Turntrainerin des SV Großhansdorf gewinnt im Alter von 49 Jahren bei Landes-Gerätemeisterschaften die Silbermedaille am Sprung

Großhansdorf. Der köstliche Duft frisch gebackener Crêpes verbreitet sich in Windeseile in den Fluren des Bargteheider Emil-von-Behring-Gymnasiums. Studienrätin Eike Biemann unterrichtet das Fach Französisch – wechselt währenddessen schon Mal vom Klassenraum in die Schulküche über.

„Französische Lebensart steht heute auf dem Stundenplan. Und Vokabeln wie farine, sucre oder lait lassen sich bei der praxisbezogenen Zubereitung eines Crêpes eben leichter unterrichten“, sagt die Großhansdorferin. Die französischen Begriffen für Mehl, Zucker oder Milch sollten ihre Schüler schon kennen, wollen sie im Freundes- oder Familienkreismit selbst hergestellten Exemplaren der bretonischen Form des Eierkuchens glänzen.

Biemann feiert im kommenden Januar einen runden Geburtstag. Sie wird 50Jahre alt. Was nicht besonders erwähnenswert wäre, wenn sie nicht erst kürzlich wieder mit sportlichen Höchstleistungen geglänzt hätte. Bei der Landes-Gerätemeisterschaften im Turnen in Kiel gewann Biemann die Silbermedaille am Sprung. Viele ihrer erst elf oder zwölf Jahre alten Konkurrentinnen könnten vom Alter her ihre Töchter, wenn nicht sogar ihre Enkel sein.

„Es ist schon ein erhabenes Gefühl, im Alter von 49 Jahren noch immer mit den jungen Küken mitzuhalten“, sagt Biemann. Am Sprung zeigte sie einen Tsukahara. Für den Überschlag seitwärts mit einer Vierteldrehung und Salto rückwärts gehockt erhielt Biemann die Note 11,53. Für ihre 38Jahre jüngere Schülerin Magdalena Bürk reichte es zum fünften Rang (10,23 Punkte). Biemann, die beim Großhansdorfer SV die Turnmannschaft der Damen trainiert, bei Wettkämpfen aber für den TSV Kronshagen startet, räumt aber ein: „Wenn Magdalena nicht ein Patzer am unterlaufen wäre, hätte sie mich sicherlich vom zweiten Rang verdrängen können“, sagt die Studienrätin, die in ihrem Alter in Deutschland ihresgleichen sucht, wenn es darum geht am Schwebebalken einen Salto Rückwärts zu machen.

Biemann verbrachte dreimal ein knappes Jahr in ihrem Lieblingsland Frankreich. Ende 1987 arbeitete sie als Fremdsprachenkorrespondentin im französischen Bruyères. Zwei Jahre später übernahm sie erneut Übersetzer- und Dolmetscheraufgaben, doch diesmal in Albertville, einer in den französischen Alpen gelegene Kleinstadt, in der 1992 die Olympischen Winterspiele ausgetragen wurden. „Von dort aus habe ich am Fernseher den Fall der Berliner Mauer verfolgt“, erinnert sich Biemann.

Knapp 50Kilometer von Albertville entfernt liegt Trois Vallées, eines der größten Skigebiete der Welt. Für die geübte Skifahrerin Biemann nahezu paradiesische Zustände. „Nach der Arbeit habe ich häufig noch am späten Nachmittag die Skier ins Auto gepackt und bin mit Freunden für ein paar Stunden zum Skilaufen gefahren“, erzählt die Großhansdorferin.

Ein drittes Mal kehrte Biemann Anfang der 1990er-Jahre – ausgerüstet mit einem Sportstipendium – nach Frankreich zurück. Diesmal hieß der Zielort für knapp ein Jahr Lyon. In Frankreich leben möchte Biemann trotz ihrer Vorliebe für Land und Leute nicht. „Ich liebe Frankreich und die Franzosen, aber ihre Lebensweise würde mir auf Dauer nicht liegen", sagt Biemann. „Egal was man unternimmt, alles spielt sich in größeren Gruppen ab. Ich gehöre zu den Menschen, die gern Mal allein sind.“

Biemann ist verheiratet und Mutter von zwei Kindern: Tochter Emma und Sohn Paul. Die neunjährige Emma ist in der Turnsparte des SV Großhansdorf bereits in die Fußstapfen der Mutter getreten, während ihr zwei Jahre älterer Bruder Paul beim selben Verein Fußball spielt.

