Bogensportlerin Angelika Karl holt nach Aufholjagd Gold bei deutschen Altersklassen-Meisterschaften und gewinnt Silber in der Teamwertung

Delingsdorf. Behutsam zieht Angelika Karl die Pfeilspitze aus der Zielscheibe. Zufrieden betrachtet die 59-Jährige vom VSG Stapelfeld das kleine runde Loch, das der knapp 40 Euro teure Pfeil in der mittleren Ringwertung hinterlassen hat. „Irgendwann habe ich für meine Nervenstärke den Spitznamen „Finalsau“ bekommen“, sagt Karl schmunzelnd. „Denn je mehr ich unter Druck gerate, umso sicherer treffe ich.“

Dies unterstrich die Delingsdorferin einmal mehr bei den nationalen Altersklassen-Meisterschaften des Deutschen Bogensport-Verbands (DBSV), ausgetragen auf der heimischen Anlage Am Drehbarg, mit dem Titelgewinn bei den Ü-50-Damen. Nach den Durchgängen über 90 und 70 Meter belegte Karl mit 659 Ringen zunächt Rang vier – 17 Zähler hinter der führenden Erika Rakel (SSV PCK 90 Schwedt). Die Goldmedaille war in weite Ferne gerückt. Zwar erzielte Karl über die anschließende 40-Meter-Distanz mit 336 Ringen das beste Ergebnis im Starterfeld, der Abstand zur führenden Rakel verringerte sich aber lediglich um einen Zähler.

Die Entscheidung fiel im vierten und letzten Abschnitt. Pfeil für Pfeil setzte die 59-Jährige in den mittlerweile nur noch 30 Meter entfernten gelb markierten Teil der Scheibe. Mit jedem Schuss holte sie auf, zog am Ende mit 1347 Ringen sogar an Rakel (1344 Ringe) vorbei. Eine Aufholjagd, die Karl in ihrer mehr als 20-jährigen Sportkarriere – und 14 deutschen Meistertiteln – so eher selten erlebt hat.

„Wenn ich vor dem letzten Durchgang mit 16 Ringen vorn liege, lass ich mir sicherlich nicht mehr die Butter vom Brot nehmen“, sagt die Delingsdorferin selbstbewusst, überheblich will sie dabei nicht klingen. „Erika und ich kennen uns von unzähligen Wettkämpfen“, sagt Karl, „sie weiß, wie ich dass meine, denn uns verbindet seit Jahren eine freundschaftliche Rivalität.“ Da kann es schon Mal passieren, dass Karl die Brandenburgerin nach einem siegreichen Wettkampf in den Arm nimmt, um sie mit den Worten zu trösten, dass „die ,Finalsau’ sich wieder einmal durchgesetzt hat.“ Karl feierte noch einen weiteren Medaillengewinn. Gemeinsam mit Gintautas Sarkys und Heinz Bettin belegte sie in der Mannschaftswertung Rang zwei (3987 Ringe).

Rückschläge im Bogensport verkraftet Karl ohne Probleme, auch wenn sie von äußerst unglücklicher Natur sind. Wie kürzlich bei den in Jerrishoe (Kreis Schleswig-Flensburg) ausgetragenen Landesmeisterschaften, bei denen sie unbedingt das Ticket für die nationalen Titelkämpfen des Deutschen Schützenbundes (DSB) in Zeven lösen wollte. „Ich war in der ersten Runde noch nicht hundertprozentig bei der Sache“, erzählt Karl, „als sich beim Spannen des Bogens die Zugvorrichtung frühzeitig löste und der Pfeil, für alle Zuschauer sichtbar, schon nach wenigen Metern auf dem Grün landete.“

Ihr Pech: Wäre der Pfeil innerhalb der vorgeschriebenen Drei-Meter-Zone gelandet, hätte die 59-Jährige den Pfeil aufnehmen und den Schussversuch wiederholen dürfen. Da er aber kurz dahinter auf dem Rasen aufkam, floss der Schuss mit in Karls Gesamtergebnis ein. Was sich schmerzlich bemerkbar machte: Mit 638 Ringen verpasste die Stormarnerin die DM-Norm um lediglich fünf Zähler. „Und die hätte ich zu 99,9 Prozent mit dem besagten Pfeil erreicht“, sagt sie. Im Gegensatz zur Veranstaltung des DBSV wird beim DSB nur auf die 50 Meter Distanz – mit kleinerer Zielauflage – geschossen.

Seit mehr als 39 Jahren ist Karl mit Ehemann Klaus, einem Ex-Bogensportler, verheiratet. Vor 15 Jahren legte Klaus Karl Pfeil und Bogen zur Seite, „weil er Sprüche wie ‚na, hat dich deine Frau heute wieder in Grund und Boden geschossen’ nicht mehr hören wollte“, sagt Angelika Karl schmunzelnd. Seitdem betreut Klaus Karl seine Frau liebevoll auf größeren Wettkämpfen.

Mit einer kleinen Einschränkung: „Wenn ich den Bogen spanne und auf die Scheibe ziele, kann ich um mich herum alles problemlos ausblenden – bis auf die Stimme meines Mannes“, sagt Angelika Karl. „Sobald ich diese höre, werde ich sofort unkonzentriert.“ Schuld daran sei ihre weibliche Neugier. „Irgendwie muss ich doch wissen, bei was für einem Thema er gerade ist.“

Auf der Bogensportanlage Am Drehbarg feierten noch weitere Teilnehmer des VSG Stapelfeld Medaillengewinne. Herman Walter (Herren Ü 65, 1230 Ringe) erzielte mit dem Recurvebogen in seiner Altersklasse zwar das zweitbeste Ergebnis, seine Freude über den Gewinn der Silbermedaille fiel aber eher verhalten aus. Vor dem letzten Durchgang führte der Stormarner das Starterfeld vor Tilo Pürmayr (BSV Sternenfels) mit zwölf Ringen Vorsprung an, ehe er über die 30-Meter-Distanz ungewohnte Unsicherheiten zeigte. Der Bogensportler aus Baden-Württemberg hingegen wurde von Schuss zu Schuss treffsicherer, und zog letztendlich im Gesamtergebnis mit zwei Zählern an Walter vorbei. Über bronzenes Edelmetall freute sich Compoundbogen-Schütze Bettin (1318 Ringe) ebenfalls nur halbherzig, da im Ü-65-Wettbewerb für ihn mehr drin gewesen wäre. „Heinz ist normalerweise immer für ein um 40 Ringe besseres Ergebnis gut, das diesmal zum Titelgewinn gereicht hätte“, sagt Abteilungsleiter Hans-Christof Köhne.

Helke Köhne, seine Ehefrau, verpasste bei den Ü-50-Recurve-Damen als Vierteplatzierte (1180 Ringe) um lediglich drei Ringe eine Podiumsplatzierung. „Trotzdem ist das ein toller Erfolg, da Helke aus gesundheitlichen Gründen drei Monate nicht trainieren konnte“, sagt der 69-Jährige. Weiteren Ergebnisse mit Stormarner Beteiligung: Niels Gäde (Herren Ü 45, 1164 Ringe) wurde mit dem Recurvebogen ebenso Sechster wie Annett Hondl-Meyer (Damen Ü 40, 1134 Ringe), die Vereinskollegin Elena Trunczik auf Rang acht (1019 Ringe) verwies. Sarkys (Compound-Herren Ü 45, 1322 Ringe) belegte Rang acht – hinter Michael Lehmann vom SV Rethwisch, der Vierter (1326 Ringe) wurde.