Miriam Butkereit startet am Wochenende bei deutschen Judo-Meisterschaften der U 21. Es ist ihr drittes Comeback nach schweren Verletzungen

Glinde. Die Diagnose fiel niederschmetternd aus. "Das Schultereckgelenk ist kaputt und die umliegenden Bänder sind gerissen", erklärte der behandelnde Arzt des Berufsgenossenschaftlichen Unfallkrankenhauses in Hamburg-Boberg. Gemeinsam mit seiner Patientin Miriam Butkereit betrachtete er die in einem Lichtkasten hängenden Röntgenbilder. Die Judokämpferin vom TSV Glinde blieb nach außen hin gelassen: "Ich habe mit einer schlimmen Verletzung gerechnet - mein Schlüsselbein schaute auf recht unnatürliche Art und Weise aus der Schulter heraus", sagt die 18-Jährige, die tags zuvor während eines Wettkampfes in polnischen Wroclaw unglücklich auf die Seite gestürzt war.

Keine sieben Monate später: Im Finale der norddeutschen U-21-Meisterschaften (Gewichtsklasse bis 70 Kilogramm) ahnt Butkereit einen Hebehüftwurf ihrer Gegnerin Svea Schinzel voraus, kontert geschickt und befördert die Kämpferin des MTV Vorsfelde mit einem Gegenhebel rücklings auf die Matte. Die Glinderin zeigt kein Erbarmen: Mit einem kraftvoll angesetzten Haltegriff drückt sie ihre auf dem Rücken liegende Gegnerin 20 Sekunden lang auf den Mattenboden. Dann ist der Kampf vorbei - Butkereit ist neue Titelträgerin. Ein Blick auf die Zeitmessung verrät: Es waren noch nicht einmal zwei Minuten Kampfzeit verstrichen.

"Auf dem Weg bis ins Finale haben alle meine Kämpfe nur rund eine Minute gedauert", sagt die 18-Jährige, die mit der Teilnahme an den Meisterschaften im niedersächsischen Oyten bewusst ein Risiko einging: Butkereit war als Mitglied des C-Kaders des Deutschen Judobundes für die an diesem Sonnabend in Frankfurt/Oder beginnenden Deutschen U-21-Meisterschaften gesetzt - eine Niederlage bei den Titelkämpfen in Oyten hätte ihr den Startplatz gekostet. "In meiner Gewichtsklasse war das Teilnehmerfeld bei den norddeutschen Meisterschaften nicht so stark besetzt, deshalb habe ich fest mit einem Erfolg gerechnet", sagt die 18-jährige Halbportugiesin. "Außerdem benötige ich dringend Wettkampfpraxis."

Die Frage nach einer unterschwelligen Angst, unglücklich auf die operierte Schulter zu fallen, beantwortet die Glinderin auf ihre ganz eigene Art und Weise: "Ich bin sehr gut darin, Dinge zu verdrängen und auszublenden", sagt sie und fügt hinzu: "Ich hoffe aber, dass der Judogott doch einmal Erbarmen zeigt und mich wenigstens dieses Jahr vor weiteren Verletzungen verschont."

Die 18 Jahre alte Judoka weiß, was es bedeutet, nach langwierigen Verletzungen hart an sich zu arbeiten und sich wieder ganz nach vorn an die Spitze zu kämpfen. 2008 hatte sie erstmals einen Meniskusriss erlitten und musste sich einer Operation unterziehen. Sie trainierte hart, kämpfte sich verbissen zurück und gewann knapp zwei Jahre später nicht nur den deutschen Meistertitel der Altersklasse U 17, sie erlangte bei den Europameisterschaften im tschechischen Teplice obendrein einen dritten Platz.

Im Oktober 2011 schlug das Schicksal erneut zu: Derselbe Meniskus riss zum zweiten Mal. Wieder kämpfte Butkereit sich mühsam an die Spitze zurück, unterstützt vom deutschen Judobund, der weiter an sie glaubte: 2012 reiste Butkereit mit dem Nationalkader der Frauen nach Südkorea, wo sie beim Chungju-Cup trotz starker internationaler Konkurrenz Rang drei belegte.

Neben dem sportlichen Werdegang fordert auch die schulische Laufbahn die volle Konzentration der 18-Jährigen: Im kommenden Jahr will Butkereit auf der Glinder Gemeinschaftsschule Wiesenfeld ihr Abitur ablegen. "Was danach sein wird, steht allerdings noch in den Sternen", sagt sie. Butkereit, die seit gut 13 Jahren Judosport betreibt und bis zu zehn Mal pro Woche trainiert, fand an der verletzungsbedingten Auszeit Gefallen: "Ich hatte Zeit, mich mit Freuden zu treffen und etwas zu unternehmen", so die 18-Jährige.

Auf eine Prognose für die Deutschen Meisterschaften will sich Butkereit nicht festlegen: "Die Gegnerinnen sind stark. Die meisten von ihnen kenne ich durch diverse Trainingslager oder Lehrgänge des deutschen Judo-Bundes", sagt die Glinderin. "Ich kann mich aber auch auf meine Stärken verlassen."