Von Louisa Rascher

Reinbek.
Er musste weinen, als er seine Frau Amina zum letzten Mal umarmen durfte, sagt Mohammed. Seit fast zehn Jahren ist der 31-Jährige mit seiner Frau verheiratet, vor über einem Jahr musste er sie in dem vom Bürgerkrieg und der Bedrohung durch die Terrormiliz IS erschütterten Syrien zurücklassen. Die beschwerliche Flucht aus seiner Heimat ist ihm und seinem Bruder Ali (23) gelungen. Heute sitzen die Männer im Rathaus in Reinbek und erzählen in gebrochenem Deutsch davon, wie sehr sie um ihre Familien fürchten. Erst wenn sie eine eigene Wohnung gefunden haben, dürfen ihre Ehefrauen nachkommen, so will es das Gesetz. Doch rein rechtlich sind die Brüder derzeit sogar obdachlos.

"Wegen dieser unerträglichen Situation brauchen sie dringend Wohnungen in der Umgebung, also Stormarn oder Hamburg", sagt Karina Korth von der Flüchtlingsinitiative "Wir sind Reinbek" und bittet um Tipps aus der Bevölkerung. Denn Ali und Mohammed sind seit Kurzem keine Flüchtlinge mehr, sondern haben einen Status als Asylbewerber mit einer Duldung. Eigentlich ein Grund zur Freude, denn sie dürfen vorerst drei Jahre hier leben, Deutsch lernen und womöglich arbeiten. Doch damit sind ihre Ansprüche auf die Plätze in der Flüchtlingsunterkunft am Krabbenkamp verwirkt. "Natürlich setzt die Stadt sie nicht auf die Straße. Aber Mohammed und Ali besetzen zwei Plätze, die eigentlich den vom Kreis zugewiesenen Flüchtlingen zur Verfügung stehen müssen", sagt Korth, die sich ehrenamtlich um die Asylbewerber kümmert

Damit die Miete vom Jobcenter übernommen wird, müssen die Wohnungen gewisse Auflagen erfüllen. So gibt die Stadt Hamburg vor, dass sie bis zu 60 Quadratmeter groß sein und die Nettokaltmiete maximal 418, 20 Euro betragen darf. Nebenkosten werden gänzlich übernommen. In Schleswig-Holstein gelten andere Regelungen: Hier darf die monatliche Miete samt Nebenkosten 540 Euro nicht überschreiten. "Außerdem reicht ein Zimmer nicht, es müssen wohl mindestens eineinhalb Räume sein", sagt Karina Korth.

Dem 23 Jahre alten Ali ist das ziemlich egal. Er will seine Liebste Azar in Sicherheit wissen. "Sie ist bei einem Onkel versteckt", sagt Ali, der erst seit einem Monat Deutsch lernt. Azar hat es zumindest schon in die Türkei geschafft und muss den Weg über das Meer nicht nehmen. Der Ehefrau seines älteren Bruders könnte das noch bevorstehen. Bei dem Gedanken daran scheint Mohammed förmlich zu zittern. Schließlich hat er die Überfahrt von Libyen übers Mittelmeer zu der zum Synonym für das Flüchtlingselend gewordenen Insel Lampedusa mit seinem Bruder überstanden.

"400 Menschen auf einem kleinen Boot, Frauen mit Kindern", sagt Mohammed und hält sein zerbrochenes Tablet in die Höhe. Es zeigt ein Foto, auf dem er und sein Bruder auf einem der berüchtigten Schlepperboote zu sehen sind. Sie sitzen an der Reling und könnten jeden Moment über Bord gehen. Mohammeds Tablet ist kein Zeichen von Reichtum: Ein gebrauchtes Telefon ist oft das erste, das sich die Flüchtlinge von ihrem letzten Geld zulegen. Es ist die einzige Möglichkeit, mit ihren Familien Kontakt zu halten. Jetzt bemühen die Brüder sich um kleine Wohnungen in der Umgebung. Damit Mohammed seine Amina zum zehnten Hochzeitstag wieder in die Arme schließen kann.

Wer den Asylbewerbern mit einer Wohnung oder einem Hinweis helfen kann, kann sich bei Karina Korth unter 0 40/72 81 24 12 melden.