Die Stormarner Regionalligafußballer üben seit dieser Saison auch vormittags. Das Hamburger Abendblatt schaute bei der freiwilligen Einheit zu

Steinburg. Das freiwillige Training am Mittwochvormittag ist eine der Neuerungen, die es beim SV Eichede seit dem Aufstieg in die RegionalligaNord gegeben hat. Immer wieder schwärmen Trainer und Spieler von dieser etwas anderen Einheit, sprechen vom „schönsten Training der Woche“. Was genau aber schätzen sie so sehr daran, an dem Ort, wo es immer fünf Grad kälter zu sein scheint als überall sonst, dem Fußball hinterherzujagen, statt es sich bei einem zweiten Frühstück gemütlich zu machen? Das Hamburger Abendblatt hat zugeschaut.

9.50 Uhr, zehn Minuten vor Trainingsbeginn. Die Windräder, die normalerweise vom Ernst-Wagener-Stadion aus zu sehen sind, verstecken sich noch im Nebel. Es weht ein leichter, aber kalter Wind. Cheftrainer Oliver Zapel läuft über den Nebenplatz, stellt Hütchen auf und gelbe Figuren aus Metall, die als Gegenspieler dienen. Denn genug Spieler, um zwei Mannschaften zu bilden, werden nicht kommen. Die meisten müssen arbeiten. Heute haben sich fünf Spieler angekündigt. Doch gerade die geringe Teilnehmerzahl macht diese Einheit so beliebt. „Wir können viel gezielter und intensiver arbeiten“, sagt Zapel.

Als erste kommen Emanuel Bento und Abdel Abou Khalil mit Ballsäcken über den Schultern auf den Platz geschlendert. Wenig später folgen Malik Issahaku und Mike Meyer. Als sie auf Anweisung des Trainers schon um die grünen Hütchen herumdribbeln, kommt Nico Fischer dazu. „Herr Fischer! Schön, dass Sie es einrichten konnten“, kommentiert Zapel mit einem Lachen die achtminütige Verspätung seines Außenverteidigers, der sich grinsend einreiht. So wird die Atmosphäre die anderthalb Stunden über bleiben. Locker, lustig, entspannt – und doch geprägt von Ehrgeiz.

Eine Viertelstunde hält sich das Quintett an den Hütchen auf. Zapel, die Arme hinter dem Rücken verschränkt, das rechte Bein auf einen Ball gestellt, gibt ab und zu Kommandos: Auf einem Bein hüpfen, rückwärts laufen, jetzt nur Außenrist. Schneller, Abou.

Dann beginnt das Torschusstraining. Rund 400 Torschüsse pro Einheit hat Zapel einmal gezählt. Darüber freuen sich die Torhüter, Fabian Lucassen etwa, der auch oft dabei ist. Doch auch für die Feldspieler bedeuten die Schüsse nach einem kurzen Dribbling um die Metallfiguren und die Direktabnahmen wertvolles Techniktraining, das bei den Übungen mit dem gesamten Kader, wo eher die taktische Arbeit im Vordergrund steht, oft zu kurz kommt. Nico Fischer hat in 150 Spielen für Eichede und den VfB Lübeck II sechs Tore geschossen – heute glänzt er mit zahlreichen Treffern. Bei anderen läuft es nicht ganz so rund. Mike Meyer schießt weit über das Tor. Der Ball landet auf einem angrenzenden Acker. Vorher hat er mit einem dumpfen Geräusch die oberen Spitzen des Abfanggitters touchiert.

Bei der nächsten Übung – vier Sprünge auf demselben Bein mit abschließendem Kopfball – folgt die nächste Überraschung. Ausgerechnet der kleine Emanuel Bento fuchst sich sofort in die Aufgabe hinein. „Du wirst ja noch zum Kopfballungeheuer“, ruft Zapel. Bento, über den der Trainer mal gesagt hat, dass bei ihm alles vom Selbstvertrauen abhinge, lacht – und scheint sofort mehrere Zentimeter gewachsen.

Abschließend gibt Zapel, der früher als Offensivspieler unter anderem für den TuS Hoisdorf aktiv war, die Flanken. „Das tut weh, wie diese Filets weggebraten werden“, flachst der 46-Jährige, als immer mehr Bälle auf dem Acker landen.

Dann ist Schluss. Die einen gehen Richtung Umkleidekabine, die anderen klettern durch den Zaun, um auf den angrenzenden Acker zu gelangen. „Bälle ernten.“

Zapel wirkt entspannt und zufrieden. „Die Stimmung ist bei diesen Vormittagseinheiten immer so locker wie heute“, sagt er. Jurastudent Fischer, der es „alle zwei, drei Wochen“ vormittags nach Eichede schafft, sagt: „Ich könnte auch länger schlafen, aber das Aufstehen lohnt sich. Dieses Training macht einfach richtig Spaß und ist sehr effektiv.“ Und Abdel Abou Khalil, der seit seinem Wechsel nach Stormarn in der Winterpause zu den Dauergästen bei der freiwilligen Einheit zählt, ergänzt: „Man kann speziellere Dinge üben. Gerade die vielen Torschüsse bringen einen weiter.“ In Wilhelmshaven, Bamberg und Ingolstadt habe er auch schon vormittags trainiert, erzählt der geborene Hamburger. „Aber nie in so kleinen Gruppen.“

In der Regionalliga ist es Gang und Gäbe, mindestens einmal in der Woche auch vormittags zu trainieren, bei manchen Clubs noch häufiger. Von Bedingungen wie bei den Bundesligareserven, beim SV Meppen oder beim VfB Oldenburg kann Zapel nur träumen. „Es geht nur über die Intensität und Quantität des Trainings“ sagt er. „Zum Beispiel bei Mike Meyer, der heute das erste Mal dabei war, sieht man, dass er so etwas täglich nötig hätte – und was für extreme Leistungssprünge er dann machen könnte.“

In dem Moment kommt der 20-jährige Meyer wieder durch den Zaun gekrabbelt. In der Hand hält er den Ball, den er vor einer knappen Stunde auf den Acker geschossen hat. Er ist kaputt.