Das Hamburger Abendblatt stellt die Kandidaten der Sportlerwahl vor. Heute: Fußballfrauen des TSV Zarpen, die auf eigene Jugend setzen.

Zarpen. Irgendwann hat jemand diesen Kassettenspieler mitgebracht, der ja nicht eben ein besonders modernes Gerät ist, aber dafür groß und laut. Vor ihren Spielen lassen die Fußballerinnen des TSV Zarpen den Ghettoblaster laufen, und was dann durch die Mannschaftskabine schallt, nennt Horst Juhler "ganz spezielle Musik". Die Geschmäcker sind eben verschieden, erst recht zwischen einem 53 Jahre alten Trainer und einem Team mit einem Durchschnittsalter von gerade einmal 20,4. Juhler hat sich mit den ihm fremden Klängen arrangiert, denn als legales Aufputschmittel seines Teams tun sie treu ihren Dienst. Und in einem sind sich alle einig in Zarpen, dass sie gewinnen wollen, so oft wie möglich.

Im Stormarner Frauenfußball gibt es im Moment nicht viele Vereine, die so erfolgreich sind wie der TSV Zarpen. Von der "Mannschaft der Stunde" sprechen manche, seit der Klub im vergangenen Frühjahr nach nur einer Saisonniederlage Meister der gemeinsamen Kreisliga von Lübeck, Lauenburg und Stormarn wurde. In der Verbandsliga sind die Damen vom Dorf als Dritte nun sogar zur dritten Kraft im Kreis aufgestiegen, hinter dem FFC Oldesloe (Zweite Bundesliga) und dem SSC Hagen (Schleswig-Holstein-Liga).

Fußball ist in Zarpen Familiensache, und wenn Juhler als Gründer der Frauen- und Mädchenabteilung der Vater des Erfolgs ist, darf man Sabine Schlieker wohl die Mutter der Mannschaft nennen. Mit 41 Jahren ist sie der Oldie zwischen all den Teenagern und Twens. Als sie ihre Karriere erneut für ein Jahr verlängerte, hatte das auch damit zu tun, dass sie mit ihrer Tochter Florine zusammenspielen wollte. Die 16-Jährige rückte in dieser Saison vom Mädchen- in den Frauenbereich auf.

Aber das ist nicht die einzige Familiengeschichte vom TSV mit seinen vier Geschwisterpaaren, von denen eines Juhlers Töchter Sarah und Sina sind. Veronika Juhler, die Frau des Trainers, hat ihre aktive Laufbahn beendet, ist aber als Betreuerin stets dabei. So hat auch sie miterlebt, wie die Mannschaft 2010 den Kreisligatitel nur der schlechteren Tordifferenz wegen verpasste und dem TSV Siems den Vortritt lassen musste. "Danach haben wir uns den Aufstieg fest vorgenommen", sagt Horst Juhler. Er verstärkte den Kader aus dem eigenen Nachwuchs, Zarpen wurde mit sechs Punkten Vorsprung Meister.

Der Weg soll weitergehen, mindestens in die Schleswig-Holstein-Liga. "Die Mannschaft ist jung und noch lange nicht am Ende ihrer Entwicklung", sagt Juhler. Vor allem setzt er auf Kräfte aus der eigenen Jugend. Der von manchen erhoffte Boom nach der Frauenfußball-WM 2011 in Deutschland ist ausgeblieben, vor allem kleine Vereine suchen Spielerinnen. "Bei uns ist es das Konzept, konsequent auf den Nachwuchs zu setzen, das uns über Wasser hält", sagt Juhler. Knapp 100 Mädchen und Frauen kicken im Trikot des TSV.

Das größte Talent, das sie in Zarpen hervorgebracht haben, ist Stefanie Storm, eine Offensivspielerin erster Güte. Früher bekam sie Einladungen zu Lehrgängen der Juniorinnen-Nationalmannschaft, spielte dann beim FFC Oldesloe. Jetzt ist sie zurück, wollte kürzertreten im Sport. Storm ist eine von den vier, fünf Frauen im Team, denen Juhler eine gute Rolle in der Regionalliga zutraut, aber der Sprung zwei Klassen nach oben lockt nur wenige.

Dass eine Spielerin die Fußballfamilie Zarpen verlässt, kommt nur selten vor. Die Schwestern Juhler, Mutter und Tochter Schlieker, Stefanie und Laura Storm, Raphaela und Tatjana Franz, Denise und Nadine Böttcher, Janine Gauer, Marieke Gerstmann, Vanessa Giese, Elena Groß, Mandy Lüer, Janina Rohde, Dominique Schildt und Annika Seele verstehen sich prächtig. Ein bisschen weniger Harmonie wäre dem Trainer aber auf dem Feld recht. "Fair Play hat bei uns eine große Bedeutung", sagt er, "und wir wollen eine faire Mannschaft bleiben. Aber manchmal sind wir zu lieb, müssten körperbetonter spielen." Vor allem im Abwehrbereich sieht sich der Aufsteiger in der Verbandsliga neuen Herausforderungen ausgesetzt. Im Sturm läuft es mit 46 Toren aus zwölf Spielen nach Plan. Juhler: "Dort haben wir ein richtiges Luxusproblem."

Im Training messen sich die Frauen häufig mit dem dritten Männerteam des TSV und haben in den Sparringspartnern auch treue Zuschauer gefunden. Überhaupt ist der Frauenfußball in Zarpen etabliert. Ein fester Fankreis hat sich gebildet, zu den Spielen kommen mindestens 50 Besucher. Im Frauenfußball ist das schon eine ganze Menge.

Mit dem nächsten Aufstieg in diesem Jahr dürfte es trotz der guten Entwicklung wohl schwierig werden für den TSV, acht Punkte beträgt der Rückstand auf Spitzenreiter Ratzeburger SV. "Überhaupt muss sich zeigen, ob es die Mädels schon durchhalten können, konstant auf hohem Niveau zu spielen", sagte Juhler. Das größte Ziel für diese Saison ist daher der Einzug ins Kreispokal-Endspiel. Mitte März kommt der Favorit SSC Hagen, auf den Zarpen vor einem Jahr ebenfalls im Halbfinale getroffen war. Für das bittere 1:2 in letzter Minute will die Mannschaft Revanche. Sollte es klappen mit dem Überraschungssieg, könnte es unangenehm werden für Juhlers Ohren. Nach besonderen Erfolgen, so hört man, drehen die Spielerinnen ihren Ghettoblaster noch ein wenig lauter auf als sonst.