Die Floorhockey-Spieler des Hoisbütteler SV nehmen an den Special Olympics für Menschen mit geistiger Behinderung in Südkorea teil.

Ammersbek. Wer am Freitag kurzfristig nach Seoul fliegen möchte, muss dafür 2504 Euro berappen. Der Grund für den stolzen Preis, der sich nach Angebot und Nachfrage richtet: Die 102 Personen starke deutsche Delegation hebt zu den 10. olympischen Weltwinterspielen für Menschen mit geistiger Behinderung ab. Insgesamt werden in Südkorea knapp 3000 Athleten aus 127 Ländern erwartet - darunter vertreten sieben Floorhockey-Spieler und zwei Trainer des Hoisbütteler SV vom 29. Januar bis 5. Februar die Farben Stormarns.

Angela Merkel musste sich erst erklären lassen, worum es sich bei der Sportart handelt, die die Ammersbeker zu den Special Olympics World Winter Games Pyeongchang 2013 - so die vollständige und offizielle Bezeichnung - führt. Die Bundeskanzlerin nahm sich zehn Minuten Zeit, um eine kleine Abordnung stellvertretend für die gesamte Delegation zu verabschieden.

Auch der Hoisbütteler Athletensprecher Thomas Schauer gehörte im Bundeskanzleramt zu den Auserwählten und führte die Besonderheiten der recht unbekannten Disziplin aus. Merkel weiß nun, dass Floorhockey in den 20er-Jahren in Kanada und den USA als Sommervariante des Eishockeys entwickelt wurde. "Fünf Spieler versuchen, einen Filzring mithilfe eines Schlägers im Tor der gegnerischen Mannschaft unterzubringen", so Schauers Erklärung weiter. Die Sportart wird zwar auf einem Hallenboden, wegen der großen Ähnlichkeit zum Eishockey aber im Rahmen der Winterspiele ausgeübt. Vom Hoisbütteler SV schnüren neben Schauer Samuel Badu, Evgenij Saiko, Jan-Philip Steingräber, Gino Christiansen, Patryk Szybecki-Weigel und Nicky Roß die Schuhe für die deutsche Nationalmannschaft.

"Ergreifend" nennt Christian Schirrmacher den Tag in Berlin, der mit einem Besuch in der südkoreanischen Botschaft abgerundet wurde. Aufgaben, wie auf dem Weg durch die 300 Meter langen Gänge im Bundeskanzleramt die Orientierung zu wahren, sind bei Weitem nicht die einzigen des studierten Sportlehrers. Vor nunmehr 25 Jahren gründete er die Hoisbütteler Integrationssportabteilung, dessen Vorsitzender er noch heute ist. Darüber hinaus bekleidet der 61-Jährige das Amt des nationalen Floorhockey-Koordinators und zeichnet als Chefcoach bei seiner zweiten Teilnahme an den Special Olympics gemeinsam mit Trainerin Angelika Seifert (ebenfalls vom Hoisbütteler SV) für die Organisation verantwortlich - und für das Abschneiden im Austragungsort der olympischen Winterspiele 2018. Welchen Stellenwert hat für ihn und die Athleten, die 2011 bereits an den nationalen Wettkämpfen im sächsischen Altenberg teilnahmen, die Platzierung im Wettkampf?

"Die Mannschaft will das Bestmögliche erreichen. Jeder wird lieber Erster statt Fünfter", so Schirrmacher. Doch jedes Mittel zum Gewinn einer Medaille ist den Hoisbüttelern nicht recht. Zum Beginn der Winterspiele werden die Mannschaften nach einem kurzen Testspiel einer der vier Niveaugruppen zugeordnet, die voneinander getrennt vier Turniere austragen. In der Vergangenheit kam es vor, dass Trainer ihre Schützlinge dazu anstifteten, bei diesem "Skilltest" unter ihren Möglichkeiten zu spielen, um später in einer unteren Niveaugruppe leichtes Spiel auf dem Weg zur Goldmedaille zu haben. "So etwas gehört sich nicht und verfälscht die Wettbewerbe", sagt Schirrmacher. Weil ein solches Vorgehen dem Gedanken der Special Olympics widerspricht, wird es kompromisslos mit der Disqualifikation des Teams bestraft.

Athletensprecher Schauer schließt sich der Einstellung seines Trainers an. "Ich freue mich sehr auf den Sport, die Action und darauf, Freunde kennen zu lernen. Und wenn ich verliere, will ich ganz ruhig bleiben, ganz fair", sagt Schauer getreu dem an höhere Mächte gerichteten Motto der Special Olympics: "Lass mich gewinnen. Doch wenn ich nicht gewinnen kann, so lass mich mutig mein Bestes geben." Wenn der 31-Jährige nicht gerade unterwegs ist, um auf dem etwa 24 mal 14 Meter großen Floorhockeyfeld eine Abwehrposition zu bekleiden, absolviert er eine duale Ausbildung zum Küchenhelfer. In den letzten Jahren trat er regelmäßig mit seiner Improvisations-Theatergruppe auf. Er verkörpert, was sich der Hoisbütteler SV für all seine Mitglieder der Integrationssport-Abteilung wünscht. Für sein unermüdliches Engagement für geistig und körperlich Behinderte - Schirrmacher bevorzugt die Formulierung "Menschen mit Handicap" - eilt der Verein von Ehrung zu Ehrung.

Nach der Bundeskanzlerin erfährt nun auch der höchste Mann im Staate von den Verdiensten des Hoisbütteler SV. Am Dienstag, 29. Januar, verleiht Bundespräsident Joachim Gauck den "Großen Stern des Sports." Weil sie im vergangenen Dezember bei der Ehrung auf Landesebene den ersten Platz belegten, sind die Ammersbeker einer der 18 nominierten Vereine. Die Abteilungsvertreter werden an diesem Tag im zehn Flugstunden entfernten Pyeongchang an der Eröffnungsfeier der Winterspiele teilnehmen, also reist Vorstandsmitglied Wolf-Dieter Hein mit Udo Heck, Vorsitzender des Gesamtvereins, in die Hauptstadt. Der erste Platz ist mit 10.000 Euro dotiert.

Um 17.50 Uhr startet am Freitag die Lufthansamaschine 712 in Richtung Südkorea. Neben neun Vertretern des Hoisbütteler SV mit an Bord: Ein Sperrgepäckstück mit allen Floorhockeystöckern sowie drei große Koffer voller Schutzhelme und weiterem Zubehör. Viel zu schleppen. Doch die Stormarner Delegation hätte nichts dagegen, wenn auf dem Rückflug ein vierter schwerer Koffer, gefüllt mit olympischem Edelmetall, zu tragen wäre.