Von Franziska Klotz

Reinbek/Wohltorf
. Normalerweise malt Laurentz Thurn Bilder von schwarzen, weißen oder hispanischen Amerikanern. Porträts in leuchtenden Farben von Menschen aus dem multikulturellen New Yorker Stadtteil Harlem. Zu erkennen sind sie auf Thurns Bildern nur schemenhaft - an ihrer ausdrucksstarken Körpersprache und der bunten Kleidung, wie sie typisch ist für die Leute im pulsierenden Viertel Harlem.

Dort hat der 51-Jährige, der in Aumühle aufwuchs, seit 23 Jahren sein Atelier. Jetzt ist im Reinbeker Schloss eine Ausstellung mit ganz anderen Bildern des Künstlers zu sehen. Unter dem Titel "jump!" zeigt Laurentz Thurn Bilder vom Tonteich. Die Skizzen zu den Szenen am Sprungturm, im Wasser und auf dem Holzkreuz entstanden direkt an dem von Wald umstandenen Wohltorfer Badeteich, die Ölbilder malte er in seinem Harlemer Atelier.

"Der Tonteich ist nicht einfach irgendein Badesee", sagt Laurentz Thurn. Auch wenn so wie er viele aus der Umgebung langjährige Erinnerungen damit verbinden, die bis in die Kindheit reichen - "seine Faszination geht weit über die Region hinaus", weiß Thurn. Überall auf der Welt habe er schon Menschen getroffen, für die der Tonteich eine Bedeutung habe. Erst vor Kurzem hat es der kleine See mit einer großen Reportage in die Online-Ausgabe des "stern" geschafft. Und auch den New Yorker Künstler, der im Sommer meist mehrere Wochen in Deutschland verbringt, zieht der idyllisch im Wald gelegene Teich magisch an. Das dunkle, grüne Wasser, die Kröten, die Enten, der Sprungturm und das Holzkreuz - und die einmalige Atmosphäre.

Allerdings bildet Thurn auf seinen Werken nicht nur sommerlich-vergnügte Szenerien ab. Wie auf seinen New Yorker Bildern geht es auch in diesem Zyklus um seine bevorzugten Themen Kindheit, Jugend und Verfall oder die Balance zwischen Menschen. Wo ließe sich besser studieren, wann das Gleichgewicht kippt, als auf den großen Holzkreuzen in der Mitte des Sees? Wenn Vater und Söhne versuchen, die schwankende Stellung zu halten und immer wieder landet einer im Wasser? Laurentz Thurn hat hier so manches Kräftemessen beobachtet, verschiedene Vatertypen ausgemacht, während es vorn am Sprungturm neben der eigenen Balance auch um Angst und den Sprung ins Ungewisse geht. "Ich beobachtete Furchtlose, Angeber, Erstlinge und Profis und immer wieder die Frage: 'Trauste dich?'"

Dabei ging es ihm wie auf allen seinen Bildern nicht um mimischen Ausdruck, sondern darum, durch Abstraktion und die Reduktion der Figuren auf ihre Silhouette den Körper sprechen und Geschichten erzählen zu lassen - individuell und eindeutig. Dadurch schafft der Künstler, der von der Pike auf in klassischer Malerei geschult ist, viel Raum zum Deuten und regt zum Nachdenken über sich selber an. "In meinen Bildern siehst du Geister", sagt er. "Du siehst etwas, das gar nicht da ist. Der Kopf ergänzt, was das Auge nicht sieht." Weshalb seine Bilder in der Tradition der Erkenntnistheorien von Kant oder Beckett stehen.

So wundert es ihn nicht, dass die Leute schwören, sie sähen den Tonteich, obwohl er ihn auf seinen Bildern gar nicht abbildet. Zum Beispiel lässt er nur wenige Strukturen des Sprungturms stehen und hat im Licht des Ateliers in Harlem leuchtendes Viridien-Grün verwendet, das im hohen Norden gar nicht vorkommt. "Die Leute sehen den Tonteich, weil ich das male, was ihn bedeutet. Ich suggeriere etwas, bin zwischen den Dingen." Und wie das Gesicht der Menschen, die er malt, möchte auch der Künstler seines nicht abbilden lassen. "Meine Hände kannst du fotografieren, um mich zu porträtieren. Aber es geht hier nicht um mich. Es geht in erster Linie um den Tonteich."

Die Ausstellung "jump!" im Reinbeker Schloss ist vom 10. Mai bis 21. Juni mittwochs bis sonntags von 10 bis 17 Uhr zu sehen. Vernissage ist am Sonntag, 10. Mai, 11.30 Uhr, mit Bernd Wyrwinski, dem Geschäftsführer des Tonteichbades. Dort beginnt übrigens am morgigen Sonnabend, 9. Mai, 9 Uhr, die Badesaison. Abends spielen ab 19 Uhr zwei Bands bei freiem Eintritt. Mehr Infos zur Ausstellung: