Speerwerferin Leoni de Graaf erhält Förderung vom Deutschen Leichtathletik-Verband. Die 17-Jährige will sich für die Europameisterschaft qualifizieren

Bad Oldesloe. 8. August 2014: Fokussiert auf den vorletzten Versuch zieht Leoni de Graaf im Lohrheidestadion ihren Speer aus der Halterung. Was nun folgt, hat die 17-Jährige vom VfL Oldesloe unzählige Mal trainiert. Der rhythmische Anlauf, das kraftvolle Schwungholen, der explosionsartige Abwurf – ihr gelingt bei den deutschen A-Jugendmeisterschaften in Bochum-Wattenscheid diesmal der „nahezu perfekte Wurf“.

Kurz vor der 50-Meter-Linie setzt der 500 Gramm schwere Carbonstab auf dem Boden auf. Und schiebt sich mit der Metallspitze unter die aus hellem Kunststoffband bestehende Markierung. Eine neue Bestweite für Leoni? Fehlanzeige. „Die Schiedsrichter hatten den Versuch für ungültig erklärt", sagt sie, „denn angeblich wäre der Speer nicht mit der Spitze zuerst auf dem Boden aufgekommen.“ Eine Entscheidung, die sowohl bei Aktiven als auch Zuschauern für reichlich Diskussionsstoff sorgte. Darüber hinaus eine sportliche Leistung, von der die anwesenden Bundestrainer Matthias Rau und Maria Ritschel interessiert Notiz nahmen.

Mit Konsequenzen: Im Oktober ernannte der Bundesausschuss Leistungssport des Deutschen Leichtathletik-Verbands (DLV) seine Kaderathleten für das Jahr 2015. Einzige Kandidaten aus Stormarn sind die 17 Jahre alte Wurfspezialistin aus der Kreisstadt (C-Kader) und der aktuelle deutsche Hallenmeister über 800 Meter Andreas Lange von der LG Reinbek-Ohe (A-Kader), der kommendes Jahr zur LGBraunschweig wechselt (wir berichteten).

Leoni hat den verpassten Medaillenrang bei den deutschen Titelkämpfen (47,25 Meter, Rang vier) längst abgehakt. Sie sagt: „Letztendlich konnte ich nicht nur mir beweisen, dass die Norm für die U-20-Europameisterschaft im kommenden Jahr von 51 Metern ein realistisches Ziel ist.“ Anfang 2013 wechselte die Tangstedterin vom SV Friedrichsgabe zum VfL Oldesloe. Jan Dreier, Trainer vom LK Weiche, riet ihr während eines Kaderlehrgangs zum Wechsel. „Er erzählte, dass er VfL-Coach Willi Studt sehr gut kenne und sicher sei, dass dieser mich in den Wurfdisziplinen Speer, Diskus und Kugel weiter bringt“, sagt die 17-Jährige. Der Vereinswechsel zahlte sich aus. Innerhalb von wenigen Monaten vollzog Leoni beachtliche Fortschritte, erfüllte in diesem Sommer in allen drei Disziplinen sogar die Norm für die deutschen Jugendmeisterschaften. „Der Speerwurf hat mir allerdings immer mehr Spaß gebracht“, sagt Leoni. „weil ich in dieser Disziplin noch weit von meiner Leistungsgrenze entfernt bin.“ Studt erkennt bei Leoni auch Veränderungen im mentalen Bereich. Er sagt: „Leoni hat sich in der vergangenen Saison durch ihr Nervenflattern häufig das Leben selbst schwer gemacht. Mittlerweile ist sie zu einem echten Wettkampftyp herangewachsen, der gemerkt hat, dass die Konkurrenz auch nur mit Wasser kocht.“

Seit einiger Zeit legt die blonde Tangstedterin mit Vater Dieter unter der Woche zusätzliche Trainingseinheiten ein. Einzelne Bewegungsabläufe werden von einer kleinen Kamera festgehalten, die Bilder anschließend von Vater und Tochter gemeinsam akribisch analysiert.

„Kleine Details wie ein nicht ganz durchgedrücktes Stemmbein oder ein zu stark angewinkelter Wurfarm sind deutlich zu erkennen“, sagt Leoni. „Kleine Dinge eben, bei denen aber viel Bewegungsenergie verloren geht.“ Leoni plant vor der anstehenden Wintersaison ihren Anlauf um einige Schritte zu verlängern. „Die höhere Geschwindigkeit nutze ich, um meine Abwurfenergie zu steigern“, sagt die Tangstedterin, die Schule und Sport gut vereinbaren kann. Im benachbarten Norderstedt, knapp zwölf Kilometer entfernt, besucht sie die zwölfte Klasse des Lise-Meitner-Gymnasiums. Klassenlehrerin Ingeborg Thoma ist selbst erfolgreiche Leichtathletin im Seniorenbereich. Immer dann, wenn es um eine mehrtägige Freistellung vom Unterricht geht, legt sie bei der Schulleitung für Leoni ein gutes Wort ein,

Genau dies wird Anfang Januar erneut vonnöten sein, denn Leoni hat vom DLV eine Einladung zu einem zehntägigen Trainingslager ins Sportzentrum Kienbaum (Brandenburg) erhalten – und das mitten in der Schulzeit.

Leoni schätzt die Rückendeckung ihrer Klassenlehrerin. Sie sagt: „Es ist ein tolles Gefühl von jemandem unterstützt zu werden, der selbst bei großen Sportveranstaltung an den Start geht."