Der zwölf Jahre alte John Schlegl führt in sechs Disziplinen die Schleswig-Holsteinische Bestenliste an

Ahrensburg. Nein, einen nervösen Eindruck hinterlässt John Schlegl vom Ahrensburger TSV so schnell nicht. Eher gelangweilt nimmt der Zwölfjährige beim Fest der 1000 Zwerge, dem vom Hamburger SV organisierten größten deutschen Leichtathletik-Schülersportfest, letzte Ratschläge seines Trainers Heiner Bock entgegen. Doch der Schein trügt: Höchst konzentriert bereitet sich John am Rand der Hamburger Jahnkampfbahn auf seinen anstehenden ersten Versuch im Hochsprung über 1,63 Meter vor. Dennoch entgeht ihm nicht, dass der Stadionsprecher über Lautsprecher seinen Name für den gleichzeitig beginnenden Vorlauf über 75 Meter aufruft. Ohne Zeit, in die Spikes zu schlüpfen, hastet John zur knapp 100Meter entfernt gelegenen Laufbahn. Und obwohl der Ahrensburger seinen Startblock nur Pi mal Daumen justiert, erreicht er mit der zweitschnellsten Vorlaufzeit den abschließenden Endlauf. Bevor er im Finale, diesmal mit dem passenden Schuhwerk, in 9,44 Sekunden eine persönliche Bestzeit aufstellt, gelingt ihm das gleiche Kunststück im Hochsprungwettbewerb – mit übersprungenen 1,63 Metern.

Es mag ein Hauch von karibischem Gleichmut sein, dem John – der auf Haiti geboren wurde – die nötige Abgeklärtheit im Wettkampf verdankt. An seine alte Heimat hat der junge Ahrensburger nur vage Erinnerungen. Es ist gut zehn Jahren her, dass Michael und Verena Schlegl die Entscheidung trafen, John als Adoptivsohn aufzunehmen.

„Mein Mann und ich lernten auf unseren Reisen nach Haiti Land und Leute lieben. Daher war für uns naheliegend, ein Kind aus Haiti zu adoptieren“, erzählt Verena Schlegl, die später ebenso Sohn Asmy, 8, und Tochter Medeline, 5, in ihr Ahrensburger Familienleben integrierte. Auch kulinarisch steht John eher auf gute deutsche Hausmannskost: „Meine Lieblingsspeise ist Brathähnchen mit Rotkohl und Kartoffeln“, sagt John. „Und wenn dann noch eine gute Soße dabei ist, ist die Welt für mich in Ordnung.“

John besucht die siebte Klasse des Gymnasiums Am Heimgarten. „Sport und Erdkunde sind meine Lieblingsfächer“, sagt er. „Und Philosophie. Es ist einfach spannend, über den Austausch von Argumenten mit anderen Menschen zu einer Lösung zu kommen", sagt der Zwölfjährige in der Überzeugung „dass Konflikte auf allen Ebenen besser beigelegt werden können, wenn die Menschen verstünden, richtig miteinander zu kommunizieren.“

Als gebürtiger Haitianer liegt John die Musik von klein auf an im Blut. Über eine von einer Ahrensburger Musikschule angebotene musikalischen Früherziehung lernte John im Alter von sechs Jahren das Saxofon kennen. Bis heute greift er drei- bis viermal pro Woche zu seinem Blasinstrument, sehr zur Freude von Mutter Verena. „Mein Mann und ich sind leider nicht über das Blockflötespielen hinausgekommen“, sagt die Ahrensburgerin, deren jüngerer Sohn Asmy ebenfalls musikalische Gene in sich trägt und das Klavierspielen für sich entdeckt hat. Aber John liebt auch die etwas härtere Variante: Er ist großer Fan des amerikanischen Rappers Macklemore, dessen Texte sich meist um sozialkritische Themen drehen.

In sportlicher Hinsicht hat John sich für das kommende Jahr mit der Qualifikation für die deutschen Blockmeisterschaften ein hohes Ziel gesetzt. Ein Blick auf die Bestenliste des Schleswig-Holsteinischen Leichtathletikverbandes untermauert allerdings, dass er über das notwendige sportliche Talent verfügt. In seiner Altersklasse führt er in gleich fünf Disziplinen das Ranking an: 60 Meter Hürden (9,37 Sekunden), 75 Meter (9,63), Weitsprung (5,79 Meter), Blockwettkampf Lauf (2497 Punkte), Blockwettkampf Sprint (2642 Punkte). Im Vierkampf (1994 Punkte) liegt er sogar in Altersklasse der Vierzehnjährigen ganz vorn.

Heiner Bock, Ahrensburgs Leichtathletikcoach, bescheinigt seinem Schützling eine große Zukunft. Er sagt: „Seit mehr als 30 Jahren bin ich im Geschäft, aber an so eine Leistungsexplosion wie die von John in diesem Jahr kann ich mich bei keinem meiner Sportler erinnern.“