Die Radsportlerin aus Lasbek gewinnt mit 67 Jahren in der Jedermann-Klasse den deutschen Meistertitel.

Lasbek. "Ich dreh eben mal eine Runde", sagt Erika Ringel und steigt auf ihr mattschwarzes Rennrad. Die knapp gehaltene Ankündigung der 67-Jährigen gilt ihrem Ehemann Reinhard, der sich darüber bewusst wird, dass er sich auf einen ruhigen, aber eher einsamen Nachmittag einstellen kann. "Wenn ich mich auf mein Rennrad setze, bin ich locker einige Stunden unterwegs. Da kommen schnell an die 100 Kilometer zusammen", sagt die 67-Jährige vom RV Trave Bad Oldesloe. Ein Trainingsaufwand, der sich für die Lasbekerin auszahlte: In ihrer Altersklasse gewann sie die Jedermann-Klasse des German Cycling-Cups - einer vom Bund Deutscher Radfahrer und dem Verband Deutscher Radrennveranstalter gemeinsam organisierten Rennserie für Hobbyradsportler. Damit ist sie so etwas wie deutsche Meisterin.

Die in Lasbek wohnende Ringel nahm an sieben Wertungsrennen über insgesamt 565 Kilometer teil. Sechs Mal überquerte sie in ihrer Altersklasse als Siegerin die Ziellinie, einmal musste sie sich mit dem zweiten Platz zufrieden geben. Ringel: "Die Konkurrenz ist in meiner Altersklasse natürlich nicht so groß, aber für mich ist einzig und allein das Durchhalten wichtig."

Vor gut 30 Jahren zog das Ehepaar Ringel aus Hamburg nach Stormarn ins beschauliche Lasbek. "Mein Mann war als Spediteur tätig und suchte eine verkehrsgünstigere Wohnlage." In einem nahe gelegenen Fitness-Studio machte Erika Ringel das erste Mal Bekanntschaft mit einem an den Rennradsport angelehnten Gruppentrainingsprogramm - dem sogenannten Spinning, ein Ausdauersport auf stationären Fahrrädern.

Noch war der Weg zum ersten eigenen Rennrad ein weiter - und so musste das gute, alte Dreigang-Fahrrad für die mittlerweile alljährlichen Urlaube auf der spanischen Ferieninsel Mallorca herhalten. Erst vor gut sieben Jahren durfte Erika Ringel ein gebrauchtes Rennrad eines Freundes ihr eigen nennen. "Der Rahmen war etwas zu groß für mich, aber kein Vergleich zu meinem alten Rad", erinnert sich die Lasbekerin.

Und es ging auf große Touren: ob 100-Kilometer-Tagesstrecken in Südafrika, ausgedehnte Serpentinenfahrten auf Mallorca oder beim rheinlandpfälzischen Rad am Ring über 75 Kilometer mit 1500 Höhenmetern und 216 Kurvenpassagen - das Ehepaar Ringel verschrieb sich mehr und mehr dem Radsport.

Im Mai 2007 startete Erika Ringel zum ersten Mal bei einem offiziellen Rennen, dem Gerolsteiner-Rad-Marathon - 55 anspruchsvolle Kilometer in der Eifel. "Ich dachte mir, das schaffst du nie. Am Ende reichte es aber für den 24. Rang in der Gesamtwertung und den ersten Platz in meiner Altersklasse", sagt die 67-Jährige, für die bis dahin der Begriff "Angst" beim Rennradfahren ein Fremdwort war - auch wenn sie mit mehr als 80 Kilometern pro Stunde bergab raste. "Bei Anstiegen fahre ich mit einem Höchstpuls von 156, bei einer Abfahrt sinkt der Puls bei mir nur geringfügig, dafür sorgt der Adrenalinschub", sagt Ringel.

Das mit der Unerschrockenheit änderte sich schlagartig durch den Erwerb ihres neuen Rennrades. "Es kommt mir nicht nur so leicht wie eine Feder vor, es ist auch verdammt schnell. Da muss ich etwas öfter bremsen", sagt Erika Ringel, die mittlerweile beim RV Trave Bad Oldesloe ihre sportliche Heimat gefunden hat.

"Mein Mann und ich fühlen uns sehr wohl dort. Wir unternehmen nicht nur interessante Ausfahrten, uns zeichnet auch eine sehr harmonische Gemeinschaft aus." Ein sportliches Ziel der 67-Jährigen in diesem Jahr ist die Titelverteidigung. Der erste wichtige Termin steht bereits: Am Sonntag, 28. April, startet der German-Cycling-Cup im niedersächsischen Göttingen seine "Tour d'Energie" - eine 100 Kilometer lange und sehr anspruchsvolle Strecke mit vielen Steigungen. Erika Ringel wird weiterhin dreimal pro Woche auf ihrem Rennrad ihre Runden quer durch Stormarn ziehen, sie will auf den Punkt genau fit sein. Dass Rennradsport gefährlich sei, könne sie nicht bestätigen, sagt Ringel. "Aber es gibt natürlich immer ein paar Idioten unter den Autofahrern, die uns mit hoher Geschwindigkeit und zu geringem Abstand überholen, oder uns durch gewisse Gesten versuchen deutlich zu machen, dass die Straße ihnen allein gehört."

Erika Ringel genießt die ausgedehnten Trainingsfahrten auf Stormarns Straßen. "Die Landschaft ist wunderschön und die Straßen und Wirtschaftswege bieten ideale Trainingsmöglichkeiten. Am liebsten fahre ich in der Zeit zwischen 13 und 17 Uhr, da arbeiten die meisten Menschen noch und der Verkehr hält sich in Grenzen", sagt die der Natur verbundene Lasbekerin, die ebenfalls die Berge und die Fortbewegung zu Fuß schätzt: Vor einigen Jahren führte sie eine vierwöchige Trekkingtour durch Nepal bis auf 5000 Meter hoch.

Mehr als zehn Jahre seines Lebens widmete das Ehepaar Ringel seine ganze Energie einer anderen Sportart - dem Schlittenhunderennen. "Unser Rudel bestand aus bis zu zehn Schlittenhunden. Jeder in Lasbek kannte uns. Wenn einer im Ort nach dem Weg fragte, hörte man häufig die Antwort: Da hinten, wo die Huskies wohnen, rechts abbiegen", so Erika Ringel, die damals selbst züchtete.

Unabhängig von den Jahreszeiten besuchte das Lasbeker Ehepaar an den Wochenenden Husky-Treffen oder Schlittenhunderennen - im Winter ließen sie sich von bis zu acht Hunden auf einem Schlitten ziehen, im Sommer ersetzte ein speziell angefertigter Rollwagen das winterliche Kufenfahrzeug.

Reinhard Ringel, der selbst immer noch an die 12.000 Kilometer im Jahr mit dem Rennrad absolviert, ist nach wie vor begeistert von seiner Ehefrau. "Ich staune immer wieder was meine Frau leistet und was für ein Durchhaltevermögen sie besitzt", sagt der 69 Jahre alte Rentner. "Und wir haben das große Glück, dass wir beide sehr intensiv gemeinsam ein und denselben Sport betreiben."