Das Abendblatt stellt die Kandidaten für die Wahl zum Stormarner Sportler des Jahres 2012 vor. Heute: Handballtorwart Christopher Rudeck.

Bargteheide. Um 18.20 Uhr kommt Christopher Rudeck der Bitte um einen Rückruf nach, um die letzten Fragen zu beantworten. Während er erzählt, drückt er schon mal die Zwei auf der Fernbedienung. Das Gespräch muss zügig verlaufen, in zehn Minuten beginnt das Spiel der deutschen Handballnationalmannschaft, für die es bei der Weltmeisterschaft gegen Montenegro um den Einzug in das Achtelfinale geht. Rudeck sitzt in Flensburg bei seiner Freundin Nele, die Vorberichterstattung läuft schon. Es ist erst die zweite Partie des Turniers, die der 18-Jährige verfolgen kann.

Der Handballsport selbst ist es, der das Torwarttalent aus Bargteheide fast immer daran hindert, die Spiele zu schauen. 2009 wechselte der damals 14-Jährige vom heimischen TSV zur SG Flensburg-Handewitt, bezog das Internat der Spielgemeinschaft und durchlief von da an die Jugendmannschaften des Vereins. Seit dieser Saison gehört Rudeck zum Stamm der zweiten Herrenmannschaft (Dritte Liga), mit der er im Abstiegskampf wertvolle Erfahrungen sammelt. Einmal in der Woche trainiert er mit dem Bundesliga-Team, das im vergangenen Jahr den Europapokal der Pokalsieger nach Schleswig-Holstein holte. In einer gewöhnlichen Woche verbringt er jeden Tag zwischen den Pfosten oder im Kraftraum.

Einer Karriere als Handballer kommt er Schritt für Schritt näher. Seinen bislang größten Erfolg auf dem Weg dahin feierte er am 22. Juli 2012. "Es wäre ein Traum, bei der U-18-Europameisterschaft für Deutschland spielen zu dürfen", sagte Rudeck noch im Februar. Fünf Monate später hatte sich der Traum mehr als verwirklicht. Nach einem enttäuschenden 22:22 zum Auftakt gegen Island steigerte er sich mit dem Team als einer der zwei Keeper von Spiel zu Spiel und feierte schließlich im österreichischen Hard den 30:29-Finalsieg gegen Schweden. Rudeck entschärfte einen Siebenmeter und war Europameister. "Ein tolles Erlebnis", schwärmt der 1,95 Meter große Schlussmann.

Mittlerweile wohnt Rudeck nicht mehr im Internat, sondern in einem vom Verein angemieteten Mehrfamilienhaus, in dem ausschließlich Nachwuchsspieler der SG leben. Der Torwart teilt sich seine Räumlichkeiten mit zwei Teamkameraden. "Die aufgeräumteste Wohnung ist es nicht. Und manchmal gibt es Streit um die Waschmaschine. Aber insgesamt sind wir eine sehr unkomplizierte WG", so der Zwölftklässler. Bei den Lehrern des Flensburger Fördegymnasiums stößt er auf Verständnis, wenn er es mal nicht geschafft hat, seine Hausaufgaben im Bus während einer Auswärtsfahrt zu erledigen. Außer in Musik, wo es "schon beim Notenlesen hapert", kommt er trotzdem gut mit. 2014 will er das Abitur in der Tasche haben.

Schon zum zweiten Mal hintereinander ist Rudeck in Flensburg für die Wahl zum Talent des Jahres nominiert. Was bedeutet ihm seine erste Nominierung als Stormarns Sportler des Jahres? "Es ist toll, dass meine sportliche Entwicklung auch in meiner Heimat wahrgenommen wird." Etwa alle drei Wochen findet Rudeck neben Training und Schule die Zeit, nach Bargteheide zu fahren. Er wohnt dann bei seinen Eltern, was sich für ihn "wie Urlaub" anfühlt. Er sei immer froh, zu Hause zu sein. Aber Heimweh kenne er nicht.

Rudeck lebte sich in Flensburg schnell ein, wobei ihm seine aufgeschlossene Art zugute kam. Wenn er mit den Bundesligaprofis trainiert, hält er sich allerdings zurück. "Ich bin nicht schüchtern, aber als jüngster Spieler muss man seine Klappe halten und Lehrgeld zahlen", sagt er. Auch in der zweiten Mannschaft ist er der jüngste Akteur und steht somit, obwohl er schon eine feste Größe ist, in der Hierarchie ganz unten. Nach den Übungseinheiten sammelt er die Bälle ein. Probleme hat er damit nicht, mittelfristig aber soll sich sein Status verändern. Er weiß aber auch: "Um den Sprung in die Bundesliga zu schaffen, braucht man auch Glück. Ich muss von Verletzungen verschont bleiben und wenn meine Chance kommt, sofort voll da sein."

Schaut man sich die aktuelle Situation im Flensburger Kader an, spricht einiges für eine baldige Wachablösung. Der Vertrag von Sørenn Rasmussen, 36, läuft im kommenden Jahr aus. Mattias Andersson ist in Rudecks Augen der beste Torwart der Bundesliga, mit 34 Jahren aber auch nicht mehr weit von seinem Karriereende entfernt. Sein Kontrakt läuft noch zwei Jahre. Wird kein Ersatz verpflichtet, stünde Rudeck bereit - und schätzt die Situation dennoch nüchtern ein. "Auch für den Fall, dass es mit der Profilaufbahn nicht klappt, will ich gerüstet sein. Deswegen bemühe ich mich um einen guten Schulabschluss." Er setzt zwar alles daran, sein Geld mit dem Handball zu verdienen - aber nicht alles auf eine Karte.

18.39 Uhr. Zwischen Deutschland und Montenegro steht es 3:3. Endlich kann Rudeck auflegen und mittels der Taste mit dem Plus-Zeichen den Ton lauter stellen. Als er anderthalb Stunden später abschaltet, haben die Deutschen durch ein 29:21 den Sprung in die nächste Runde vorzeitig geschafft. So lässt es sich für ihn verschmerzen, wenn er am Freitag das letzte Vorrundenspiel gegen Frankreich verpasst.