Die 13 Jahre alte Hamburger Meisterin Malu Chayenne Heß startet bei einem internationalen Wettkampf in Bremen

Meddewade. Es ist kurz nach Mitternacht, und es ist ruhig geworden. Die Musik wurde vor zehn Minuten abgedreht. Die Notbeleuchtung verleiht der freien Eisfläche einen leicht grünlichen Glanz. Während die anderen Eiskunstläuferinnen schon längst in den Umkleidekabinen der Eissporthalle in Hamburg-Farmsen verschwunden sind, schnürt sich ein blondes Mädchen die Schlittschuhe. Zehn, höchstens zwölf Minuten will sie noch einmal auf das Eis. Allein, Sprünge üben.

"Eine besondere Uhrzeit. Und eine ungewöhnliche Atmosphäre, die einfach nur Spaß macht", sagt Malu Chayenne Heß mit leicht glänzenden Augen. Die 13-Jährige kommt aus Meddewade. Eiskunstlauf verbindet man nicht unbedingt mit dem 800-Seelen-Dorf zwischen Bad Oldesloe und Reinfeld. Die Schülerin der Oldesloer Ida-Ehre-Gemeinschaftsschule ist Stormarns beste Eiskunstläuferin. Vor Kurzem verteidigte sie bei den Hamburger Landesmeisterschaften ihren Titel. Trainer Henrik Sachs vom Hamburger Schlittschuh-Club dämpft aber die Euphorie: "Man lernt, in diesem Sport realistisch zu bleiben. Das war noch kein Gradmesser für uns."

Die nächsten Wettbewerbe dagegen haben es in sich. 173 Teilnehmer aus Deutschland, Holland, Belgien und Lettland starten an diesem Wochenende beim Paradice-Cup in Bremen. Ein anspruchsvoller Wettkampf: eine Spiralschrittfolge, zwei Pirouetten, zwei Doppelsalchow, drei Axel und einen Toeloop wollen die Punkterichter sehen, zwei der sechs Sprünge müssen mit einem weiteren Sprung kombiniert werden. Eine Woche später zum Abschluss der Saison folgt der eigentliche Höhepunkt - der Wettbewerb um den 18. Internationalen Hamburger Michel in Farmsen. Veranstalter ist der Hamburger Schlittschuh-Club.

"Dieser Wettkampf ist vom Anspruch her mit dem in Bremen gleichzusetzen. Nur haben wir für Norddeutschland einmalig das neue New Judging System, ein hochwertiges Wertungssystem mit neuester Kamera- und Computertechnik", sagt Sachs.

Normalerweise stehen Malus Chancen nicht schlecht. Aber was heißt schon normal im Sport. Vor 14 Tagen fing es an: ein schmerzhafter Hustenreiz, starke Kopfschmerzen, leichtes Fieber - die Symptome einer Bronchitis. Vergangenen Dienstag dann endlich die Entwarnung: Malu durfte zurück auf das Eis. "Wir hoffen, dass die paar Einheiten für einen Start in Bremen ausreichen. Der Trainingsrückstand kann sowieso nicht mehr aufgeholt werden", sagt Mutter Roswitha Heß. Sie hatte ein Auge darauf, dass ihre Tochter nicht zu früh wieder mit Sport begann.

"Ihre Stärken liegen im Ausdrucksverhalten und ihrer Präsenz auf dem Eis", sagt Trainer Sachs. Und genau damit könne Malu bei beiden Wettkämpfen ihren Trainingsrückstand wettmachen.

Die Familie steht geschlossen hinter dem Hobby des Teenagers. Ehrgeizig seien alle, aber nie übertrieben ehrgeizig. Malus wöchentliches Trainingspensum wäre ohne den zeitlichen Einsatz der Mutter gar nicht machbar. "Die Trainingsmöglichkeiten im Umkreis von 50 Kilometern sind alles andere als ideal. Die Zeiten, in denen ich auf das Eis kann, sind eben sehr begrenzt", sagt Malu.

Zwei- bis dreimal die Woche trainiert die 13-Jährige, intensiv und manchmal auch lange. In der Farmsener Eissporthalle stehen sonnabends Trockentraining und Laufschule auf dem Programm. Danach geht es für eineinhalb Stunden auf das Eis. Wenn nach dem Training die anderen Läuferinnen bereits auf dem Weg nach Hause sind, gehen Malu und ihre Mutter shoppen oder eine Kleinigkeit essen. Von 22.30 Uhr an werden dann noch einmal Sprünge und Schrittfolgen auf dem Eis geübt. "Absolut meine Zeit, ich bin ein Nachtmensch", sagt Malu.

Für Roswitha Heß sind die Zeiten kein Problem: "Wir unterstützen unsere Tochter in allen Belangen, üben aber keinerlei Druck auf sie aus. Wenn sie nicht mehr will, soll sie sofort aufhören." Mit sechs Jahren stand Malu Chayenne das erste Mal auf Schlittschuhen. Mit neun nahm sie eine Auszeit. "Ich hatte einfach keine Lust mehr auf das Training, seit längerer Zeit auch nichts mehr dazugelernt", sagt Malu. Diese Phase hielt aber nicht lange an.

"Was soll ich denn ohne Schlittschuhlaufen machen?", fragte die Neunjährige eines Abends ihre Mutter. Es gab nur eine Antwort, und die führte zurück aufs Eis. Nur wenig später gab's einen Rückschlag. Nach wochenlangem starken Husten wurde bei ihr Kälte-Asthma diagnostiziert. "Mit zweimal täglichem Inhalieren bekomme ich es aber ganz gut unter Kontrolle," sagt Malu Chayenne.

Und welche Erwartungen hat sie selbst für die beiden bevorstehenden Wettkämpfe? "Eine gute Kür laufen, nicht hinfallen und meinen Trainer zufriedenstellen", sagt sie. Profi-Eiskunstläuferin zu werden ist für Malu eher ein Traum als ein realistischer Gedanke. "Für eine Karriere als Eiskunstläuferin hätte ich schon frühzeitig in eine professionelle Förderung gemusst", sagt sie. Talente gingen mit elf, zwölf Jahren in ein Leistungszentrum oder ein Sportinternat mit fünf bis sechs Stunden Training täglich und nebenbei Schule. Da sei manchmal der Ehrgeiz der Eltern größer als der der Kinder.

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