Von Anne Müller

Reinbek.
Der Zustrom von Flüchtlingen setzt das Rathaus zunehmend unter Druck. Wohncontainer müssen dort schnell aufgestellt werden, wo sich ohne lange Vorplanung Flächen anbieten. Das führt jetzt im Krabbenkamp zum Streit mit Anwohnern, der inzwischen bis zum Innenministerium ausstrahlt. Bürgermeister Björn Warmer bezog gestern im Rathaus Stellung. "Wir stehen mit dem Rücken an der Wand", sagte er in Hinblick auf die Aufnahme-Quoten, die Reinbek erfüllen muss.

119 Flüchtlinge sind aktuell in der Stadt untergebracht. 20 mehr hätten es bereits sein müssen. "Dafür springen jetzt Nachbarkommunen für uns ein." Bürgeramtsleiter Torsten Christ machte klar, dass die Lage sich nicht entspannen wird. "Pro Woche müssen wir fünf bis sechs weitere Flüchtlinge aufnehmen." Und deshalb halte die Stadt auch am aktuellen Projekt fest, am Krabbenkamp eine Notunterkunft für weitere 32 Flüchtlinge zu bauen. Die ersten der 16 Modul-Container sind gestern eingetroffen. "Zum 1. Juli sollen sie bezugsfertig sein", kündigte Bauamtsleiter Sven Noetzel an.

Vor allem aus der ersten Reihe der Anwohner hat es viele Einwände gegen den planerischen "Schnellschuss" gegeben. Zuletzt haben sie wie berichtet das Innenministerium eingeschaltet, um einen Baustopp zu erwirken.

Das sei nicht der richtige Adressat, erklärte Noetzel gestern. "Dafür wäre die Untere Bauaufsicht, also die Stadt zuständig", fügte er hinzu. Der Vorstoß habe auch beim Ministerium als oberste Fachaufsicht zu Irritationen geführt, die in Gesprächen mit der Stadt nun geklärt werden sollen. "Das Ministerium hat uns mitgeteilt, dass es Kontakt zu uns aufnehmen werde", so Noetzel. Den Bau der Notunterkunft, der in vollem Gange ist, sieht er nicht gefährdet: "Die Baugenehmigung ist nicht angreifbar." Bürgermeister Björn Warmer bestärkt ihn: "Es gibt eine Rechtsgrundlage, nach der Nachbarn beteiligt werden müssen, aber die greift hier nicht." Dennoch sei die Stadt im Dialog mit den Anwohnern, um Ängste auszuräumen.

Für Peter Boysen und Mitstreiter, die 100 Unterschriften unter 850 Krabbenkampern gesammelt haben, ist das ein Alibi-Bekenntnis. Er fürchtet, dass die Unterkünfte noch weiter ausgebaut könnten und zur Dauereinrichtung werden. Um das zu verhindern, seien sie mit einem Kompromissvorschlag auf die Stadt zugegangen: Die zwei bestehenden Notunterkünfte hätten um zwei gleiche Häuser für insgesamt 28 Flüchtlinge erweitert werden können. Mit dem Ziel, sie später als Treffpunkt für den Stadtteil zu nutzen. "Darauf ist jedoch niemand eingegangen. Stattdessen schafft die Stadt jetzt Fakten", klagt Boysen. Bestätigt das Innenministerium den Bau, wollen sich die Anwohner rechtliche Schritte vorbehalten.

Aus Kiel gibt es noch keine Stellungnahme. Derzeit werde der Antrag auf sofortigen Baustopp für die Flüchtlingsunterkünfte geprüft, erklärt Ove Rahlf, Sprecher des Innenministeriums. Die zuständige Fachabteilung im Innenministerium entscheide dann über das weitere Vorgehen.

Bürgeramtsleiter Torsten Christ sieht die Willkommenskultur durch die Einwände nicht gefährdet. Mehr als 100 Reinbeker hätten sich der Initiative "Wir sind Reinbek, unsere Stadt mit Flüchtlingen", angeschlossen. Sprachkurse werden organisiert, Patenschaften vermittelt. Auch 16 Krabbenkamper haben sich gemeldet, um sich um die Flüchtlinge zu kümmern.