Reinbek
(amü).
Das Interesse an dem abstrakten Thema hat Diskussionsleiter Günther Herder-Alpen dann doch überrascht. Mehr als 100 Gäste drängten Mittwochabend in die Rathauskantine, um Informationen zum derzeit hochaktuellen TTIP (Transatlantik Trade and Investment Partnership) zu erhalten. Auf Einladung des Ortsverbandes der Grünen war der Landtagsabgeordnete Rasmus Andresen (Grüne) zu Gast, der vor einigen Wochen in den USA mit Experten aus Regierung und Verbänden über die Auswirkungen des beabsichtigten Freihandelsabkommens zwischen Europa und den USA sprechen konnte.

Die Verhandlungen sind streng geheim

Die meisten Fragen drehten sich auch in Reinbek um die mögliche Bedrohung der europäischen Standards von Verbraucherschutz über Arbeitsrecht bis zur Wasserversorgung. "Soweit die augenblicklichen Informationen eine Bewertung zulassen, ist genau das zu befürchten", bestätigte Rasmus Andresen. Immer mehr Politiker zweifelten an diesem Abkommen, was im Europaparlament dazu führte, dass eine Abstimmung jüngst sogar abgesetzt wurde. Andresen berichtete von schwierigen Umständen unter denen die Parlamentarier Informationen aus den geheimen Verhandlungen erhalten: "Geschwärzte Passagen, das Verbot, Notizen machen zu dürfen, streng geheime Besprechungen und Redeverbot, sind nur einige Beispiele, die die Situation der gewählten Vertreter deutlich machen."

Komme das Abkommen, wie derzeit geplant, sagte Herder-Alpen, "werden wir enorme Schwierigkeiten haben, hier noch nationale Standards durchzusetzen, wie zum Beispiel bei der Verhinderung von Fracking". Das Fracking-Verbot müsste wieder verhandelt werden, da in den USA dieses Verfahren zur Förderung von Erdgas erlaubt ist und in einer Freihandelszone gleiche Regularien gelten.

In den USA gebe es nicht den Vorsorgegedanken beim Verbraucherschutz wie hier, erläuterte Herder-Alpen: "Wenn dort jemand Pickel von Chlorhähnchen bekommt, muss er den Produzenten eben verklagen." In der EU dagegen werden Produkte vor der Markteinführung auf Unbedenklichkeit getestet, beschrieb auch Andresen einen wichtigen Unterschied. Das könnte mit TTIP auch hier umgekehrt werden. Gentechnisch veränderte Produkte könnten ebenso wie die von Tieren, denen Wachstumshormone verabreicht wurden, frei gehandelt werden.

Fühlten sich Investoren darin behindert, könnten sie sogar nationales Recht aushebeln. "Mit dem umstrittenen Investitionsschutz könnten Unternehmen gegen eine staatliche Regelung klagen, wenn sie sich von dieser in ihrer wirtschaftlichen Betätigung benachteiligt fühlen", erklärte Andresen. Geplant sei jedoch nicht, dass das Urteil von einem ordentlichen Gericht getroffen wird, sondern dass drei, vom Unternehmen und der Nationalregierung benannte Juristen in einem Schiedsgericht entscheiden sollen. Investitionsschutzabkommen, wie sie auch Bestandteil des TTIP-Abkommens werden sollen, könnten ein Parlament auch der Möglichkeit berauben, Bedingungen des Arbeitsmarkts zu regeln, wie mit der Einführung von Mindestlohn.

"Wir wollen kein völkerrechtliches Konzernermächtigungs-Abkommen", fasste am Schluss Günther Herder-Alpen den Tenor zusammen.