Als Fousseni Alassani vor anderthalb Jahren die Nerven verlor, war er auf dem Sprung zum Fußballprofi. Sein nächster Anlauf beginnt in Oststeinbek

Oststeinbek. Es soll beginnen, wo schon einmal alles begann. Der Wechsel zum Oststeinbeker SV ist für Fousseni Alassani ein Schritt in die Vergangenheit, als Rückschritt bezeichnet er ihn aber nicht. „Ich habe hier mein bestes Jugendjahr erlebt“, sagt der noch immer hochtalentierte Fußballer, der endlich wieder in die Zukunft blicken will. Zukunft, das soll für den 22-Jährigen eine Laufbahn als Profi bedeuten – und ein Leben als gereifter Mensch.

Über die fußballerischen Qualitäten des Offensivallrounders gab es schon keine Zweifel mehr, als er sich in der Saison 2009/2010 beim Jugend-Förderverein Hamburg-Oststeinbek für höhere Aufgaben im Herrenbereich empfahl und erst recht nicht mehr, als er in den beiden folgenden Spielzeiten für die zweite Mannschaft des FC St. Pauli in der Oberliga und auch in der Regionalliga regelmäßig traf. Aber auch nach einer weniger erfolgreichen Saison beim SV Wilhelmshaven (fünf Tore in 32 Spielen) und dem Wechsel zum Fünftligaclub wird Alassani noch außerordentliches zugetraut. „Ich will ihn in der Bundesliga sehen“, sagt etwa sein neuer Trainer Stefan Kohfahl, der ihn vor einer Woche zurück zu den Stormarnern holte.

Weil der Kontakt zwischen Alassani und dem OSV nie abriss, eröffnete sich dem Tabellenletzten der Oberliga Hamburg plötzlich die Chance auf den Transfercoup. In diesem Sommer verhandelte Alassani mit vier Regionalligaclubs, zu einem Vertragsabschluss kam es aber nirgends. „Ich habe mich hier manchmal fit gehalten und ab und zu mit Kohfahl gesprochen“, erzählt er. Alassani, der zudem mit Oststeinbeks Angreifer Alpaslan Arslan gut befreundet ist, unterschrieb bis Saisonende. Findet er schon in der Winterpause einen neuen Club, darf er gehen. „Ich will Oststeinbek aus der Abstiegsregion schießen“, sagt er. So bald wie möglich aber will er wieder viertklassig spielen, vielleicht auch in der Regionalliga West – und in zwei Jahren sieht er sich bei einem Spitzenclub in der Zweiten Bundesliga vor zehntausenden Zuschauern. Sein bislang größtes Spiel absolvierte er in Wilhelmshaven im DFB-Pokalwettbewerb gegen den FC Augsburg.

Was aber hat zu dem Knick in der so verheißungsvollen Karriere Alassanis geführt? Im März des vergangenen Jahres wurde er beim FC St. Pauli suspendiert, aus disziplinarischen Gründen. Zwei Wochen später überfiel er einen Supermarkt in Wedel. Die Summe, die er dabei erbeutete, hatte er gar nicht nötig. „Kopfschmerzen“, nennt er heute die Stressgefühle, die ihn dazu trieben. „Eine Kurzschlussreaktion.“

Alassani wurde zu zwei Jahren auf Bewährung verurteilt. Viel möchte er nicht über diesen „sehr großen Fehler“ sprechen, betont aber, älter, reifer geworden zu sein. Von alten Freunden habe er sich nicht lossagen müssen, um diesen Prozess zu durchlaufen. „Es ist immer der Mensch selbst, der so etwas macht. Und ich weiß, dass sich das nicht wiederholen wird.“

Geboren in Lomé, der Hauptstadt Togos, kam Alassani als Zweijähriger mit seiner Familie nach Norddeutschland, wuchs „überall in Hamburg“ auf, wie er sagt. Osdorf, Billstedt, Mümmelmannsberg. Stadtteile mit einem schlechten Ruf. Auf Alassanis Armen, seinem Hals, seinem Nacken prangen Tattoos, seine bevorzugte Musik ist amerikanischer und deutscher Rap, sein Lieblingsfilm „New Jack City“, ein Gangsterstreifen. Keine Frage, er wäre leicht in eine Schublade zu stecken.

Weggefährten von damals und heute zeichnen ein anderes Bild. „Er ist kein Sozialfall“, sagt Kohfahl, beschreibt seinen Schützling als respektvoll und höflich, als einen, der sich von seiner Vergangenheit getrennt hat. „Man muss sich natürlich auch um ihn kümmern.“ Um täglich trainieren zu können, bekam Alassani den Schlüssel für den Fitnessraum, kann jederzeit ein- und ausgehen. Die klare Bedingung von Kohfahl: Es wird keine Trainingseinheit geschwänzt.

Gerd Dreller, der heute den SV Eichede II trainiert, coachte Alassani beim JFV Hamburg-Oststeinbek. Er erinnert sich an einen Jugendlichen, der „nicht gerade zurückhaltend, eher extrovertiert war", aber mit einer „guten Portion Sozialität“ ausgestattet. „Er hatte immer ein hohes Gerechtigkeitsempfinden.“

Ein schneller Antritt, eine enge Ballführung, Schusskraft und Zweikampfstärke – das zeichnet den Fußballer Alassani aus. „Wenn er in guten Händen ist“, sagt Dreller, „geht er ab wie eine Rakete“. Kohfahl bescheinigt ihm, schon bei seinem ersten Einsatz gegen den VfL Pinneberg als Anführer aufgetreten zu sein. Im Kampf gegen den Abstieg sei er der richtige Mann zum richtigen Zeitpunkt. „In der Kabine herrschte gleich eine ganz andere Stimmung,. Er hat Mumm, geht voran. Das ist eine große Hilfe.“

Auch Alassani selbst weiß um seine Qualitäten. Seine Körpersprache zeugt von Zuversicht. Er lacht viel und erzählt gern von seinen schönsten Spielen, etwa als er in der Oberliga das 100. Saisontor des FC St. Pauli schoss. Und seine Schwächen? „Das Kopfballspiel“ sagt er, „und dass ich manchmal zu hitzköpfig bin – auf dem Platz. Nicht privat.“

Wo er einst seine beste Zeit als Nachwuchsspieler erlebte, will sich Fousseni Alassani noch einmal für höhere Aufgaben empfehlen. Die Schatten der Vergangenheit hinter sich lassen, nicht aber den Traum vom Profifußball. Einen Plan B schmiedet er noch nicht, die volle Konzentration gilt der Karriere. Seinen Neuanfang in Oststeinbek beginnt er mit einem Versprechen: „Ich habe eine zweite Chance bekommen. Die werde ich nutzen.“