Reinbek
(amü).
Für Angela Obenland (49) war von einem Tag auf den anderen alles plötzlich ganz anders. Die Betreuung ihrer dementen Mutter haben sich die drei Geschwister aufgeteilt. Doch nachdem die 89-Jährige im Haus gestürzt und mit einer Oberschenkelfraktur ins Krankenhaus gekommen war, standen die Angehörigen vor nun neuen Problemen, die unvorbereitet neben dem Berufsalltag bewältigt werden mussten.

Ihre Mutter war noch nach dem Krankenhausaufenthalt ans Bett gefesselt. Zum Glück erfuhr die Reinbekerin schon im Krankenhaus St. Adolf-Stift von einem Modellprojekt der AOK und der Universität Bielefeld, das auch vom Reinbeker Krankenhaus unterstützt wird: "Ich hatte den Flyer auf der Station an der Pinnwand gesehen." Ausgebildete Pflegetrainerinnen schulen Angehörige in den ersten Wochen auch zu Hause.

Christina Exner (28) ist Gesundheits- und Krankenpflegerin und seit 2014 auch eine der beiden Pflegetrainerinnen im Reinbeker Krankenhaus. Noch am Patientenbett zeigte sie Angela Obenland, wie sie ihre Mutter anhebt, ohne dabei den eigenen Rücken zu belasten. Auch Tipps zur Hautpflege, zur Ernährung oder das Erlernen von Blutzuckermessungen stehen auf dem Stundenplan. "Wir wussten erst überhaupt nicht, was wir mit einer Bettlägerigen machen sollen. Das war eine große Hilfe und durch die Tipps auch eine körperliche Entlastung", sagte Angela Obenland.

"Bis zu sechs Wochen nach der Entlassung bieten wir an, die Angehörigen für jeweils 30 bis 45 Minuten zu Hause aufzusuchen und Pflegeleistungen einzuüben", so Exner.

Ihre Hilfe ist gefragt, wenn die Familie nach einem Krankenhausaufenthalt oft unvorbereitet schnell Entscheidungen zur weiteren Versorgung ihres pflegebedürftigen Angehörigen treffen muss. "Nicht selten wird der Übergang vom Krankenhaus in die häusliche Versorgung als Krise erlebt", weiß Exner, die mit ihrer Familie von Berlin nach Reinbek gezogen ist. Die voll berufstätige Mutter zweier Mädchen weiß, vor welche Herausforderungen einen die häusliche Pflege stellt. "Den Familien vermitteln wir deshalb auch, wie sie ein Netzwerk knüpfen, damit die Verantwortung nicht auf den Schultern eines Angehörigen allein lastet."

Kosten trägt die AOK

Die Kosten des Modellprojekts trägt in Schleswig-Holstein die AOK Nordwest. Profitieren können alle pflegenden Angehörigen, unabhängig welcher gesetzlichen Pflegekasse sie angehören. Im Jahr 2015 sind 35 Krankenhäuser und zwölf Psychiatrien in Schleswig-Holstein am Projekt beteiligt, in der Region neben dem St. Adolf-Stift das Johanniter Krankenhaus Geesthacht, Vitanas Geesthacht und die Lungenklinik Großhansdorf. Im Dezember 2013 waren in Schleswig-Holstein 87 774 Menschen pflegebedürftig. Knapp 61 Prozent wurden zu Hause versorgt.