Ex-Nationalmannschafts-Turnerin Claudia Kurschat trainiert jetzt Kinder beim Ahrensburger TSV. Sie startete bei Europa- und Weltmeisterschaften

Ahrensburg. Der Anruf kommt überraschend, aber nicht ungelegen. Claudia Kurschat erkennt die Stimme einer guten Freundin. Diese fragt: „In der Sporthalle des Gymnasiums Am Heimgarten wird heute ein Wettbewerb in der rhythmischen Sportgymnastik ausgetragen. Hast du Lust mitzukommen?“ Kurschat überlegt nicht lange. Blitzschnell antwortet sie: „Ja, unbedingt.“

Die 45-Jährige lebt im Ahrensburger Stadtteil Hagen. Bis zur Sporthalle am Reesenbütteler Redder benötigt sie mit dem Auto nur wenige Minuten. Beim Betreten der Halle überfällt die Mutter von drei Söhnen eine freudige Erwartungshaltung. 23 Jahre sind seit ihrer aktiven Zeit in der rhythmischen Sportgymnastik vergangen. Seit früher Jugend ist Kurschat von dieser Turnsportart begeistert und betrieb sie auf hohem Niveau: Sechs Jahre lang, von 1981 bis 1986, gehörte sie zum Kader der deutschen Nationalmannschaft.

Claudia Kurschat nahm 1981 in München und zwei Jahre später in Straßburg (Frankreich) an Weltmeisterschaften teil. Sie ging 1982 im norwegischen Stavanger und 1984 im österreichischen Wien bei Europameisterschaften an den Start. Dann beendete sie ihre Karriere, um mehr Zeit für Familie und Job zu haben.

Kaum hat die 45-Jährige in der Sporthalle auf der Tribüne Platz genommen, bricht die alte Leidenschaft aus ihr heraus. Ihr fällt es schwer, still zu sitzen. Kurschat beobachtet das Geschehen in der Hallenmitte. Während der Vorführungen beginnt sie, Anweisungen zu geben. „Mädchen, mehr den Fuß strecken“ oder „Turn die Bewegung doch bitte ganz aus“, murmelt sie in sich hinein. Ihr entgeht trotz der Entfernung kein einziger technischer Fehler der Turnmädchen. Kein Wunder: Seit 1987 ist Kurschat im Besitz einer Trainerlizenz.

Das Schicksal nimmt seinen Lauf. Am Ende der Veranstaltung sucht sie sofort den Kontakt zu Judith und Sarah Albrecht. Die Schwestern gründeten die Sparte der rhythmischen Sportgymnastik beim Ahrensburger TSV. Es folgt ein kurzes, aber intensiv geführtes Gespräch. Kurschat bekommt den Job als Sportgymnastik-Trainerin beim Ahrensburger TSV.

„Meine Schwester und ich freuen uns über die Unterstützung einer so erfahrene Trainerin“, sagt Judith Albrecht. Kurschat trainiert eine Anfängergruppe. „Zusätzlich unterstützt sie uns einmal die Woche bei der körpertechnischen Schulung der bestehenden Leistungsgruppe und vermittelt Elemente aus dem Ballett“, sagt die 28 Jahre alte Übungsleiterin.

Die beiden in Bargteheide aufgewachsenen Schwestern leiten von Beginn an das Training. Mehr als 15 Jahre agierten sie selbst mit Keule, Ball, Reifen und Seil. Nach der Beendigung ihrer Laufbahn 2007 schlugen Judith und Sarah Albrecht die Trainerlaufbahn ein. Bei Wettkämpfen in eigener Halle übernehmen sie auch die Organisation.

Claudia Kurschat stellt schnell fest, dass sich im Laufe der Jahrzehnte in der rhythmischen Sportgymnastik nicht viele Dinge verändert haben. „Die Anforderung an die Beweglichkeit der Turnerinnen war früher schon hoch, einzig der Schwierigkeitsgrad der zu turnenden Elemente scheint gewachsen zu sein“, sagt sie und lobt die Arbeit der Albrecht-Schwestern.

„Judith und Sarah haben in den vergangenen sechs Jahren hervorragende Arbeit geleistet und den ATSV bundesweit in der Turnszene bekannt gemacht. Und ich möchte meinen Teil dazu beitragen, den Aufwärtstrend hier in Ahrensburg fortzusetzen.“ An die frühen 1980er-Jahre denkt Kurschat gern zurück. China, Malaysia, Japan oder USA waren nur einige Stationen, die sie unter Bundestrainerin Mariana Christiansen bereisen durfte. „Zum meinem Glück hat die damalige Bundestrainerin Wert darauf gelegt, dass wir abseits der sportlichen Veranstaltungen auch Land und Leute kennenlernen“, sagt die Ahrensburgerin.

Gern erinnert sie sich an die vielen kleinen Geschichten und Anekdoten, die Reisen in entfernte Länder mit sich bringen. Wie zum Beispiel an eine Nacht in Kuala Lumpur, der Hauptstadt Malaysias. „Unsere Gruppe war in einem Fünf-Sterne-Hotel untergebracht. Kaum ging abends in unseren Zimmern das Licht aus, fing das Gekreische an: Kakerlakenalarm.“

Sie bemüht sich, die nach eigenen Angaben „gigantischen Ausmaße“ der asiatischen Ausgabe einer Küchenschabe gestenreich darzustellen. „Riesige Exemplare“, sagt sie und hält die Hände weit auseinander. „Licht aus – Gekreische – Licht an. So ging es die ganze Nacht über. Wir lagen mittlerweile alle in einem Bett und haben natürlich kein Auge zubekommen.“

Mit Unbehagen denkt Kurschat an einen wettkampffreien, sehr heißen Tag an einem der Strände rund um Los Angeles (USA) zurück. „Zu damaligen Zeiten war es angesagt, möglichst lange in der Sonne zu liegen, um schnell braun zu werden“, sagt die 45-Jährige. „Und Salzwasser auf der Haut beschleunigt das Ganze.“ Gesagt, getan. Claudia Kurschat wechselte im Zehn-Minuten-Takt von der Sonnenliege ins salzhaltige Meerwasser – und umgekehrt. Die Folgen bekam sie noch am gleichen Abend zu spüren.

An Schlaf war bedingt durch einen schmerzhaften Sonnenbrand nicht zu denken. Der Krankenhausbesuch am nächsten Tag endete mit der Diagnose „Verbrennungen zweiten Grades“. „Damit zu turnen ist wirklich nicht angenehm“, sagt Kurschat.

Die spätere Leistungssportlerin hatte als junges Mädchen mit ihrem Gewicht zu kämpfen. Ihre Mutter meinte es immer gut und schickte ihr auch mal ein Paket mit besonders leckeren Pralinen zu einem Wettkampf in den USA. „Ich erinnere mich, als ob es gestern gewesen war“, sagt Kurschat. „Ich habe das Paket, ohne das meine Trainerin etwas davon mitbekam, an der Rezeption des Hotels abgefangen und schnell alle Pralinen verdrückt, bis mir schlecht wurde.“

Auch wenn Kurschat nach ihrem Rücktritt nur wenig Berührungspunkte mit der rhythmischen Sportgymnastik hatte, eine Tradition hat sie im Laufe der Zeit stets gepflegt. Drei- bis viermal im Jahr trifft sie alte Weggefährten der Nationalmannschaft. Gemeinsam lassen die Ehemaligen längst vergangene Zeiten wieder aufleben.