Große Ehre für Wolfgang Beckmann von der TSV Reinbek: Aikido-Bundestrainer verleiht ihm den fünften Dan

Reinbek. Der rücklings verdrehte Arm bereitet schon bei der kleinsten Bewegung höllische Schmerzen. Selbst der geringste Druck auf das unnatürlich angewinkelte Handgelenk lässt einem sofort die Tränen in die Augen schießen. Totale Bewegungsunfähigkeit - wie konnte das so schnell geschehen? Der kräftige Stoß an die Schulter des Gegenübers sollte doch nur etwas Respekt einflößen.

Für eine derartige Machtdemonstration ist Wolfgang Beckmann von der TSV Reinbek definitiv der falsche Gegner. Der ehemalige Mitarbeiter aus dem mittleren Management eines Hamburger Finanzinstituts hatte umgehend die entsprechende Antwort parat: Aikido, eine japanische Kampfkunst, deren Philosophie nicht in einem Sieg über den Angreifer liegt, sondern in der Überzeugungskraft, dass der Aggressor seine feindliche Einstellung aufgibt. "Diese theoretische Begriffsbeschreibung führt leider dazu, dass Aikido von vielen Menschen nicht ernst genommen wird", sagt Beckmann. Er und seine Frau Gisela sind Trainer im Verband Aikikai-Deutschland in Reinbek. "Wir betreiben realen Kampfsport, bei dem es schon mal richtig zur Sache geht."

Aikido basiert auf alten Jiu-Jitsu Grundlagen und Schwertkampf-Techniken. "Wir versuchen natürlich nicht, jemandem die Knochen zu brechen, aber ab und an wälzt man sich nach dem Training abends im Bett hin und her, weil einem die Glieder schmerzen", so Beckmann.

Dem 62-Jährigen aus Wentorf wurde nun eine große Ehre zuteil: In Würdigung seiner Leistungen für das Aikido erhob ihn Bundestrainer Katsuaki Asai, selbst ein direkter Schüler des Aikidobegründers Morihei Ueshiba, während eines Lehrgangs in Pulheim (bei Köln) in den Rang eines fünften Dan. "Es kam absolut überraschend für mich. Zum Abschluss von zwei anstrengenden Tagen hörte ich nur, wie mein Name aufgerufen wurde", so Beckmann.

Da im Aikido keine organisierten Wettkämpfe stattfinden, werden Dan-Prüfungen ohne vorherige Ankündigung bei Lehrgängen oder Seminaren vorgenommen. "Diese Graduierung ändert nichts an meiner Einstellung, aber es ist kein schlechtes Gefühl, bundesweit zu den höchstdekorierten Aikidoka zu gehören", sagt Beckmann, der seit 45 Jahren der asiatischen Kampfkunst verbunden ist.

Immer an seiner Seite Ehefrau Gisela, Trägerin des vierten Dan. "Wir beide sind nun schon seit 41 Jahren verheiratet. Wenn man bedenkt, dass ich in meiner Firma insgesamt 43 Jahre war und meinem Angelverein seit 30 Jahren angehöre, wird deutlich: Ich neige zur Langstrecke, auf Kurzstrecken habe ich nie den großen Erfolg gehabt", sagt Wolfgang Beckmann mit einem verschmitzten Lächeln.

An die Anfänge kann er sich gut erinnern. "Es war Ende der 60er-Jahre. Wir trainierten in einem knapp 80 Quadratmeter kleinen Dojo direkt am Bergedorfer Bahnhof, auf einer acht mal fünf Meter großen Matte. Duschen und Heizung waren für uns Fremdwörter", sagt Beckmann. Die im Winter durch Eiskristalle verzierten Fenster verdeutlichten auch optisch die Minusgrade, die in dem Raum herrschten. "Das war eine harte Zeit, die uns aber abhärtete. Das Wort Erkältung war für uns ein Fremdwort." Erst ein paar Jahre später sollte ein kleiner Gasofen für etwas bessere Trainingsbedingungen sorgen.

Das geringe Größe des Dojos barg noch einen weiteren Nachteil: Für Stock- und Schwertübungen waren die Decken zu niedrig. "Also trafen wir uns regelmäßig sonntagmorgens im nahe gelegenen Krähenwald, um bestimmte Techniken zu trainieren. Was die kleine Gruppe allerdings nicht bedachte: Es war Anfang der 70er-Jahre - die Baader-Meinhof-Bande wurde fieberhaft gesucht. "Deshalb zogen derartige Übungen nicht nur die argwöhnischen Blicke aufmerksamer Spaziergänger auf sich, auch die Polizei musste sich erst persönlich davon überzeugen, dass wir keine terroristischen Handlungen planten", sagt der Wentorfer.

1979 siedelte sich die Bergedorfer Aikido-Gruppe in der TSV Reinbek an. Mit ihren aktuell rund 130 Mitgliedern gehört sie zu einer der ältesten und größten Gruppen in Deutschland.

An fünf Wochentagen wird in Reinbek Aikido-Training angeboten. Die Kampfkunst kann auch im hohen Alter noch erlernt werden. Im Training wird nicht gegeneinander gekämpft, sondern miteinander geübt. Zudem ist Aikido eine effektive Form der Selbstverteidigung. "In einer Eins-gegen-Eins-Situation stehen wir relativ entspannt da, weil wir einfach noch nicht wissen, was auf uns zukommt. Wir brauchen die Bewegung nach vorne, um agieren zu können." Deshalb müssten Aikidotechniken und ihre Bewegungsstrategien in Fleisch und Blut übergehen.

"Wir blocken keinen Schlag ab oder weichen ihm aus, wie zum Beispiel ein Boxer es macht. Vielmehr versuchen wir, die Angriffsbewegung mit unserer eigenen Aktion zu vereinen und dadurch den Angreifer zu neutralisieren", sagt der 62-Jährige. "Wir arbeiten viel mit Hebeln und Wurftechniken. Aber auch wenn ich nur verteidige, greife ich im Grunde genommen an, indem ich bei der Abwehr meine Energie gezielt zur Ablenkung einsetze."