Reinbek
(lr).
Dass Vierjährige tagsüber im Wald betreut werden, ist für die Besucher aus Fernost schon ungewöhnlich. Dass die Kleinen selbstverständlich mit Messern schnitzen dürfen - "kaum noch zu glauben", sagt Maiko Fried. Die 33-jährige Deutsche mit japanischen Wurzeln übersetzt für zehn Erzieher, die aus Japan kommen und derzeit durch Deutschland reisen. Gestern haben sie am Bauwagen des Waldkindergartens Reinbek haltgemacht. Und der Grund für den ungewöhnlichen Besuch aus Fernost liegt genau drei Jahrzehnte zurück.

1985 waren Videospiele wie "Super Mario" gerade auf dem Vormarsch. Hier witterte ein japanischer Kaufmann sein Geschäft: Um den Videospielen etwas entgegenzusetzen, begann er, Holzspielzeug aus Deutschland zu importieren und an Kindergärten in Japan zu verkaufen. "Er wollte damit die Fantasie der Kinder wieder anregen", sagt Dolmetscherin Maiko Fried.

Um Holzeisenbahn, Bauklötze und Murmelbahn angemessen verkaufen zu können, reiste der Importeur nach Deutschland, besuchte Kindergärten und ließ sich von den Erziehern das Spielzeug erklären. "Später nahm er mehrere Erzieher mit, die lernen sollten, wie hier pädagogisch gearbeitet wird", sagt Fried. Die Reisen wurden zunehmend beliebter: Heute organisiert Fried mit ihrer Mutter Naomi im Auftrag des Spielzeugimporteurs einmal jährlich eine Reise für etwa 20 Erzieher aus ganz Japan. Die Reise zeugt von großem Engagement: Die Erzieher müssen die Kosten dafür nahezu komplett selbst tragen und ihren Jahresurlaub für den zehntägigen Besuch nehmen. Eine Station ist in diesem Jahr der Waldkindergarten Reinbek.

Leiterin Ulla Fürst-Hagemeister betrachtet den Besuch als Gewinn: "Es ist spannend zu erfahren, dass Erzieher in Japan eine höheres Ansehen genießen als hier", sagt sie. Die Japaner seien davon überrascht gewesen, wie selbstständig die Kinder die Zeit in der Waldkita verbringen. "In Japan bringt man den Kindern noch nicht so viel Vertrauen entgegen", sagt Maiko Fried.

Gemeinsamkeiten gebe es dafür an anderer Stelle: "Wir lernen auch Origami, die Kunst des Papierfaltens", sagt Ulla Fürst-Hagemeister. Und in Japan würden dafür die Märchen der Brüder Grimm immer beliebter.