schwersten Zeit ihrer sportlichen Laufbahn?

Von einer ganz grundsätzlichen Erkenntnis berichten Mokaddem, 33 Jahre alt, und Wagner, 25, unabhängig voneinander. Mokaddem: „Man ist ja selten glücklich über den Ist-Zustand. Jetzt weiß ich erst richtig zu schätzen, dass ich gesund bin.“ Wagner formuliert es noch etwas deutlicher: „Ich habe gemerkt, was laufen und gehen für ein Privileg ist. Ich bin unglaublich froh, dass ich nicht im Rollstuhl sitze.“ Drei Monate war er in der eigenen Wohnung gefangen. Schnell fiel ihm die Decke auf den Kopf, er empfand es als Qual, Tag für Tag immer dasselbe zu tun und nicht arbeiten zu können. Doch er hatte auch Glück. Obwohl er noch in der Probezeit als Erzieher in einem Kinderheim in Bad Oldesloe arbeitete, hielt sein Arbeitgeber an ihm fest. Ganze sieben Monate fiel er aus.

Mokaddem dagegen, Student und Vater zweier Kinder, verlor seinen Nebenjob sofort und geriet in eine finanzielle Schieflage. Zu knapsen hat er daran noch heute, doch seine beruflichen Aussichten sind geradezu glänzend. Er hat die sportliche Pause genutzt, seinen Architektur-Bachelor zu machen. „Mein Laptop ist mein bester Freund“, sagt er und lacht. Am Computer bastelt er schon an Projekten, träumt von einem Engagement in Dubai, dem „Spielplatz für Architekten“, wie er sagt. Und auch in Tunesien, der Heimat seiner Eltern, würde er gern einmal arbeiten. Nicht unbedingt für Geld. „Was Gutes tun in Entwicklungsländern“ gehört zu seinen Träumen.

Sportlich hat der betont freundliche Mann mit Vollbart den Anschluss gefunden. Mit dem SC Vier- und Marschlande spielt er in der Oberliga Hamburg. Angst, sagt er, hatte er bei seiner Rückkehr nie. Aber die Muskulatur ist auch vier Monate nach seinem Punktspiel-Comeback nicht so stark wie früher, die Beweglichkeit nicht mehr dieselbe.

Wagners Körper beansprucht eine längere Erholungszeit. Drei Spiele hat er gemacht, sein Comeback feierte er nach 16 Monaten Zwangspause – als Torwart der zweiten Mannschaft in einem bedingt wichtigen Pokalspiel.

Bei einer neuerlichen OP wurde Wagner ein 36 Zentimeter langer Nagel entfernt

Im November folgte die nächste Operation, bei der die restlichen Platten und Schrauben aus seinem Bein entfernt wurden, darunter ein 36 Zentimeter langer Nagel. „Erschreckend, dass so etwas in meinem Körper war“, sagt Wagner, der durch die neuerliche OP zwar wieder Zeit verlor, dafür nun endlich schmerzfrei ist. Ob er jemals wieder zum Kader der ersten Mannschaft gehören wird, ist ungewiss. Seit Saisonbeginn ist Wagner Co-Trainer bei der „Zweiten“. Sein sportliches Ziel ist weniger eine ehrgeizig gesteckte Marke als vielmehr eine neue Einstellung zu seinem Sport und seinem Leben. „Ich will jeden Moment genießen“, sagt er. Nie mehr wolle er den Spaß am Fußball verlieren, so wie es vor seiner Verletzung nicht oft, aber doch hin und wieder mal vorkam.

Und Imad Mokaddem? Noch einmal mit seinem Futsal-Team Hamburg Panthers Deutscher Meister werden sei ein Ziel, hat er vor genau einem Jahr gesagt und das gilt noch heute. Wenn er am Sonntag bei den norddeutschen Meisterschaften antritt, kann er diesem Vorhaben ein Stück näher kommen.

Ja, es gibt Dinge von noch höherer Bedeutung, da sind sich Mokaddem und Wagner einig. Aber auch darüber: Fußball ist immer noch wichtig.