Reinbek.
Multiresistente Keime werden immer mehr zum Problem. Je laxer Ärzte, Patienten und Massentierhalter mit Antibiotika umgehen, je stärker steigt die Zahl der Resistenzen, eine Gefahr besonders für geschwächte Menschen und frisch Operierte. Geschätzt 15 000 Menschen sterben in Deutschland an Killerkeimen. Der Gesetzgeber schreibt vor, dass Krankenhäuser bis 2017 je nach Klinikgröße Fachpersonal für Hygiene vorhalten müssen. Das Krankenhaus Reinbek erfüllt diesen Standard bereits jetzt. Eine Krankenhaushygienikerin und zwei Hygienefachkräfte werden unterstützt von gut 20 geschulten Pflegekräften und fünf Ärzten. Drei Spezialistinnen erklären im Interview mit bz-Redakteurin Anne Müller, wie wichtig diese Aufgabe ist.

Viele Menschen haben Angst, sich in Kliniken mit multiresistenten Keimen zu infizieren. Wie groß ist das Risiko?

Angelika Kubitzki, Hygienefachkraft:
(MRSA: Methicillin-resistenter Staphylococcus aureus)
Seit vielen Jahren machen wir bei Risikopatienten nach der Krankenhausaufnahme Abstriche zur mikrobiologischen Untersuchung. Unsere statistischen Auswertungen der MRSA-Fälle

Warum werden "Super-Bakterien" immer gefährlicher. Wie wird zum Beispiel der multiresistente Staphylococcus MRSA übertragen und wo entsteht er?

Dr. Elke Wittkowski, Hygienefachkraft:
Die Multiresistenz der Bakterien gegenüber Antibiotika ist eine Folge der häufigen Anwendung dieser Medikamente. Dies betrifft neben der Behandlung im Krankenhaus auch die ambulante Therapie. Das Hauptproblem aber ist der Antibiotikaverbrauch in der Massentierhaltung, der den Verbrauch in der Humanmedizin um mehr als das Doppelte übersteigt. Die Bakterien können ihren Stoffwechsel durch den dauernden "Antibiotikabeschuss" derartig verändern, dass diese Medikamente schließlich unwirksam werden. Die Übertragung eines MRSA erfolgt meist bei direktem Kontakt, man nennt dies Schmierinfektion.

Wenn in der Massentierhaltung so viele Antibiotika gegen Keime gegeben werden, sind diese Keime wie MRSA dann auch in dem Fleisch, das wir essen?

Dr. Elke Wittkowski:
Ja, auch das Fleisch ist "besiedelt", vor allem Schweinefleisch und Pute. Wenn man es gründlich durcherhitzt, sterben die Keime zwar ab. Aber Achtung ist bei der Küchenhygiene geboten. Sprich, wenn ich Fleisch anfasse und meine Hände nicht wasche oder auf dem gleichen Brett den Salat schneide, der nicht erhitzt wird, nehme ich über den Salat Keime auf, auch wenn diese mir als gesunder Mensch erst einmal nichts tun.

Wie viele Menschen tragen MRSA in sich, ohne dass sie daran erkranken?

Pia Nevermann:
Die meisten Menschen tragen diverse Bakterien, also auch MRSA in oder auf sich ohne jegliche Krankheitserscheinungen - man spricht dann von einer Besiedlung. Wenn der Patient geschwächt ist, zum Beispiel durch eine andere Erkrankung oder eine Operation, kann es zu einer Infektion kommen. So ist der MRSA ein gefürchteter Erreger von Wundinfektionen nach einer Operation.

In Holland gibt es bei der Patientenaufnahme Eingangs-Screenings, dort liegen die MRSA-Nachweisraten im einstelligen Prozentbereich. In Deutschland fallen sie weitaus höher aus, wäre die Einführung solcher Tests auch hier angesagt?

