Fußballfest am Meessen. 1500 begeisterte Zuschauer sehen 6:1-Sieg der Bundesligaprofis gegen die Oberligamannschaft des OSV

Oststeinbek. Erst wolle er sich noch die Haare schön machen, ließ Felix Rehr aus der Mannschaftskabine ausrichten. Das Fernsehen musste warten. Und sowieso, der Stürmer des Fußball-Oberligaklubs Oststeinbeker SV hatte ja schon einmal alles erzählt für die anderen Journalisten, die Geschichte seines großen Moments. Es war wie ein Geschenk, als Rehr urplötzlich völlig frei auftauchte vor dem Tor des Hamburger SV, als er abzog und traf gegen das Urgestein der Bundesliga. "Mach das Ding bloß rein", habe er sich im Stillen gesagt in diesen ein, zwei Sekunden vor dem Schuss. "Dann war der Ball drin und ich wusste, dass ich alles richtig gemacht hatte." 1500 Zuschauer am Meessen applaudierten nach dem Ehrentreffer zum 1:6 (0:3)-Endstand, der aus Oststeinbeker Sicht so etwas wie das Sahnehäubchen war auf einem Nachmittag, an den sie beim OSV noch lange zurückdenken werden.

Wohl nie zuvor haben die Stormarner so gern verloren wie an diesem sonnigen Novembertag, der zum Fußballfest wurde für die 8000-Einwohner-Gemeinde am Hamburger Stadtrand. "Das Sportliche war sekundär", sagte sogar der sonst so ehrgeizige Trainer Stefan Kohfahl, der Initiator und Organisationschef der Partie. "Wir wollten nur nicht abgeschossen werden."

Nach Kräften wehrte sich Oststeinbeks Amateurteam gegen den übermächtigen Gast, der 13 Nationalspieler abstellen musste und trotzdem eine prominent besetzte Elf auf den Rasen brachte. In der zweiten Minute schon bekam Marcell Jansen zu spüren, warum sie beim OSV ihren Abwehrmann Samed Topuzovic einen "eisenharten Verteidiger" nennen. Und Torwart Christoph Werth, als Jugendlicher einst beim HSV zwischen den Pfosten, entschärfte gekonnt einen Distanzschuss Jansens und einen gefährlichen Kopfball Heiko Westermanns.

So hielt der Außenseiter länger ein 0:0, als es ihm viele zugetraut hatten, bis Westermann dann doch traf (22. Minute). Marcus Berg (33., 43., 69.), Kevin Ingreso (70.) und Robert Tesche (76.) erhöhten für die Profis aus der Hansestadt, bei denen Trainer Thorsten Fink mit Janek Sternberg einen Nachwuchsmann als Linksverteidiger aufbot, der in Stormarn beim SV Eichede gelernt hat.

Gastauftritte der Bundesligaprofis bei Amateurvereinen im Norden wird es in Länderspielpausen künftig wahrscheinlich häufiger geben, weil Fink derlei Tests befürwortet. An diesem Mittwoch reist er mit seinem Team nach Niedersachsen zum TSV Winsen. Der OSV könnte Wegbereiter für viele andere kleine Klubs sein, denn die Stormarner zeigten, wie auch mit einer kurzen Vorbereitungszeit von nicht einmal zwei Wochen ein solches Großereignis gelingen kann. Die Organisation war beinahe makellos, weil im Verein alle mit anpackten, weil die Freiwillige Feuerwehr überall half, wo sie gebraucht wurde und sogar noch Zeit fand, von ihrem Leiterwagen aus Panoramafotos zu schießen. Und weil auch von der Gemeinde die nötige Unterstützung kam.

Zweimal war eine HSV-Delegation zuvor am Meessen vor Ort gewesen, hatte sogar die Rasenlänge (zweieinhalb Zentimeter) vorgeschrieben. Das gepflegte Grün war dann gut bespielbar, nur Marcus Berg wird sich geärgert haben. Kurz nach der Halbzeitpause wollte der Schwede eine flache Hereingabe ins leere Tor schieben, doch der Ball hob von einer Bodenwelle ab und sprang über seinen Fuß.

Der große HSV als Gast der Feierabendkicker, das ist auch ganz im Sinne des Hamburger Fußball-Verbands (HFV). "Wir haben hier ein Ereignis, das wir nur begrüßen können", sagte HFV-Präsident Dirk Fischer. "Der Profi- und der Amateursport gehören zusammen, weil beide in der Nachwuchsförderung aufeinander angewiesen sind." In Oststeinbek entfachte der Auftritt der "Rothosen" vor allem Begeisterung. Ob unterm Strich auch ein finanzieller Gewinn für die in dieser Hinsicht nicht gerade auf Rosen gebetteten OSV-Fußballer steht, vermochte zunächst noch niemand abzuschätzen.

Die Zuschauer kamen allemal auf ihre Kosten, vor allem die vielen Kinder und Jugendlichen. Fink, nachdem er sich am Wurststand versorgt hatte, gab ebenso wie die meisten Profis trotz frostiger Temperaturen geduldig Autogramme, posierte für Fotos. Vor allem die Signaturen von Jansen, Westermann, Berg und Per Skjelbred waren bei den Fans gefragt. Aber auch Dennis Diekmeier, Michael Mancienne und David Jarolim, die allesamt in der Startformation standen, verewigten sich auf Trikots, Fahnen und HSV-Schals. Bei den Stormarnern schrieben Gideon Knüppe und Lamin Jawla besonders fleißig. "Die ganze Veranstaltung war eine runde Sache", sagte Kohfahl. Nur der Doppelschlag von Berg und Ingreso binnen einer Minute ärgerte ihn, "da waren wir nicht konzentriert". Er wird dieses Detail bald vergessen haben.

Oststeinbeks Spieler werden noch viel erzählen von ihrem Auftritt vor großer Kulisse. Nur selten zwar kamen sie gegen den hoch überlegenen Konkurrenten aus der eigenen Hälfte heraus, eines machten sie dann aber doch besser als die Profis. Während der HSV eine Reihe bester Möglichkeiten vergab, war der OSV vor dem Tor höchst effizient. Bevor Rehr traf, hatte nur Esmin Sejdi einen Schuss abgegeben, und obwohl der zaghafte Versuch aus der Distanz genau in den Armen von Schlussmann Tom Mickel landete, gab es für die Aktion in der 71. Minute Sonderapplaus.

"Wie der HSV spielt, das ist natürlich eine andere Welt", sagte Rehr. "Aber wir haben gut gekämpft." Später, als Oststeinbeks gefeierter Torschütze noch einmal zum Interview auf den Rasen zurückkehrte, wurde es schon dunkel. Die Fernsehleute mussten ihre Scheinwerfer einschalten. Heute Abend von 20.15 Uhr an berichtet der Sender Hamburg 1 in seinem Sportmagazin "Rasant" von der Partie. Dann kann Rehr am Bildschirm schauen, ob seine Frisur auch richtig saß.