Verein nahm im Vorjahr 249 Prüfungen ab - Rekord in der Klasse bis 500 Mitglieder. Auch Stormarns sportlichste Familie trainiert bei der VSG

Stapelfeld. Irmgard Nickel fehlen noch drei Zentimeter. 1,31 Meter weit muss die 80-Jährige aus dem Stand springen - dann wird sie die Disziplin Standweitsprung fürs Sportabzeichen bestehen. "1,28 Meter war heute mein weitester Versuch. Aber einen habe ich noch", sagt sie. Beim VSG Stapelfeld will Irmgard Nickel in ihrer Altersklasse zum 15. Mal das deutsche Sportabzeichen ablegen. Bis zum letzten Sprung bleiben ihr noch einige Minuten. "Früher führten mein Mann und ich in Stapelfeld einen landwirtschaftlichen Betrieb", erzählt sie. "20 Jahre lang - von 1970 bis 1990." Gut sechs Jahre später ereilte sie ein schwerer Schicksalsschlag. Die Diagnose: Brustkrebs im fortgeschrittenen Stadium. "Ich fasste sofort den Entschluss, mich nicht fallen zu lassen. Ich wollte dagegen ankämpfen, ich wollte weiterleben", sagt die gebürtige Stapelfelderin.

Nach der Therapie kehrte sie in ihren Heimatverein VSG Stapelfeld zurück. Langsam und Schritt für Schritt erhöhte sie ihre sportlichen Aktivitäten. 1998 war es dann so weit: Irmgard Nickel schaffte im Alter von 65 Jahren ihr erstes Sportabzeichen - natürlich in Gold.

Dass der VSG Stapelfeld über die Kreisgrenze hinaus bekannt ist, ist nicht nur den Leistungen der Bogenschützen zu verdanken, die in der Bundesliga antreten. Auch die Breitensportabteilung des Vereins macht überregional von sich reden: Der Landessportverband Schleswig-Holstein zeichnete den Stormarner Verein in der Kategorie B (Clubs mit 300 bis 500 Mitgliedern) als den Sportverein Schleswig-Holsteins aus, der im vergangenen Jahr die meisten Sportabzeichen abgenommen hat.

"249 Aktive haben bei uns im Jahr 2012 das deutsche Sportabzeichen abgelegt", sagt Ursula Vonau. Die 56-Jährige leitet seit knapp sechs Jahren die Breitensportabteilung des VSG Stapelfeld. "Die jüngsten Absolventen waren sechs, die ältesten 79 Jahre alt", sagt sie. Wie auf ein Stichwort erklingt von hinten die Stimme von Irmgard Nickel: "Geschafft! 1,31 Meter", sagt die 80-Jährige und strahlt glücklich. Sie hat ihren letzten Versuch im Standweitsprung erfolgreich absolviert.

Vor Kurzem musste Ursula Vonau ihr Training teilweise umstellen: Der Deutsche Sportbund hat Anfang dieses Jahres das Regelwerk des deutschen Sportabzeichens nach sportwissenschaftlichen Kriterien überarbeitet. Kern der Reform ist ein auf den vier motorischen Grundfähigkeiten Kraft, Schnelligkeit, Ausdauer und Koordination basierender neuer Leistungskatalog. Die Schwimmfähigkeit muss nach wie vor nachgewiesen werden, allerdings nicht mehr als eigene Prüfgruppe, sondern als Teil der vier anderen Prüfgruppen oder als Zusatzleistung.

In der Kategorie Koordination werden für einen Erwachsenen unter anderem Disziplinen wie Hoch- oder Weitsprung, Schleuderball oder Seilspringen angeboten, in der Kategorie Ausdauer Zehn-Kilometer-Läufe oder 20-Kilometer-Radfahrten. Die Kraft kann beim Medizinballwurf, Kugelstoßen oder Standweitsprung unter Beweis gestellt werden, die Schnelligkeit beim 50- oder 100-Meter-Lauf. Für Kinder, Jugendliche und Senioren werden je nach Alter angemessene Disziplinen angeboten.

Der Preis in der Kategorie sportlichste Familie des Kreises Stormarn ging ebenfalls an Mitglieder des VSG Stapelfeld. Susanne Lescow legte zusammen mit ihrem Ehemann Ulrich, ihrer Mutter Doris Kassner, ihrem Bruder Matthias Lescow sowie ihren Kindern Thies, Kilian und Friederike das deutsche Sportabzeichen ab. Doris Kassner ist mit ihren 70 Jahren begeisterte Anhängerin der Trendsportart Nordic Walking. Sie hat sich für diese Disziplin aus dem Bereich Ausdauer entschieden.

"Für die 7,5 Kilometer lange Strecke ist in meiner Altersklasse eine Höchstzeit von 1:20 Stunden vorgegeben", sagt sie und fügt stolz an: "Ich habe die Strecke sogar schon in 59:32 Minuten geschafft."

Ursula Vonau verbindet mit dem deutschen Sportabzeichen auch einen gesellschaftlichen Auftrag. "Wir wollen mit unserem Angebot auch diejenigen Kinder erreichen, die aufgrund ihres Übergewichts oder ihrer motorischen Schwierigkeiten in der Schule gehänselt oder im Sportunterricht immer als letzte in eine Mannschaft gewählt werden", sagt die 56-Jährige. "Die Kinder können nichts dafür. Schuld sind immer die Eltern, die bei der Erziehung der Kinder nicht genug Wert auf ausreichend Bewegung legen."

Neben dem wöchentlichen Training bieten in Stormarn diverse Vereine die Möglichkeit an, das deutsche Sportabzeichen abzulegen. Die Geschäftsstelle des Kreissportverbandes Stormarn gibt unter der Telefonnummer 04531/80 87 22 oder per E-Mail unter info@ksv-stormarn.de Auskünfte.