Von Susanne Holz

Reinbek
. Auf Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) ist Lothar Obst derzeit gar nicht gut zu sprechen. Den Gesetzentwurf zur Krankenhausreform, den Gröhe am 11. Juni vorgelegt hat, nennt der kaufmännische Direktor des Krankenhauses St. Adolf-Stift (313 Betten, 585 Mitarbeiter) schlicht einen "absoluten Witz". Die von Gröhe bis 2018 versprochenen zusätzlichen 6000 Stellen in der Krankenpflege seien völlig inakzeptabel. Bedeute dies runtergerechnet auf 2000 Krankenhäuser doch nur drei Stellen pro Klinik. "Gröhe stellt dafür jährlich nur 300 Millionen Euro bereit, und das, obwohl die Krankenkassen derzeit Rücklagen in Höhe von 24 Milliarden Euro haben", sagt Obst. Ihm ist mittlerweile völlig schleierhaft, wie Krankenhäuser unter diesen Bedingungen überhaupt arbeiten sollen.

Aus seiner Sicht habe der Bundesgesundheitsminister ein Konzept vorgelegt, das nur eines sei: "Es ist ein gigantisches Krankenhausschließungsprogramm. Die Schraube wird so weit zugedreht, bis den Letzten die Luft ausgeht."

Vor diesem Hintergrund war es für den Krankenhauschef selbstverständlich, dass sich das St. Adolf-Stift an der bundesweiten und von der Gewerkschaft Ver.di initiierten Demonstration für mehr Krankenhauspersonal beteiligt. Etwa 130 Mitarbeiter stellten sich um 13 Uhr vor das Portal an der Hamburger Straße, um ihrer Forderung mit Transparenten Nachdruck zu verleihen. Die Schilder mit Zahlen, die sie zudem in die Höhe hielten, symbolisierten die Personalstellen, die bundesweit laut einer Ver.di-Schätzung fehlen.

"Wir haben alle Krankenhäuser in Deutschland angeschrieben und zur Teilnahme aufgefordert. Besonders schnell kam eine positive Rückmeldung von den konfessionell gebundenen Häusern. Ihnen liegt das Thema besonders am Herzen", hat Imke Wriedt, Ver.di-Gewerkschaftssekretärin, festgestellt.

Die Frage, wie viele Stellen konkret in Reinbek fehlen, lässt Lothar Obst unbeantwortet. Fest steht: Auch das Reinbeker Haus, das eine gemeinnützige Gesellschaft des Elisabeth Vinzenz Verbundes ist, benötigt mehr Personal.

"Wir schieben jährlich 15 000 Überstunden vor uns her. Abgebummelt werden können sie nicht, denn dann machen wieder andere Mitarbeiter Überstunden, um die fehlenden Kollegen zu ersetzen", sagt Mitarbeitervertreter Andreas Hein. Die Kollegen fühlen sich dem familiär geführten Haus sehr verbunden. Die meisten bleiben trotz der hohen Arbeitsbelastung ihrem Arbeitgeber über Jahrzehnte treu und kündigen nicht, wie im Pflegebereich üblich, nach rund fünf Jahren ihren Job. "Sie arbeiten bis zur Erschöpfung, aber das Ende der Fahnenstange ist bald erreicht", warnt Hein. "Die Leute können irgendwann einfach nicht mehr."

Das Dilemma habe, so Obst, 1996 seinen Anfang genommen. Seitdem gibt es keine gesetzliche Regelung mehr, dass die Tariferhöhungen für Mitarbeiter mit in das den Krankenhäusern zugewiesene Budget eingerechnet werden. Folge: Die Kliniken zahlen immer drauf.

"900 von 2000 Kliniken in Deutschland schreiben rote Zahlen. Und das liegt nicht daran, dass sie schlechte Arbeit machen", betont Obst. Sie können die laufenden Kosten einfach nicht mehr auffangen. "Und genau das wollen wir jetzt stoppen."