Von Louisa Rascher

Wentorf.
Achim Reichels Geburt war nur ein Gastauftritt in Wentorf. Der Musiker, der mit der Band "The Rattles" in den 1960er-Jahren die Beatles und die Rolling Stones auf Tour begleitete, kam zwar 1944 in der Gemeinde bei Hamburg zur Welt. "Ich komme aber eigentlich aus St. Pauli. Zu Kriegszeiten wurden die Frauen zur Niederkunft aus der Stadt gebracht." Und so eilte Mama Reichel in der Nacht des 28. Januar auf das damalige Kasernengelände, dem heutigen Neubaugebiet. 71 Jahre später ist Sohn Achim mit seinem neuen Album "Raureif" auf Deutschlandtournee, letzte Station ist seine Heimat Hamburg am kommenden Montag.

Was ist für den Mann, der in vielen Musikstilen zu Hause ist, eigentlich Heimat? "Ich fühle mich manchmal wie ein Exot im eigenen Land. Wir flüchten uns heute in den Internationalismus und vergessen dabei unsere eigentlichen musikalischen Wurzeln." Was folgt, ist ein Plädoyer für heimische Folklore - und die Erklärung dafür, wie der Rock- und Beatmusiker Achim Reichel mit der Zeit zum Interpreten deutscher Seemannslieder werden konnte: "Viele fragen mich, weshalb ich mit den Beatles und den Stones nicht weiter Rock'n'Roll gemacht habe und auf der Erfolgswelle geblieben bin. Ich habe mich einfach irgendwann gefragt, ob ich auf diese Weise in der Branche erwachsen werden kann."

Früher sei es nur wichtig gewesen, dass die Menschen vor der Bühne getanzt haben. "Nach einiger Zeit war mir die Frage nach dem Sinn der Musik eben nicht mehr egal. Heute wäre es schiere Nostalgie, an den alten Sachen festzuhalten." Und er begann, sich zunehmend deutscher Folklore zu widmen, nahm etwa ein Album mit traditionellen deutschen Volksliedern auf. "Während wir uns für Folklore aus Irland begeistern, kommt unsere eigene traditionelle Musik nur mit einem schlechten Image weg", sagt Reichel mit rauer Stimme. Es gebe kaum heimische Kräfte, die die deutsche Musik vorantreiben würden. Er sei nun eine von ihnen.

Aber so richtig passen will das Bild des Volksmusikers nicht zu dem weltgewandten Interpreten, der seit über 50 Jahren auf der Bühne steht. Und so wendet er sich mit seinem 28. Soloalbum "Raureif" erneut ganz anderen Klängen zu. Hier entsteht aus Latin, Folk und Reggae gepaart mit klassischen Streichern und Chorgesängen ein neuer Musikstil, der dem Titel des Albums gerecht wird. "Raureif bedeutet für mich, dass ich weiser bin, mich gerade deshalb nicht anpassen will und lieber neue Stile ausprobiere."

Er selbst betrachte sich als Glückskind. "Ich kann das machen, was ich liebe und wofür mir wohl ein Talent in die Wiege gelegt wurde." Die aktuelle Tournee zeige ihm auch, was Heimat bedeute. "Das ist, wenn ich immer noch die gleichen Menschen mit leuchtenden Augen vor der Bühne sehe, die mich durch ihre Plattenkäufe über viele Jahrzehnte durchs Leben tragen."

Tickets für das Konzert am Montag, 27. April, ab 20 Uhr im "Mehr!"-Theater am Großmarkt in Hamburg (Banksstraße 28) gibt es ab 35 Euro an allen Konzertkassen.