Die 17 Jahre alte Vielseitigkeitsreiterin aus Rümpel und ihr Pferd bilden erst seit dem Frühjahr ein Team. Beide sind aber schon Vize-Europameister

Rümpel. Einen Alternativplan in der Tasche zu haben ist fast immer eine gute Sache. Dies gilt vor allem für die Vielseitigkeitsreiterei, nicht zuletzt, um das Risiko für Ross und Reiter beim Geländeritt zu minimieren. „Vor schwierigen Hindernissen habe ich neben dem direkten Anritt immer einen zweiten, allerdings meist etwas längeren Weg im Hinterkopf“, sagt Rebecca Gerken vom RV Floggensee, „nur so kann ich die zu bewältigenden Aufgaben an die äußeren Bedingungen, aber auch die Tagesform meines Pferdes anpassen.“

Wie zuletzt im englischen Bishop Burton, als die 18-Jährige sich bei den Junioren-Europameisterschaften ausgiebig Zeit nahm, um die Strecke genau unter die Lupe zu nehmen. Und anschließend mit Wallach Scipio in der Mannschaftswertung die Silbermedaille (151,20 Punkte) abräumte. Das Team von Bundestrainer Rüdiger Schwarz übernahm nach Rang drei in der Dressur dank einer souveränen Nullrunde von Gerken zwischenzeitlich sogar die Führung, musste allerdings nach einigen Abwürfen im abschließenden Springen Titelverteidiger Irland (149,10 Punkte) an sich vorbeiziehen lassen. Frankreich (159,40) sicherte sich die Bronzemedaille.

Neben Gerken mit Scipio gingen im Mannschaftswettbewerb für Deutschland noch Hanna Knüppel (Kisdorf) mit Carismo, Flora Reemtsma (Groß-Walmstorf) mit Ikarosz und Jerome Robiné (Darmstadt) mit Quaddeldou R. an den Start. Im Einzelwettbewerb belegte die in Rümpel lebende 18-Jährige den 15. Platz.

Scipio und Rebecca Gerken – das scheint zu passen, obwohl beide erst seit April dieses Jahres zu einem Team zusammen gewachsen sind. Gerken, nicht unbedingt auf der Suche nach einem Pferd, bemerkte den Wallach auf dem Gestüt Floggensee, wo er zum Verkauf angeboten wurde. Nach kurzer Eingewöhnungszeit stand für die 18-Jährige fest: „Den oder keinen!“ Knapp drei Wochen später stand bei einer L-Vielseitigkeitsprüfung in Bad Segeberg für beide die erste Bewährungsprobe an – und wurde mit einem dritten Rang erfolgreich gemeistert. „Bei Pferden bin ich schon wählerisch“, sagt Gerken, „doch Scipio hatte mein Herz im Handumdrehen erobert.“

Der Reitsport wurde dem Sprössling einer Pferdesport begeisterten Familie praktisch in die Wiege gelegt. Als Vierjährige bekam Gerken – wie der Zufall es wollte – ein gleichaltriges Pony geschenkt. Goldjunge, so der Name des ersten eigenen Pferdes, steht noch heute auf einer Koppel des von der Familie Gerken gepachteten Hofs Hansen in Elmenhorst. „Natürlich ist die Bindung zu Goldjunge nicht mehr die gleiche wie zu Kinderzeiten“, sagt Gerken, „dennoch wäre ich sehr traurig, wenn er eines Tages nicht mehr da wäre.“

Bis zum Alter von zwölf Jahren konzentrierte Gerken sich auf die Dressurreiterei. Mutter Beate Gerken, stellvertretende Vorsitzende des Kreispferdesportverbands Stormarn, hatte dagegen nichts einzuwenden. Das Schicksal nahm jedoch einen anderen Verlauf. Rebecca Gerken übernahm 2008 den Wallach Chagall, der bis dato vorrangig in der Vielseitigkeit geritten wurde. Die junge Stormarnerin orientierte sich um, der sportliche Erfolg ließ nicht lange auf sich warten. Noch im selben Jahr wurde Gerken für das Nachwuchschampionat in Warendorf (Nordrhein-Westfalen) sowie für die deutschen Junioren-Meisterschaften der Pony-Vielseitigkeitsreiter in Löningen-Böen-Bunnen (Niedersachsen) nominiert.

Rebecca Gerken hat sich in der Vielseitigkeitsreiterei eine goldene Regel auferlegt. „Pferd und Reiter sollten mental und physisch fit an den Start gehen oder darauf verzichten“, sagt die 18-Jährige.

Sie achtet darauf, ein junges Pferd nicht zu frühzeitig mit den Belastungen der Vielseitigkeit zu konfrontieren. Denn Sprünge ins Wasser, bei denen das Pferd die Tiefe des Einsprungs nicht einschätzen kann, oder welche über Hindernisse mit Reizüberflutung, bei denen die volle Aufmerksamkeit und Konzentration des Pferdes von Nöten ist , erfordern ein hohes Vertrauensverhältnis zwischen Mensch und Tier. „Mut bei Mensch und Tier muss vor allem im Gelände einhergehen mit einem langsam gewachsenen, gegenseitigen Vertrauen“, sagt Rebecca Gerken, die trotz ihrer jungen Jahre in den vergangenen Jahren bereits mehrere Pferde an den Vielseitigkeitssport herangeführt und weiter ausgebildet hat.