Verein gründet nach mehrjähriger Pause eine Boxabteilung. Martin Stuckert wird Spartenchef. Mitgliedschaft im Hamburger-Amateur-Box-Verband ist beantragt

Glinde. Tok, Tok, Tok - immer wieder klatscht der fünf Kilogramm schwere Medizinball an die Wand der Sporthalle Wiesenfeld. Das monotone Geräusch zerrt an den Nerven des Boxers. Die Muskelschmerzen im rechten Wurfarm steigern sich im Sekundentakt. "Nicht nachlassen - immer kräftig durchziehen", ruft Steffen Willhöft vom TSV Glinde in die Runde. Der Co-Trainer der Boxsparte verfolgt das Zirkeltraining aufmerksam.

Seine Stimme erreicht jedoch nicht jeden, zu sehr ist jeder einzelne mit seiner Station beschäftigt. "Wenn einige unserer Mitglieder in Kürze das erste Mal in den Ring steigen, müssen sie körperlich hundertprozentig austrainiert sein", sagt Martin Stuckert. Dass die Sparte Boxen in Glinde erneut einen offiziellen Charakter bekommen hat, ist der guten Zusammenarbeit zwischen Verein, Trainern und Sportlerteam zu verdanken.

Auf Wunsch aller Parteien wurde kürzlich eine konstituierende Sitzung einberufen und der Vorstand der Sparte neu besetzt: Als Abteilungsleiter ist ab sofort Stuckert verantwortlich, Nicole Timmann - Trainerin mit C-Lizenz, ist Sportwartin. "Gleichzeitig haben wir im Hamburger-Amateur-Box-Verband die Mitgliedschaft beantragt", so Stuckert. Damit stehe sportlich fairen Faustwettkämpfen im Süden Stormarns nichts entgegen.

Boxen hat in Glinde Geschichte. 1991 stieg der Verein sogar in die Zweite Bundesliga auf. Die Kampfabende lockten bis zu 1000 Zuschauer nach Glinde. Nach dem Wiederabstieg schlugen sich die Stormarner noch für einige Zeit in der Oberliga durch, ehe das Geld der Sponsoren ausblieb und die Sparte aufgelöst wurde. 2003 wurde die Abteilung wieder zum Leben erweckt - allerdings nur für ein paar Jahre. "Durch Unruhe und Streitigkeiten verloren wir damals viele Mitglieder", sagte Peter Voss, Vorsitzender des Glinder Vereins. Die Sparte existierte weiter, hatte aber den Glanz vergangener Tage verloren. "Wir wollen an frühere Zeiten anknüpfen", sagt Stuckert.

Der Student der Fahrzeugtechnik boxt seit seinem 14. Lebensjahr. Knieprobleme zwangen ihn nicht nur immer wieder zu längeren Pausen, sie verhinderten auch seinen seit langer Zeit sehnlichst erwarteten ersten richtigen Kampf. "Ich werde nun voraussichtlich im Mai in den Ring steigen", sagt der 20 Jahre alte Glinder.

Neben der Steigerung der körperlichen Fitness und dem sportlichen Wettkampf habe der Boxsport mit der sozialen Komponente eine dritte wichtige Funktion innerhalb der heutigen Gesellschaft. Aggressionsabbau hilft Kindern und Jugendlichen, ihre Emotionen in stressigen Situationen unter Kontrolle zu halten und ihr Selbstbewusstsein zu stärken. "Wir bilden Jugendliche nicht zu Straßenkämpfern aus, sondern vermitteln ihnen Werte wie Respekt und Disziplin", sagt Steffen Willhöft.

Für den 21 Jahre alten Glinder ist Boxen der ultimative Fitnesssport: "Der Körper wird von Kopf bis Fuß trainiert. Jemand, der Boxen nur am Fernseher verfolgt, hat meist keine Vorstellung von der Kraft und Kondition, die hinter dieser Sportart stehen", so Willhöft.

Auf die soziale Komponente wird beim TSV Glinde seit Jahren viel Wert gelegt, das Wort "Integration" seit langem groß geschrieben. "Als Verein nehmen wir seit zehn Jahren an dem Bundesprogramm Integration durch Sport des Innenministeriums teil", sagt Helga Hahn-Ross. "Wir zählen zu den Stützpunktvereinen, die aufgrund ihrer Lage und des Umfelds als sozialer Brennpunkt eingestuft wurden", ergänzt die zweite Vorsitzende.

Dieses Bundesprogramm überweist jährlich Geld an die Landessportverbände, die dann auf Antrag an die ansässigen Vereine ausgeschüttet werden. "Die Geldbeträge zwischen 3000 und 5000 Euro müssen für Sportangebote verwendet werden, die einen hohen Anteil an Migranten erreichen", so Hahn-Ross.

Voss denkt an die Anfänge des Boxsports in Glinde zurück: "Im Jahr 2002 hatten wir uns Integration zu einem vorrangigen Ziel gesetzt. Wir begannen mit einem Volleyballkursus jeden dritten Freitag im Monat", sagt er. Unter Mitwirkung von Schulsozialpädagogen nahmen viele Russlanddeutsche das Angebot wahr. Allerdings wurde eine strikte Regel von Vereinsseite aufgestellt und mit sofortigem Ausschluß geahndet: kein Alkohol, keine körperlichen Übergriffe. "Auch die Glinder Polizei nahm an einigen Abenden an dem Kursus teil. Anfangs blieb man sehr auf Distanz und Kämpfe wurden nur gegeneinander ausgetragen. Doch nach einiger Zeit wurde kommuniziert und die Mannschaften vermischen sich", sagt Voss. Glinde veränderte sich, auch außerhalb des Sportgeschehens wurde eine größere Kommunikationsbereitschaft und gegenseitige Akzeptanz erlangt.

Auch politisch zeigt der knapp 3000 Mitglieder starke TSV Glinde Flagge: Anfang Juni organisiert der Verein zum zweiten Mal sein Fußballturnier "Kicken gegen Rechts".