Von Anne Müller

Reinbek.
"Frechheit!", "Unverschämtheit!": Rufe und Pfiffe hallen durch den mit mehr als 200 Bürgern voll besetzten Sitzungssaal im Rathaus. "Immer, wenn gar nichts mehr geht, kommt der Krabbenkamp ins Spiel", macht ein Einwohner des Stadtteils seiner Wut Luft. Die Stimmung droht zu kippen, angesichts der Aussicht, dass die Stadt im idyllischen Wohnviertel die größte zentrale Containerunterkunft für Flüchtlinge bauen will: "Ein Schnellschuss. Sie haben Fehler gemacht, dass sie so viele Flüchtlinge im Krabbenkamp untergebracht und nicht prozentual auf die Stadtteile verteilt haben", lautet ein Vorwurf. 44 Flüchtlinge im abgelegenen Stadtteil mit 320 Haushalten ohne Infrastruktur: "Das schlägt schnell um", sagte ein Bürger.

"Das sind keine Argumente, die ich persönlich akzeptieren kann", konterte Ernst-Dieter Lohmann mit scharfem Ton. Am Stadtrand sei es für die Menschen allemal besser als dort, wo sie herkommen, fügte der Bürgervorsteher hinzu. Er hatte zur Einwohnerversammlung eingeladen und räumte ein, dass die Pläne, die bestehenden Notunterkünfte mit zwölf Plätzen um Wohncontainer für weitere 32 Flüchtlinge zu erweitern, keine Wunschlösung war: "Mit dem Krabbenkamp haben wir uns schwer getan. Wir haben nicht an Quoten gedacht, sondern mussten uns nach den Möglichkeiten richten."

Verschärft habe sich die Lage auch noch, weil die gelbe Villa an der Hamburger Straße erst ab Juli bezugsfertig sei, sagte Bürgeramtsleiter Torsten Christ und machte deutlich, wie dringend die Notlage ist: "Nächste Woche kommen vier weitere Flüchtlinge und ich weiß nicht, wohin mit ihnen." Der Amtsleiter war von den Flüchtlingszuweisungen, die ständig nach oben revidiert werden, buchstäblich überrollt worden. Wo sollten auf einmal weit mehr Flüchtlinge als angekündigt untergebracht werden? 112 leben bereits in Reinbek, 141 sollen noch in diesem Jahr dazukommen. Da ginge es nur noch darum, wo kann die Stadt schnell Wohncontainer aufstellen.

Was der ohnehin explosiven Stimmung weiteren Zündstoff gab, ist das erklärte Ziel der Stadt, Flüchtlingsfamilien mit Kindern zu schützen und in kleineren Gruppen in Wohnungen oder festen Einrichtungen im Zentrum unterzubringen und vor allem Männer am Krabbenkamp zu zentrieren. Denn das ließ nicht nur bei einigen älteren Damen Urängste hochkommen. "Wir möchten auch nicht 44 alleinstehende deutsche Männer in Containern in unserem Stadtteil wohnen haben", sagte eine Krabbenkamperin. Sie verstehe nicht, dass man hier nur Männer unterbringt, über Familien würde sie sich freuen.

Dass der Containerturm vis-à-vis von ihrem Haus gebaut wird, ließ eine ältere Krabbenkamperin den Bürgermeister fragen: "Wir haben uns nicht dieses Haus erspart, um uns so vorführen zu lassen. Wollen Sie denn jetzt mein Haus kaufen?"

Bürgermeister Björn Warmer appellierte: "Wir haben neben der gesetzlichen Pflicht zur Unterbringung und Versorgung auch eine moralische Pflicht zur Integration der Flüchtlinge." Bauamtsleiter Sven Noetzel brachte die Situation auf den Punkt: "Gehen Sie nicht davon aus, dass die Container in den nächsten zwei Jahren weg sind", antwortete er auf die Frage, wie lange das Provisorium Bestand haben soll.

Doch es gab auch ermutigende Appelle von Krabbenkampern, die sich nicht bedroht fühlten: "Wir sind 700, Sie können uns doch nicht weiß machen, dass 44 zu viel sind. Es kann nicht sein, dass das ein Problem ist." Mitglieder der Flüchtlingsinitiative schilderten ihre guten Erfahrungen aus Begegnungen und motivierten dazu, Kontakt zu den Flüchtlingen aufzunehmen, statt Angst aufzubauen: "Gehen Sie auf die Menschen zu, sie sind gastfreundlich und bieten Ihnen sofort einen Tee an. Unter ihnen sind interessante Menschen mit hoch qualifizierten Berufen." Es entstehe kein sozialer Brennpunkt, versuchte auch Christ, die Gemüter zu beruhigen. Professionelle Sozialarbeiter der Stadt würden sich um Probleme der Flüchtlinge kümmern.