Dr. Elke Wittkowski, Krankenhaushygienikerin:
Das Gesundheitssystem in den Niederlanden unterscheidet sich grundlegend von dem deutschen. Dies betrifft sowohl den Personalschlüssel als auch die bauliche Situation, bei der deutlich mehr Einzelzimmer mit der Möglichkeit zur vorbeugenden Isolierung vorgehalten werden. Sprich, die Politik ermöglicht dadurch ein anderes Arbeiten. Die Vorgehensweise in den Niederlanden ist ausgesprochen erfolgreich. Mittlerweile wird auch bei uns der Krankenhausbetrieb dahingehend organisiert, und bei Neubauvorhaben werden immer mehr Einzelzimmer eingeplant. Der Eingangstest ist auch in Deutschland seit Jahren etabliert. Bei der Aufnahme ins Krankenhaus Reinbek werden deshalb bei jedem Patienten bekannte Risikofaktoren abgefragt. Sind diese erfüllt, so schließt sich eine mikrobiologische Untersuchung verschiedener Abstriche an. Bei einem positiven Befund werden die Patienten umgehend isoliert, bei bestimmten Konstellationen auch vorbeugend, bevor das Ergebnis des Abstrichs vorliegt.

Wie häufig kommt das vor?

Dr. Elke Wittkowski:
Im vergangenen Jahr 2014 wurde ein Aufnahmescreening bei 42 Prozent unserer Patienten durchgeführt (insgesamt 7111 Abstriche). Der Anteil von MRSA-Patienten ist in Deutschland regional sehr unterschiedlich. In unserem Krankenhaus waren knapp vier Prozent aller im Aufnahmescreening von uns untersuchten Patienten bereits besiedelt oder infiziert, das ist relativ wenig.

Was tut das Krankenhaus St. Adolf-Stift, um Patienten vor einer Infektion zu schützen?

Pia Nevermann:
Mitarbeiter können sich am besten schützen, indem sie vor allem die Händehygiene einhalten. Jede Pflegekraft und jeder Arzt lernt das in der Ausbildung. Die Aufgabe der Hygieneabteilung ist es, das Wissen der Mitarbeiter auf dem neuesten Stand zu halten. Wenn Patienten mit multiresistenten Keimen identifiziert sind, wird für das Personal und die Besucher eine Schutzausrüstung vorgehalten, das heißt, vor dem Zimmer steht ein Wagen mit Schutzkitteln, Handschuhen und Mundschutz, die anzulegen sind. Für Besucher ist es ebenfalls wichtig, sich beim Betreten und Verlassen des Krankenhauses die Hände zu desinfizieren. Hierzu stehen an allen Eingängen und auf den Stationen Desinfektionsmittelspender bereit.

Wie haben Sie sich für diese Aufgabe qualifiziert?

Pia Nevermann
: Die zweijährige Ausbildung zur Hygienefachkraft baut auf einer Krankenpflegeausbildung auf und ist berufsbegleitend. Sie beinhaltet ein Theoriestudium über 720 Unterrichtsstunden und Praktika über insgesamt 30 Wochen. Am Abschluss steht eine staatliche Prüfung. Angela Kubitzki hat die Ausbildung 2010 abgeschlossen, ich vor Kurzem.

Dr. Elke Wittkowski:
Die Ausbildung zum Krankenhaushygieniker als ärztliche Funktion ist erst vor wenigen Jahren entwickelt worden. Sie hat eine abgeschlossene Facharztausbildung zur Voraussetzung und folgt einer Fortbildung über mindestens zwei Jahre in Supervision durch einen erfahrenen Facharzt für Hygiene, verbunden mit Theoriekursen und Praktika. Diese Zusatzausbildung habe ich im Juli abgeschlossen. Solange wurde das Krankenhaus von einer externen Krankenhaushygienikerin beraten.

Was ist die Hauptaufgabe einer Hygieneabteilung?

Angela Kubitzki:
Der Hygienebereich wird von unserer Krankenhaushygienikerin, Dr. Wittkowski, geleitet. Sie berät die Krankenhausleitung in allen Fragen der Hygiene zum Schutz der Patienten und des Personals vor Infektionen. Gemeinsam mit uns Fachkräften aus der Pflege stellt sie Hygiene- und Desinfektionspläne auf, in denen für die Mitarbeiter genaue Anweisungen zu den verschiedensten Tätigkeiten festgelegt werden, wie zum Beispiel der Umgang mit Patienten mit einem multiresistenten Erreger. Auch regelmäßige Schulungen der verschiedenen Mitarbeiter gehören dazu.