Mehr als zehn Jahre gehörte Biemann früher einem Jugendorchester in Kiel an, spielte während diverser Auslandsreisen unter anderem in Russland, Spanien, Italien oder Schweden die erste Geige. Sie hätte sich mit einer Karriere als Berufsmusikerin anfreunden können, wenn nicht ihre Begeisterung für den sehr zeitaufwendigen Turnsport ihr einen Strich durch die Rechnung gemacht hätte. Die Kinder haben die musikalische Ader der Mutter: Emma nimmt Klavier- , Paul Gitarrenunterricht. Was Biemann wiederum motivierte, selbst zum Lieblingsinstrument von Eric Clapton oder Keith Richards zu greifen und Unterrichtsstunden zu buchen.

Biemann lebt gesund. „Viele der Krankheiten heutzutage sind ernährungs- oder bewegungsbedingt“, sagt Biemann. Vegetarierin ist sie nicht, aber Fleisch und Milch holt sie nur beim Biohändler. Biemann schwört auf Yoga. Sie sagt: „Das ist das beste Mittel, den Geist fit und den Körper geschmeidig zu halten.“ Sie lebt das Motto: weg von der Schulmedizin, hin zur Homöopathie.

Sport ist ihr Lebenselixier. Auch auf dem Wasser: 1982 verband sie gemeinsam mit ihren Eltern einen Familienurlaub in Israel, um bei der Weltmeisterschaft der Windsurfer zu starten. „Damals stand das Windsurfen noch in den Kinderschuhen. Jede weibliche Teilnehmerin, die sehr gut mit Brett und Segel umgehen konnte, bekam die Chance, sich auf einen der 50Starplätze zu bewerben“, sagt Biemann.

Auch beim Fitnesssport bewegte sich die Großhansdorferin sportlich auf hohem Niveau: Von 1994 bis 2002 startete sie ohne Unterbrechung bei den deutschen Mannschaftsmeisterschaften im Aerobic. Mit großem Erfolg: Zweimal gewann sie mit ihrem Team den Titel.

Turnen will Biemann so lange, wie es die Gesundheit zulässt. Und da können noch einige Jahre ins Land vergehen. „In meiner Disziplin geht es nicht darum, am höchsten oder am weitesten zu springen“, sagt Biemann. „Der Sprung muss so exakt geturnt werden, dass die schwierigen technischen Elemente nahtlos ineinandergreifen und eine fehlerfreie Landung möglich ist“, sagt die 49-Jährige.

In den vergangenen Jahrzehnten hat die fortschreitende Sportwissenschaft auch im Turnsport viel verändert. „Früher waren nur wirklich begabte Turnerinnen in der Lage, vorderste Platzierungen zu erreichen“, sagt Biemann. „Durch das im Laufe der Jahre gewonnene sportwissenschaftliche Wissen können gute Trainer Mädchen, die weniger Talent, dafür aber genügend Biss haben, so formen, dass sie ebenfalls in die Medaillenränge vorstoßen.“

Den kommenden Osterurlaub hat Familie Biemann bereits geplant. Sie reisen in die Karibik – auf die Urlaubsinsel Antigua. Dort liegt ein 8,25Meter langes, seit 1974 im Familienbesitz befindliches und auf den Namen Kati getauftes Segelboot. Jahrelang kreuzten Biemanns vor der Kieler Förde hin und her, bis das Schicksal zuschlug und es Kati in weit entfernte Gewässer verschlug.

„Voriges Jahr fragte mein Neffe Lasse Hochfeldt vorsichtig an, ob er sich unser Boot für einige Zeit ausleihen dürfe“, erzählt Biemann. Der seinerzeit 21Jahre alte Student hatte große Pläne: Gemeinsam mit seinem ein Jahr jüngeren Freund Tim Stülten wollte er sich auf große Abenteuerreise begeben und von Kiel-Schilksee aus über Niederlande, Frankreich, Guernsey, Spanien, Portugal, Marokko und die Kanarischen Inseln nach Antigua segeln.

Im Februar dieses Jahres machten die beiden Studenten im English Harbour der Karibikinsel fest und traten ohne Kati die Heimreise an. „Hoffentlich hat unser Segelboot die diversen Orkane gut überstanden“, sagt Biemann. Mit Ehemann Volker will sie die Reise zum Anlass nehmen, die ihnen bisher versagte Hochzeitsreise nachzuholen.