Von Anne Müller

Reinbek
Bis zu 60 Güterzüge rattern auf der Strecke Hamburg-Berlin pro Tag durch den Reinbeker S-Bahnhof. Bei besonders schweren Schienentransporten muss Günther Helm schnell zur Sammlung in seiner Vitrine eilen. "Dann tanzen im Schrank die Muscheln", sagt der pensionierte ehemalige Leiter der Vogelschutzwarte Hamburg. Das Wohnzimmer des 79-Jährigen liegt direkt gegenüber dem S-Bahnhof Reinbek mit freiem Blick auf die Bahnstrecke. Dass er inzwischen den Zugplan fast auswendig kennt, habe er einem "dummen Fehler" zu verdanken. Denn irgendjemand hat an dieser Stelle den Lärmschutz vergessen.

Proteste und Hilferufe verhallen

"Die Schallmessungen wurden gemacht, als es noch das alte Bahnhofsgebäude gab. Dass das neue etwas kürzer ist, wurde dabei einfach vergessen", ärgert er sich noch heute. Seit acht Jahren leiden Anwohner nun unter dem Krach der Güterzüge. Proteste und Hilferufe der Bahnanwohner verhallen ohne Erfolg.

Viel Hoffnung, dass sich etwas ändern könnte, gibt ihm auch nicht, dass das Eisenbahn-Bundesamt (EBA) jetzt lärmgeplagte Anwohner an den Hauptstrecken befragt. "Das ist doch nur etwas für den Papierkorb", fürchtet er. Für unsere Zeitung hat er den Link auf der Internetseite dennoch getestet und einen Immissionspunkt an der "Sophiestraße 3" eingetragen. Zugang zur Beteiligungsplattform gibt es unter dem Link

Für den nicht internetgeübten Senior ist der Zugang mit Registrierung eine große Hürde: "Schon nach den ersten Klicks hätte ich ohne Hilfe aufgegeben", gesteht er. Auf Drängen seiner Freunde hat er zumindest ein Tablet mit Internetverbindung im Hause. Nach der Registrierung kann er einen Immissionspunkt mit Angabe seiner Adresse setzen. Dann klickt er sich durch acht Fragen mit teils irritierenden Antwortmöglichkeiten. "Weder laut noch leise" könnte er zum Beispiel auf die Frage ankreuzen: "Wenn Sie Geräusche hören, sind diese dann insgesamt...?" - Helm entscheidet sich für "laut".

Ob die grüne Blase, die am Ende seiner Beteiligung auf der Karte erscheint nur eine Luftblase bleibt, wird sich zeigen. Wir haben bei EBA-Sprecher Moritz Huckebrink angefragt, welche rechtlichen Möglichkeiten Anwohner überhaupt haben, ihre Ruhe einzufordern? "Ein gesetzlicher Anspruch auf Lärmschutz besteht nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz nur dann, wenn Schienenwege neu gebaut oder wesentlich geändert werden."

Aus den Lärmaktionsplänen könnten keine unmittelbaren Rechtsansprüche abgeleitet werden, dämpft Huckebrink allzu große Erwartungen. Dem EBA liege derzeit auch kein Genehmigungsantrag der Bahn für die Umsetzung von Lärmschutzmaßnahmen im Bereich der Sophienstraße vor, ergänzt er.

Als freiwillige Leistung stelle der Bund jährlich zehn Millionen Euro für die Lärmsanierung an bestehenden Schienenwegen zur Verfügung. Mit der Umsetzung sei die DB ProjektBau GmbH beauftragt.

Bahnsprecherin Sabine Brunkhorst erklärt, dass es in diesem Fall nur Anspruch auf Zuschüsse für schallgedämmte Fenster oder andere Dämmungen gebe. Denn die Zahl der betroffenen Häuser sei zu gering, um die Finanzierung für aktiven Lärmschutz hinzubekommen. Die Bahn werde Hauseigentümer für andere Lösungen ab 2016 einzeln anschreiben.

Das Eisenbahn-Bundesamt (EBA) ist seit dem 1. Januar 2015 für die Aufstellung eines bundesweiten Lärmaktionsplans für die Haupteisenbahnstrecken zuständig, zudem wirkt es bei der Lärmaktionsplanung in den Ballungsräumen mit.