Von Anne Müller

Aumühle.
Er hat in seinem Berufsleben mehr als 1000 tote Opfer eines Gewaltverbrechens gesehen. Auch nach seiner Pensionierung lässt ihn die Kriminalität nicht los. Axel Petermann (62) ist Profiler und hat sich inzwischen auch als Autor einen Namen gemacht. Seine Bücher wie "Im Angesicht des Bösen" (Rowohlt 2012) stürmten die Bestsellerlisten. Das jüngste Taschenbuch "Der Profiler: Ein Spezialist für ungeklärte Morde berichtet" ist im Juni im Heyne Verlag erschienen.

Besonders bizarre Verbrechen und lange zurückliegende ungeklärte Fälle sind sein Metier. Einige Erfahrungen des ehemalige Leiters einer Mordkommission fließen seit 2000 auch in den Bremer "Tatort" ein. Egal ob Wut, Eifersucht, Geld oder Hass der Grund für einen Mord ist, er entziffert die Handschrift des Täters. Am Dienstag, 22. September, ist Petermann im Augustinum (Mühlenweg 1) zu Gast. Ab 19 Uhr liest er aus seinen ungewöhnlichsten Fallberichten. Als Einstimmung beantwortet er uns, was ihn an der Arbeit bewegt.

Welcher Fall aus Ihrer Berufspraxis lässt Sie auch im Ruhestand nicht los?

Es sind leider noch zwei Verbrechen, die mich auch heute noch beschäftigen: zwei in einer Nacht in ihren Autos erschossene Frauen. Das erste Opfer in Bremerhaven, das zweite wenige Stunden später in Bremen. Das alles geschah vor 20 Jahren. Und dann gibt es noch den Mord an Adelina. Die Zehnjährige starb im Juni 2001, ihre Leiche wurde drei Monate später in einem Wald mehrere Kilometer von Bremen entfernt aufgefunden.

Gibt es nach so vielen Jahren noch Ansatzpunkte?

Ich bin auch bei lange zurückliegenden Mordfällen immer optimistisch, schließlich konnte ich in meiner aktiven Zeit auch nach Jahrzehnten mehrere Tötungsdelikte aufklären. Den am längsten zurückliegenden Fall nach fast 40 Jahren. Das war ein Mord an einer 17-Jährigen gewesen, die in den frühen Mai getanzt hatte und gegen 23 Uhr mit dem Zug nach Hause fahren wollte. Dort ist sie nie angekommen, denn am Bahndamm wurde sie von ihrem Mörder überfallen. Ein Fall, der mein Berufsleben bestimmen sollte, denn als junger Bereitschaftspolizist hatte ich mit vielen anderen jungen Kollegen das Gelände um den Tatort abzusuchen. Dabei wurde mir klar, dass ich zur Kriminalpolizei und in die Mordkommission gehen würde, auch um dieses Verbrechen aufzuklären. Fast 40 Jahre später, vor meiner Pensionierung, gelang dies auch.

Wie schaffen Sie es, sich in die kranken Gedanken- und Handlungen eines Serientäters hineinzudenken?

Ich analysiere das Tatgeschehen. Täter haben - wie alle anderen Menschen auch - Bedürfnisse, die sie bei Verbrechen realisieren wollen. Die Bedürfnisse hinterlassen Spuren am Tatort, am Opfer - die Art der Verletzungen, die Todesart, der Umgang mit der Leiche. Wenn es mir gelingt, den Ablauf der Tat genau zu rekonstruieren und das Geschehen zu verstehen, ergeben sich zwangsläufig Hinweise auf das Motiv des Täters und seine Persönlichkeit. Bei dieser Herangehensweise ist wichtig, dass ich mich nicht von einzelnen Details der Tat beeindrucken lasse, sondern die Gesamtheit der Spuren betrachte. Natürlich kann ich mich nicht in jede Fantasie eines Täters hineinversetzen und diese verstehen, das würde ich auch gar nicht wollen. Aber es ist schon wichtig, wenn ich erkenne, dass es sich um die Umsetzung von lange gehegten ungewöhnlichen sexuellen Fantasien handelt.

Wenn Sie einen Krimi schreiben würden, wie sähe der Plot aus?

Darüber habe ich mir häufiger Gedanken gemacht. Sicherlich würde einer meiner realen Fälle als Vorlage dienen, wie in meinen Büchern. Vermutlich würde ich viel Kraft für die Beschreibung der Psyche eines Serienmörders aufwenden und Impressionen meiner Gespräche mit diesen Tätern einbringen. Auf jeden Fall würde es um Rätsel gehen, vor denen die Ermittler stehen, aber auch in gewisser Weise um den Zweikampf der Protagonisten: Kommissar und Mörder.